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Plauen

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Plauen (Begriffsklärung) aufgeführt.
Wappen Deutschlandkarte
50.49512.138333333333412Koordinaten: 50° 30′ N, 12° 8′ O
Basisdaten
Bundesland: Sachsen
Landkreis: Vogtlandkreis
Höhe: 412 m ü. NN
Fläche: 102,11 km²
Einwohner:

66.098 (31. Dez. 2010)[1]

Bevölkerungsdichte: 647 Einwohner je km²
Postleitzahlen: 08505, 08523, 08525, 08527, 08529, 08541 (Großfriesen), 08547 (Jößnitz, Steinsdorf)
Vorwahlen: 03741, 037439 (Steinsdorf)
Kfz-Kennzeichen: V
Gemeindeschlüssel: 14 5 23 320
Stadtgliederung: 5 Stadtgebiete mit 38 Stadtteilen
Adresse der
Stadtverwaltung:
Unterer Graben 1
08523 Plauen
Webpräsenz: www.plauen.de
Oberbürgermeister: Ralf Oberdorfer (FDP, aber als unabhängiger Kandidat gewählt)
Lage der Stadt Plauen im Vogtlandkreis
Über dieses Bild
Blick vom Rathausturm auf die Johanniskirche und den Altmarkt
Plauen und der Rathausturm im Morgennebel

Die Große Kreisstadt Plauen ist ein Oberzentrum im Südwesten des Freistaates Sachsen. Mit rund 66.000 Einwohnern ist sie die größte Stadt des Vogtlandes und die fünftgrößte Stadt im Freistaat. Seit 1996 ist sie Kreisstadt des Vogtlandkreises, in den die bis dahin kreisfreie Stadt am 1. August 2008 eingegliedert wurde.

1122 wurde die Stadt erstmals urkundlich erwähnt und entwickelte sich in der folgenden Zeit zur Hauptstadt des Vogtlandes. Durch die aufstrebende Textilindustrie wuchs die Stadt Ende des 19. Jahrhunderts rasant und wurde 1904 Großstadt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt zu fast Dreiviertel zerstört. Die erste Großdemonstration in Plauen während der friedlichen Revolution in der DDR fand am 7. Oktober 1989 statt.

Wahrzeichen der Stadt sind das Alte Rathaus mit seinem Renaissance-Giebel und der Kunstuhr sowie die Johanniskirche. In der Stadt befinden sich die Friedensbrücke mit einem der größten steinernen Brückenbögen weltweit und am nordöstlichen Stadtrand mit der Elstertalbrücke die zweitgrößte Ziegelbrücke der Welt. International bekannt wurde die Stadt durch die Plauener Spitze.

Inhaltsverzeichnis

Plauen liegt im Tal und an den Uferhängen der Weißen Elster. Im Bereich der Einmündung der Syra weitet sich das Tal zu einem Becken mit dem Stadtzentrum.

Plauen liegt im Mittelvogtländischen Kuppenland. Der Stadtkreis ist deshalb geprägt durch die typischen, meist bewaldeten Kuppen, auch Pöhle genannt. Er erstreckt sich über rund 102 km² (Stand: Dezember 2002). In Nord-Süd-Richtung dehnt sich der vereinfacht rautenförmige Grundriss auf etwa 16 km und in Ost-West-Richtung auf etwa 12 km aus.

Die mittlere Höhe von 412 Metern ü. N.N. ist in Plauen ein sehr theoretischer Wert, denn der tiefste Punkt, die Elstersohle mit 305 Metern liegt im Ortsteil Röttis, der höchste Berg ist mit 525 Metern der bewaldete Culmberg im südlichen Stadtteil Oberlosa. „Hausberg“ von Plauen ist allerdings der 507 Meter hohe Kemmler, den ein Bismarckturm krönt.[2]

Die Weiße Elster fließt von Südwesten durch die Ortschaft Straßberg ins ursprüngliche Plauener Stadtgebiet. Etwa in der Stadtmitte schwenkt sie nach Norden, fließt durch den Stadtteil Chrieschwitz und bildet dann die östliche Grenze des Stadtkreises. Dabei teilt sie den Stadtkreis in zwei etwa gleich große Teile.

Während das ursprüngliche Stadtgebiet, also die Innenstadt, ein verdichtetes städtisches Wohn- bzw. Mischgebiet ist, sind besonders die jüngsten Eingemeindungen von 1994 bis 1999 durch den hohen Anteil (55 %) an landwirtschaftlicher Nutzfläche (LNF) geprägt. Dies ist der höchste Wert im Vergleich mit den vier nächstgrößeren Städten Sachsens. Als einzige dieser Städte besitzt Plauen eine rein ländliche Stadtrandzone. Plauen durchziehen viele Grünflächen und besonders im Norden und Süden befinden sich ausgedehnte Waldflächen. Der Waldanteil ist mit 18 % nach Dresden mit 21 % der zweitgrößte der großen sächsischen Städte.[3]

Das hügelige Umland ist in etwa gleichem Verhältnis von Feldern, Wiesen und Wäldern bedeckt. In kurzer Entfernung zur Stadt befinden sich die auch als Naherholungsgebiete genutzten beiden großen Talsperren Pöhl (nordöstlich) und Pirk (südlich).

Geologische Verhältnisse im Raum Plauen

Geologisch liegt Plauen in der Vogtländischen Mulde (Vogtländisches Synklinorium). Der größte Teil der Stadt liegt dabei in der Hauptmulde, der Stadtteil Kauschwitz in einem Ausläufer der Mehltheuerer Kulmmulde. Die Hauptmulde ist durch zahlreiche Diabaskuppen stark gegliedert, die Kulmmulde erscheint eher gleichmäßig.

Das Stadtgebiet ist geologisch außergewöhnlich kompliziert aufgebaut. Die vielen verschiedenen Gesteine werden mehreren Formationen des Paläozoikums zugeordnet. Beeinflusst wurde die Struktur hauptsächlich in der Zeit der Variskischen Gebirgsbildung. Verschiedene Gesteinsschichten sind gegeneinander verschoben, verworfen und erodiert.

Das breite Kerbsohlental der Elster teilt die Stadt in einen Nord- und einen Südteil. Der Nordteil steigt, ausgehend von der Elstersohle, in der Innenstadt relativ steil an. Dort hebt sich ein Diabasrücken heraus, der als steiler Hangabfall auf Höhe des ehemaligen Schlosses zu erkennen ist. Anschließend geht das Gebiet in eher flachere Formationen über, die hauptsächlich aus verschiedenen Ton- und Alaun-Schiefern des Ordoviziums, des Silurs und des Devons bestehen. Durch eine breite Störung sind diese Schieferfolgen gegen die westlich und nordwestlich anschließenden Diabasgesteine abgegrenzt. Die Störung zieht sich etwa von der Friedensbrücke über den Bärenstein-Osthang, den Rähnisberg bis etwa zur Carolastraße und verläuft dann nordöstlich bis zum Pietzschebach. Sie erscheint als eine Zone von stark zersetztem Diabas und Schiefer, während die westlich der Störung liegenden Gebiete (Haselbrunn, Neundorf, Straßberg) durch verschiedene Diabasgesteine, wie Tuffe, Brekzien und Konglomerate gekennzeichnet sind.

Den Südteil der Stadt prägen Tonschiefer des Ordoviziums und des Devons, die sich als breiter Streifen von Reusa bis nach Thiergarten ziehen. Ganz im Süden befindet sich das Diabasgebiet des Kemmlers und des Schwarzen Holzes. In der Ost- und der Südvorstadt gibt es noch einige Kiesvorkommen, die als junge Flussablagerungen der Weißen Elster angesehen werden.[4]

Das Vogtland und damit auch Plauen liegen in einem der seismisch aktivsten Gebiete Deutschlands. Die Epizentren der Schwarmbeben befinden sich meist in der Nähe geologischer Störungen. Die Intensität liegt in den meisten Fällen jedoch unter drei auf der Richterskala, wodurch die Beben kaum wahrgenommen werden.[5]

Panoramablick vom Bärensteinturm
Klimadiagramm von Plauen[6]

In Plauen und im Vogtland herrscht das Klima der warmgemäßigten feuchten Westwindzone Mitteleuropas mit wechselhafter Witterung. Im Vergleich zu weiter westlich gelegenen Regionen Deutschlands sind deutlich kontinentale Einflüsse (wärmere Sommer, kältere Winter) zu beobachten. Aufgrund des Einflusses der umgebenden Mittelgebirge ist das Wetter im Vogtland wind- und niederschlagsärmer als in anderen Regionen Deutschlands mit vergleichbarer Höhenlage. In Plauen beträgt die durchschnittliche Lufttemperatur 7,5 °C, wobei die wärmsten Monate der Juli und der August mit durchschnittlichen Temperaturen von ca. 16 °C sind. Im Plauener Raum gibt es im Jahr durchschnittlich 26 bis 30 Sommertage (≥ 25 °C) bei einer mittleren Sonnenscheindauer von 1450 bis 1500 Stunden im Jahr. Der durchschnittliche jährliche Niederschlag beträgt in Plauen 582 Millimeter. Dies stellt ein Minimum im Vogtland dar, bedingt dadurch, dass die Stadt im Lee der vorgelagerten Mittelgebiete liegt, sich die Luft am Westerzgebirge staut und die Wolken sich dort abregnen. Schneefälle sind von November bis April normal, wobei sich nicht immer eine Schneedecke ausbildet. Selten schneit es schon im Oktober oder noch im Mai. In Plauen sind südwestliche bis südliche Windrichtungen vorherrschend, wobei es in der kalten Jahreszeit zu so genannten „böhmischen Winden“, also Kaltluftausflüssen aus dem Böhmischen Becken kommen kann. Die durchschnittliche Windgeschwindigkeit beträgt etwa 3 bis 4 m/s.[7]

Überblick über die Gemarkungen der Stadt Plauen

Die Stadt Plauen ist in die fünf Stadtgebiete Zentrum, Nord, Ost, Süd und West eingeteilt. Jedes Stadtgebiet besteht aus bis zu zehn Stadtteilen. Die 1996 und 1999 nach Plauen eingemeindeten Stadtteile sind zugleich Ortschaften nach der Sächsischen Gemeindeordnung. Die Ortschaften wurden durch die Hauptsatzung der Stadt Plauen eingeführt und haben je einen von der Bevölkerung gewählten Ortschaftsrat, der nach der Einwohnerzahl zwischen fünf und neun Mitglieder hat. Vorsitzender des Ortschaftsrats ist der Ortsvorsteher. In den Ortschaften wurde zum Teil auch eine eigene Ortschaftsverwaltung eingesetzt.

Nachstehend sind die fünf Stadtgebiete mit ihren Stadtteilen und deren Nummern aufgeführt:

  • Stadtgebiet Zentrum:
Altstadt (01), Bahnhofsvorstadt (02), Dobenau (03), Neustadt (04), Obere Au (05), Schlossberg (06)
  • Stadtgebiet Nord:
Hammerstorvorstadt (01), Haselbrunn (02), Preißelpöhl (03), Reißig (04), Reißiger Vorstadt (05), Reißigwald mit Lochhaus (06), Jößnitz[A 1] (07), Steinsdorf[A 2] (08), Röttis[A 2], Oberjößnitz[A 2], Kauschwitz[A 1] (09), Zwoschwitz (10)
  • Stadtgebiet Ost:
Alt Chrieschwitz (01), Chrieschwitz (02), Großfriesen[A 1] (03), Kleinfriesen (04), Reusa mit Sorga (05), Reichenbacher Vorstadt (06), Tauschwitz (07)
  • Stadtgebiet Süd:
Hofer Vorstadt (01), Meßbach (02), Oberlosa[A 1] (03), Ostvorstadt (04), Reinsdorf (05), Stöckigt (06), Südvorstadt (07), Thiergarten (08), Unterlosa (09)
  • Stadtgebiet West:
Bärenstein (01), Neundorfer Vorstadt (02), Siedlung Neundorf (03), Syratal (04), Neundorf[A 1] (05), Straßberg[A 1] (06)

Plauen grenzt an acht Gemeinden. Sieben davon gehören zum Vogtlandkreis in Sachsen und eine zum Landkreis Greiz in Thüringen. Im Einzelnen sind dies (im Uhrzeigersinn, beginnend mit der thüringischen Gemeinde im Norden): Vogtländisches Oberland, Pöhl, Neuensalz, Theuma, Tirpersdorf, Oelsnitz/Vogtl., Weischlitz und Rosenbach/Vogtl..

Archäologische Funde weisen darauf hin, dass sich bereits in der Bronzezeit Siedlungen auf dem Plauener Territorium befanden.[8] Von einer Bevölkerung, die ihre Verstorbenen in Grabhügeln bestattete, zeugen die Hügelgräber von Plauen-Chrieschwitz, im Reißiger Wald und auf dem Gebiet von Reinsdorf. Diese Funde stammen von einer Lokalgruppe der Lausitzer Kultur mit engen Verbindungen nach Böhmen, in das Maingebiet und nach Thüringen. Die Besiedelung lässt sich bis in die Mitte des letzten Jahrtausends vor Christus nachweisen. Mit dem Fund eines Latènezeitlichen Hügelgrabes (um 420 vor Christus) auf dem Gebiet von Ruppertsgrün-Liebau bricht der Siedlungsnachweis im Raum Plauen-Oelsnitz plötzlich ab. Hinweise auf eine germanische Besiedelung im Vogtland wurden bisher nicht gefunden.

Funde von römischen Münzen aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus zeigen, dass das Plauener Gebiet Bedeutung als Durchzugsgebiet hatte. Eine slawische Besiedelung lässt sich durch einige Funde erst für die Zeit kurz vor 1000 nachweisen, obwohl die Ansiedelung der Slawen schon für die Zeit um 800 vermutet wird. In Plauen-Kleinfriesen wurden spätslawische Scherben entdeckt, die auf Grund von Verkrustungen darauf schließen lassen, dass sich dort eine Pechsiederei befand. Als weitere Beweise für eine slawische Besiedelung werden die slawischen Orts-, Flur und Gewässernamen in der Region angesehen. Auch die Fluraufteilung nach dem Prinzip der Blockflur ist typisch für slawische Siedlungsgebiete. Der Name der Stadt Plauen ist ebenfalls slawischen Ursprungs. Er kommt von plavna, was so viel wie Schwemmplatz, Flößplatz bedeutet und sich wahrscheinlich von der Lage im Überschwemmungsgebiet der Elsteraue ableitet.

Die 1122 erstmals urkundlich erwähnte Johanniskirche

Die Stadt wurde 1122 erstmals als Vicus Plawe in der Weiheurkunde der Johanniskirche urkundlich erwähnt. In der Urkunde bestätigte Bischof Dietrich I. von Naumburg die Kirche, die von Graf Adalbert von Everstein (in anderen Quellen auch Eberstein) erbaut und mit einer Hufe Land im Dorf Chrieschwitz, einem Stück Wald und dem halben Ertrag der Elstermühle ausgestattet wurde. Der Bischof setzte den Priester Thomas als Pfarrer ein und übertrug der Kirche den bis dahin ihm zustehenden Zehnt des etwa 20 Quadratmeilen großen Dobnagaus. Die Stadt gehörte zum Bistum Naumburg-Zeitz und war Sitz eines Archidiakonats.

1214 gründete der Deutsche Orden eine Niederlassung in Plauen, das Deutsche Haus, dem im Jahr 1224 Vogt Heinrich der Mittlere von Weida die Johanniskirche schenkte. In dieser Schenkungsurkunde wird als Zeuge „de Plawe: Conradus urbanus“ (urbanus = Stadtbewohner) genannt, der früheste Hinweis, dass Plauen das Stadtrecht erhalten hatte. Eine besondere Urkunde über die Verleihung des Stadtrechtes ist nicht erhalten. Am 29. Mai 1244 ist erstmals ein eigener Vogt für Plauen bezeugt, Heinrich II. von Plauen. In dieser Urkunde werden sowohl die steinerne Brücke als auch einige Höfe auf dem linken Ufer der Syra (Anfänge der Neustadt) erwähnt. 1263 folgte die erste Erwähnung der Neustadt. Die älteste im Stadtarchiv verwahrte Originalurkunde trägt das Datum 25. Mai 1278. Mit ihr übereignete Conrad von Everstein Kunigunde, der Gattin des Vogtes Heinrich von Plauen, das Dorf und die Hälfte des Forstes zu Straßberg als Eigenbesitz und gab ihr das Recht, nach dem Tode ihres Gatten beliebig darüber zu verfügen. Am 25. Juni 1279 wurde die Münze der Vögte errichtet, die Vogt Heinrich der Ältere am 11. März 1306 dem Landvolk und den Kaufleuten von Plauen für 600 Mark Silber verkaufte. 1328 verzichtete Graf Hermann von Everstein auf alle Lehen im Gebiet Dobene. Damit endete die Geschichte der Eversteiner im Vogtland.

Am 9. August 1329 sind erstmals ein Bürgermeister und geschworene Bürger in Plauen beurkundet. Aus demselben Jahr stammt auch das älteste Siegel der Bürger (sigillum civium in Plawe). Kaiser Karl IV. erklärte die Herrschaft Plauen im Jahr 1356 zu einem erblichen Lehen der böhmischen Krone. 1430 belagerten die Hussiten unter Führung von Andreas Prokop die Stadt. Sie nahmen das Schloss ein, zerstörten es und töteten 170 Menschen. Anschließend brannten sie die Stadt nieder, wobei weitere 500 bis 900 Menschen starben. Beim Wiederaufbau der Stadt vereinigte man die alte Stadt und die Neustadt. 1438 besetzte Kurfürst Friedrich der Sanftmütige die Stadt. Sie wurde auf kaiserlichen Befehl jedoch an Burggraf Heinrich I. zurückgegeben, der 1439 wieder einzog. Der Nachfolger Burggraf Heinrich II. ging als Tyrann in die Geschichte ein. Er wurde 1466 von König Georg Podiebrad mit der Reichsacht belegt. Am 10. Februar desselben Jahres nahm Herzog Albrecht, der Schwiegersohn des Königs, der mit der Vollstreckung der Acht beauftragt wurde, die Stadt und die Herrschaft Plauen ein, womit Plauen erstmals unter sächsische Herrschaft geriet. 1482 verzichtete Burggraf Heinrich III. durch die Verträge von Brüx endgültig auf seine Ansprüche auf Plauen zu Gunsten der Wettiner Ernst und Albrecht.

Bei der Teilung der wettinischen Lande fiel Plauen der ernestinischen Seite zu. Dadurch fasste die Reformation schon verhältnismäßig früh Fuß im Vogtland. Seit 1521 wirkte der letzte Komtur des Deutschen Hauses, Georg Eulner, im reformatorischen Sinne. Zusammen mit dem Dominikanermönch Georg Raute predigte er in der Johanniskirche nach der Lehre Martin Luthers. Die Reformation wurde durch Raute und Eulner 1524 in Plauen und bis 1529 im gesamten sächsischen Vogtland eingeführt. Danach war Plauen über viele Jahrhunderte eine überwiegend protestantische Stadt und wurde Sitz einer Superintendentur, die auch nach dem Übergang an das Kurfürstentum Sachsen beibehalten wurde. Zwei Kirchenvisitationen in den Jahren 1529 und 1533 regelten die endgültige Einführung der Reformation. Georg Eulner wurde der erste Superintendent in Plauen. Im Sommer 1546, nach dem Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges wurde die Stadt befestigt und mit kurfürstlichen Getreuen besetzt. Der Rat der Stadt wandte sich an Herzog Moritz von Sachsen mit der Bitte um Schutz, der unter der Bedingung der Huldigung gewährt wurde.

1547 belehnte König Ferdinand von Böhmen den Enkel des einst vertriebenen Tyrannen Heinrich II. erneut mit der Stadt und der Herrschaft Plauen. Er durfte sich seitdem Burggraf Heinrich IV. nennen. 1548 wurde er auf dem Augsburger Reichstag zum Reichsfürsten ernannt. Am 15. Mai desselben Jahres brannte die Stadt fast vollständig nieder. Auslöser war ein Schuss, den ein betrunkener Bürger mitten in der Stadt abgefeuert hatte. Das Rathaus, die Kirche, das burggräfliche Schloss und die Pfarr- und Schulgebäude brannten nieder. 1550 war das Rathaus wieder aufgebaut und 1556 der Wiederaufbau der Johanniskirche vollendet. Nach dem Tode Heinrichs IV. verpfändeten seine Söhne Heinrich V. und Heinrich VI. den Besitz an Kurfürst August von Sachsen, der das Gebiet 1563 endgültig erwarb.

Stadtansicht um 1650 von Matthäus Merian

Im Jahr 1600 erließ der Rat der Stadt die erste Schleierordnung. Die Schleierherren wurden als Innung anerkannt. Dadurch sollte der neue Industriezweig der Baumwollwirkerei gestärkt werden. Schleier oder Schöre sind feine Baumwollgewebe, die als Kopf- und Halstücher, Halskrausen und Turbane Verwendung finden. 1602 stieg Plauen zur Kreisstadt des Voigtlaendischen Creisses auf. Sie war damit die 13. Kreisstadt des Kurfürstentums. Der neue Kreis umfasste Adorf, Elsterberg, Gefell, Mühltroff, Neukirchen, Oelsnitz, Pausa und Schöneck.

Am 13. August 1632 nahm im Dreißigjährigen Krieg Feldmarschall Holk Plauen ein. Obwohl sich die Stadt ergeben hatte, wurde sie geplündert. Am 12. September folgte General Gallas und am 12. Oktober desselben Jahres traf Wallenstein mit der Hauptarmee in Plauen ein, nach dessen Abzug die Stadt in Brand gesteckt wurde. 1634 starb etwa die Hälfte der Bevölkerung in Plauen an der Pest.[9] Bei einem Stadtbrand im Jahre 1635 verbrannte der größte Teil der oberen Stadt mit der Kirche und den Pfarr- und Schulgebäuden. 1656, nach dem Tod von Kurfürst Johann Georg I. erhielt dessen vierter Sohn, Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz Plauen und das Vogtland. Dieser übergab 1667 das Deutsche Haus der Stadt und ließ von 1670 bis 1675 das Schloss wieder aufbauen, das 1548 zerstört worden war. 1681 veröffentlichte Georg Samuel Dörffel sein Werk über die Kometenbahnen und 1697 nahm die erste Fahrpost von Dresden und Zwickau nach Nürnberg ihren Dienst auf.

Stadtansicht und Trachten um 1730

Im Jahr 1702 errichtete Johann Friedrich Schildt als Begründer der Plauenschen-Weißwaren-Industrie ein Fabrikhaus, in dem die Baumwollweberei in größerem Umfang betrieben werden konnte. Dem folgte 1753 eine Kattunfabrik. Als Karl XII. während des Großen Nordischen Krieges Sachsen besetzte, waren von 1706 bis 1707 auch in Plauen schwedische Truppen einquartiert. 1718 starb Herzog Moritz Wilhelm und Plauen fiel wieder an Kursachsen, also an August den Starken. Deshalb wurde 1725 auch eine kursächsische Postmeilensäule für das Brückentor angefertigt. Während des Siebenjährigen Krieges besetzten die verschiedenen Kriegsparteien Plauen abwechselnd. 1758 wurde der Rat der Stadt mit vorgehaltenen Waffen gezwungen, den Treueeid auf den preußischen König Friedrich II. zu leisten. 1786 trug man die Stadtmauer zwischen Straßberger Tor und Nonnenturm ab, um Platz für Häuser in der wachsenden Stadt zu schaffen.

Zwischen 1806 und 1815 zogen abwechselnd bayerische, württembergische, preußische, französische, sächsische und russische Armeen durch Plauen und ließen sich von den Bürgern der Stadt verpflegen oder plünderten die Stadt. 1812 lagerte Napoleon auf dem Russlandfeldzug in Plauen. 1813 kamen Flüchtlinge der „großen Armee“ und nach der Völkerschlacht bei Leipzig wurden viele Verwundete in der Gottesackerkirche, in der ein Lazarett eingerichtet worden war, versorgt. Ein großer Teil der Soldaten und etliche Stadtbewohner starben an Typhus.

Ansicht um 1850

Auf die 1702 und 1753 errichteten Fabriken folgten weitere. Im Jahr 1829 stellte Webermeister Schönherr einen Webstuhl für Bobinet (eine Art Tüll) auf, 1834 folgten ein Jacquardwebstuhl und eine Schweizer Appretur. Am 2. Februar 1832 trat eine neue Städteverordnung in Kraft, mit der am 4. November die neu gewählten Mitglieder des Stadtrates und des Stadtgerichtes eingeführt wurden. Zur gleichen Zeit traten auch der Bürgermeister Gottschald, das Stadtverordneten-Kollegium und der größere Bürgerausschuss ihre Ämter an. 1833, als die Turnerei verboten war, gründete Otto Leonhard Heubner am Schlossberg in Plauen den ersten Turngarten und 1840 die allgemeine städtische Turnanstalt. Die Turnbewegung breitete sich von Plauen rasch in ganz Sachsen aus. 1834 wurde in Plauen ein Hauptsteueramt eröffnet. 1835 wurden der Vogtländische Kreis und der Erzgebirgische Kreis zur Kreisdirektion Zwickau vereinigt. Damit verlor Plauen seinen Status als Kreisstadt und war nur noch Sitz der Amtshauptmannschaft Vogtland. Zur Erweiterung der Stadt wurden das Straßberger und das Neundorfer Tor im Jahr 1837 abgetragen. In der Nacht vom 9. zum 10. September 1844 zerstörte ein Stadtbrand einen großen Teil der Innenstadt (107 Wohn- und 199 Seiten- und Hintergebäude). Im Zuge des Neuaufbaus riss man die Reste des Dominikanerklosters ab. Nur der Name Klostermarkt erinnert noch daran. Im November 1848 eröffnete die Sächsisch-Bayrische Eisenbahn die Bahnstrecke Plauen–Hof. Am 16. April 1851 folgte, nach Fertigstellung von Göltzsch- und Elstertalbrücke, die Strecke bis Reichenbach und weiter bis Dresden. 1857 wurden die ersten Stickmaschinen in Plauen aufgestellt. Am 23. Oktober desselben Jahres gründete sich der Aktien-Brauverein. Am 31. August 1860 fand die Einweihung des Stadtkrankenhauses statt und 1863 nahm die erste mechanische Baumwollenwaren-Weberei ihren Betrieb auf. Die Mechanisierung ging sehr schnell voran, wie man der folgenden Tabelle entnehmen kann:

Überblick über die Mechanisierung[10]
Jahr Anzahl Betriebe Anzahl Maschinen
1863 8 65
1865 9 84
1867 18 159
1869 70 327
1871 167 625
1872 239 907

Zwischen 1871 und 1874 begann die Herstellung von englischen (Tüll-)Gardinen. Am 30. November 1874 wurde die Eisenbahnstrecke Plauen–Eger eröffnet und der obere Bahnhof umgebaut und erweitert. Am 8. September 1875 folgte die Eröffnung der Elstertalbahn Im Jahr 1880 gelang es einer Arbeitsgemeinschaft um den Kaufmann Theodor Bickel, erstmals maschinengestickte Tüllspitze ohne Unterlage herzustellen. Das zunächst als Sächsische Spitze bezeichnete Produkt wurde zuerst in Paris auf den Markt gebracht. Schon bald erlangte die inzwischen als Plauener Spitze (Plauen-laces oder dentelles de Plauen) bezeichnete Spitze Weltruf. In den folgenden drei Jahren wurden so viele Stickmaschinen (2258) aufgestellt, wie in den 24 Jahren (seit der Erstaufstellung 1857) zuvor. Damit erlebte auch die Maschinenindustrie einen Aufschwung. Die Maschinenfabrik von Gottlieb Hornbogen lieferte 1881 ihre 100. Stickmaschine aus, 1882 folgte schon die 200. Auch die Fabrik von Hermann Dietrich (später VOMAG) stellte 1882 die 100. Maschine her. 1883 ging die erste Schiffchenstick- oder Dampfstickmaschine in Betrieb, die eine Steigerung der Produktion um das Sechs- bis Siebenfache gegenüber den vorherigen Maschinen erzielte. Der Export konnte deutlich gesteigert werden, so dass am 17. August 1887 die USA ein eigenes Konsulat in Plauen eröffneten.

Am 5. Dezember 1889 wurde das neue Krankenhaus am heutigen Standort in der Reichenbacher Straße seiner Bestimmung übergeben. Im Jahre 1894 erfolgte die Inbetriebnahme der Plauener Straßenbahn. 1899 begann der Rotationsmaschinenbau in der damaligen Vogtländischen Maschinenfabrik AG. Die 1883 eingeführte Ätzspitze fand erst ab zirka 1888 vermehrten Absatz. Im Jahr 1900 erhielten die Plauener Spitzenfabrikanten dafür den Grand Prix auf der Pariser Weltausstellung. Dies kurbelte den Export weiter an und die Stadt Plauen wuchs weiter sehr schnell (siehe Bevölkerungsentwicklung).

1893 wurde die bis dahin bestehende einzige protestantische Gemeinde der Stadt, die St.-Johannis-Gemeinde, in fünf eigenständige Kirchengemeinden aufgeteilt. Im 19. Jahrhundert zogen wieder Katholiken in die Stadt. Dies führte zur Gründung der Pfarrgemeinde Herz-Jesu, die im Jahre 1901 ihre Kirche erbaute. Anfangs gehörten die Katholiken der Stadt wie alle Katholiken im damaligen Königreich Sachsen zum Apostolischen Vikariat mit Sitz in Dresden, das seit 1743 zuständiger Verwaltungsbezirk in der Nachfolge des in der Reformationszeit aufgelösten Bistums Meißen war. Aus diesem Verwaltungsbezirk entstand 1921 wieder das Bistum Meißen, seit 1980 Bistum Dresden-Meißen, das heute zur Kirchenprovinz Berlin (Erzbistum Berlin) gehört. Plauen wurde Sitz eines Dekanats, zu dem auch Pfarrgemeinden außerhalb Plauens gehörten.

1904 zählte Plauen mehr als 100.000 Einwohner und war damit nach Verdoppelung der Einwohnerzahl innerhalb von zehn Jahren zur Großstadt geworden. 1907 erhielt Plauen den Status einer Kreisfreien Stadt.

Nachdem die Bevölkerungszahl im Jahr 1912 mit 128.014 Einwohnern ihren Höchststand erreicht hatte, ging sie auf Grund der Krise in der Textilindustrie zurück, durch die viele Einwohner der Stadt arbeitslos wurden und abwanderten. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges nahm die Spitzenproduktion weiter ab. Die Industrie konnte nur bedingt auf Kriegsproduktion umgestellt werden, so dass auch dadurch keine Besserung erfolgte. Im Ersten Weltkrieg fielen rund 3000 Soldaten aus Plauen, ungefähr 1700 gerieten in Kriegsgefangenschaft.

In der Nähe der König-Georg-Kaserne (heute Behördenzentrum) ereignete sich am 19. Juli 1918 in einer Kartuschieranstalt, in der Kartuschsäckchen für die Armee hergestellt wurden, eine Explosion, bei der 292 Menschen starben. In der Fabrik, die vor dem Ausbruch des Krieges ein Glühlampenwerk der AEG war, brach kurz vor 16:30 Uhr ein Feuer im unteren Saal aus, wo das Pulver gewogen und in Säckchen eingenäht wurde. Das Feuer verbreitete sich derart schnell, dass die Explosion nicht verhindert werden konnte. Eine Ursache wurde nie ermittelt. In der Fabrik arbeiteten fast nur Frauen, von denen 163 starben. 177 Verletzte konnten geborgen werden; davon starben 129 wenig später. Die meisten Opfer wurden am 24. Juli 1918 in einem Massengrab auf dem Hauptfriedhof bestattet. Das Massengrab und eine Gedenkstätte existieren noch.[11]

Notgeldschein von 1923

Nach dem Ersten Weltkrieg stieg die Einwohnerzahl wieder an, der Vorkriegsstand wurde jedoch nie wieder erreicht.

Im Oktober 1921 entstand in Plauen eine der ersten Ortsgruppen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei außerhalb Bayerns. Auch die Hitlerjugend (HJ) hatte sich in Plauen rasch organisiert. Der Plauener Kurt Gruber war ihr erster Reichsführer. Plauen wurde laut Eintrag im Landratsamt zum 1. Januar 1929 Sitzgemeinschaft der Hitler-Jugend-Bewegung e.V.; damit ging die Leitung der Hitlerjugend auf Plauen über. Mit der Unterstellung der HJ unter die SA wurde der Hauptsitz 1931 von Plauen nach München verlegt. Plauens Bedeutung wurde damit auf einen Großgau zurückgestuft.

Die Weltwirtschaftskrise 1929 traf die exportorientierte Plauener Wirtschaft besonders hart. Dies machte sich besonders in der Arbeitslosenquote, zeitweise die höchste in Deutschland, bemerkbar. Dadurch erlangte die NSDAP, die den Menschen radikale Veränderungen versprach, große Beliebtheit in Plauen. Zwischen 1924 und 1933 befand sich der Sitz der Gauleitung der NSDAP in Plauen. Plauen war auch eine der ersten deutschen Städte, die Adolf Hitler und Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerwürde verlieh. Alfons Hitzler war 20 Jahre NSDAP-Kreisleiter in Plauen.

Die 1930 eingeweihte, im Bauhausstil errichtete Synagoge der Stadt wurde in der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 durch einen Brandanschlag zerstört und danach nie wieder aufgebaut. Die meisten jüdischen Bürger verließen die Stadt; die übrigen wurden später deportiert und ermordet.

Gegen Ende des Jahres 1943 mietete die Firma Osram Fabrikräume der Plauener Baumwollspinnerei AG in der Hans-Sachs-Straße und der Industriewerke AG in der Roonstraße (heute Luis-Ferdinand-Schönherr-Straße) für die Molybdän- und Wolframvorproduktion und die Herstellung verschiedener Glühlampentypen. Im Frühjahr 1944 verhandelte Osram mit dem SS-WVHA über 500 Strafgefangene, die in der Produktion eingesetzt werden sollten. Nach der Einigung suchte ein Mitarbeiter zunächst 250 „junge, gesunde Frauen mit trockenen Händen“ aus, die Mitte September nach Plauen kamen. So entstanden zwei Außenlager des KZ Flossenbürg. Am 18. September setzte man die Frauen erstmals zur Zwangsarbeit ein. In Zwölfstundenschichten mussten sie an Halbautomaten verschiedene Lampentypen fertigen. Durch die Luftangriffe auf Plauen wurden die Energieversorgung und Teile der Baumwollspinnerei zerstört. Die Lager wurden am 14. April 1945 geräumt und die Häftlinge marschierten in Richtung Karlsbad. In der Nähe von Tachau befreite sie die Rote Armee.[12] Ein weiteres Außenlager des KZ Flossenbürg befand sich bei der Firma Dr. Th. Horn in der Pausaer Straße 284, die in der Luftfahrttechnik tätig war. Am 9. November 1944 wurden 50 Häftlinge in das Werk überstellt. Es handelte sich dabei um männliche Facharbeiter, von denen einige starben. Nach der Auflösung des Lagers am 27. März 1945 kamen 42 Männer in das Arbeitslager Lengenfeld. Von dort traten sie den Todesmarsch über Johanngeorgenstadt nach Nordböhmen an. In Pístov endete der Marsch. Eine nicht genau bekannte Anzahl kam dabei ums Leben.[13]

Bombenangriffe auf Plauen.[14]
Datum Bomber (Anzahl und Typ) Angriffsverband Tonnen Sprengstoff Todesopfer
12. September 1944 30 B-17 8. USAAF ≈ 82,5 130
16. Januar 1945 36 B-17 8. USAAF ≈ 97,2 132
23. Februar 1945 110 B-17 8. USAAF ≈ 325 387
3. März 1945 11 B-17 8. USAAF ≈ 27,5 21
5. März 1945 24 B-17 8. USAAF ≈ 59 74
17. März 1945 125 B-17 8. USAAF ≈ 350,9 52
19. März 1945 436 B-17 8. USAAF ≈ 1103,4 394
21. März 1945 107 B-17 8. USAAF ≈ 312,3 43
26. März 1945 269 B-17 8. USAAF ≈ 734,2 45
4. April 1945 8 Mosquitoes RAF ≈ 7,3 5
5. April 1945 151 B-24 8. USAAF ≈ 348,4 85
8. April 1945 86 B-17 8. USAAF ≈ 258,3 60
9. April 1945 37 Mosquitoes RAF ≈ 68,5 40
10. April 1945 307 Lancasters; 8 Mosquitoes RAF ≈ 1965 > 890
Gesamt ≈ 5739,5 > 2358
Angriffsplan der 95th USAAF Bomb Group

Während des Zweiten Weltkrieges blieb Plauen lange Zeit von Angriffen verschont, wurde aber gegen Ende des Krieges stark zerstört. Am 12. September 1944 erfolgte der erste große Luftangriff der US-Airforce (USAAF), dem im März und April 1945 mehrere Bombenangriffe der USAAF und der RAF folgten. Den folgenreichsten und letzten der insgesamt 14 Luftangriffe erlebte die Stadt am 10. April. Allein in dieser Nacht fielen den Angriffen der britischen Bomber etwa 900 Menschen zum Opfer. 1965 Tonnen Sprengstoff zerstörten 164 Hektar des Stadtgebietes. Insgesamt forderten die Luftangriffe in Plauen mindestens 2340 Menschenleben. Ziele der Luftangriffe waren der Obere Bahnhof, wobei die gesamte Bahnhofsvorstadt, die Infrastruktur und die Industrieanlagen der VOMAG zerstört wurden. Doch zwischen den vorgesehenen Abwurfzielen und den tatsächlich getroffenen Flächen gab es mitunter große Abweichungen. Diese Feststellung gründet sich vorwiegend darauf, dass der Zerstörungsgrad von Kulturstätten 80 %, von Wohnraum 78 %, von Betriebsgebäuden 70 %, von Verwaltungseinrichtungen 55 % und des Verkehrsnetzes 48 % betrug. 91 % des Gasnetzes (150 km Rohrleitungen) und circa 200 Kilometer des Wassernetzes wurden außer Betrieb gesetzt. Die städtischen Versorgungsnetze und der städtische Verkehr kamen durch die Angriffe vollständig zum Erliegen. Es entstanden Reparaturkosten von 4,5 Millionen Reichsmark. Durch die Zerstörung wichtiger Infrastrukturanlagen wie des Bahnhofsgebäudes und des Syratalviadukts brach der Schienenverkehr zusammen. Auch der Automobilverkehr war bis zur Räumung der teils verschütteten Straßen stark behindert. Die Plauener Straßenbahn konnte den Betrieb nach achtmonatiger Pause und Wiederherstellung der Gleisanlagen wieder aufnehmen, während der Eisenbahnverkehr in den nächsten Jahren nur eingleisig möglich war. Durch die Angriffe wurden etwa 75 % der Stadt zerstört. Im Stadtzentrum zählte man 12.600 Bombentrichter. Mit einer Bombenlast von 185,4 t/km² war Plauen eine der am stärksten zerstörten Städte Deutschlands (mehr als z. B. Dresden mit circa 60 %).

Am 16. April 1945 wurde Plauen zunächst von dem aus Westen vorrückenden 347. US-Infanterieregiment besetzt. Während der amerikanischen Besatzung erfolgten Demontagen hauptsächlich von Spitzentechnologie (z. B. Feinstbohrwerke der VOMAG), Konstruktionsunterlagen wurden beschlagnahmt. Die fähigsten Facharbeiter und Ingenieure brachte man in die amerikanische Besatzungszone. Die Amerikaner versuchten, möglichst schnell wieder eine funktionierende Zivilverwaltung aufzubauen und griffen dabei auf nach 1933 entlassene Fachleute zurück. Entsprechend den Vereinbarungen der Konferenz von Jalta zogen sich die Amerikaner am 30. Juni 1945 aus Westsachsen zurück und ab 1. Juli nahmen die Sowjets den Rest der ihnen zugesprochenen Besatzungszone in Besitz.

Während der sowjetischen Besatzung wurden viele Industrieanlagen als Reparationsleistungen demontiert und in die Sowjetunion verbracht. Ab 1946 begann die Enteignung und Verstaatlichung der Großbetriebe. Es wurden Volkseigene Betriebe gegründet und die Bodenreform durchgeführt.

1950 wurde damit begonnen, dem durch die starken Zerstörungen hervorgerufenen Wohnungsmangel entgegenzuwirken. Um kostensparend und schnell neuen Wohnraum zu schaffen, führte man die neuen Wohngebäude in der als unansehnlich geltenden, aber aufgrund der Zentralheizung beliebten Plattenbauweise aus. Besonders der Stadtteil Chrieschwitz, das Mammengebiet und die Umgebung des Oberen Bahnhofs sind von dieser Bauweise geprägt.

Nach dem Krieg fand 1955 das erste Plauener Spitzenfest statt, das jährlich einer der kulturellen Höhepunkte der Stadt ist. 1974 wurde 750 Jahre Stadt Plauen gefeiert. Es existiert zwar keine Urkunde mehr über die Verleihung der Stadtrechte, allerdings dokumentiert eine andere Urkunde, dass Plauen schon 1224 als Stadt bezeichnet wurde. Dementsprechend muss die Ernennung zur Stadt bereits vor 1224 erfolgt sein. Auf diese Weise ließ sich das Stadtjubiläum mit 25 Jahre DDR kombinieren, worauf die damalige Regierung Wert gelegt hatte.

Die Lage unmittelbar an der innerdeutschen Grenze war einer der Gründe dafür, dass die Entwicklung Plauens nach 1945 weiter stagnierte. Die Zahl der Einwohner nahm kontinuierlich ab. Plauen beherbergte an der Frontlinie des Kalten Krieges eine starke Garnison der Sowjetarmee, daneben Einrichtungen der DDR-Grenztruppen wie eine Offiziershochschule. In Plauen gab es zwar einige Großbetriebe wie die Plamag, die auch im Ausland erfolgreich waren. Doch konnte die Stadt ihre frühere wirtschaftliche Bedeutung nicht wiedererlangen.

Gedenktafel auf dem Plauener Theaterplatz, anlässlich der ersten Großdemonstration am 7. Oktober 1989
Demonstration mit ca. 40.000 Teilnehmern vor dem Plauener Rathaus am 28. Oktober 1989

Nachdem am 1. Oktober 1993 die städtische Galerie e.o.plauen mit einer Erich-Ohser-Ausstellung eröffnet wurde, wurde am 3. Oktober 1993 die e.o.-Plauen-Gesellschaft e. V. gegründet. Als ihr erster Präsident wurde Willi Daume gewählt. Vom 5. bis 7. September 1997 fand der Tag der Sachsen mit 380.000 Besuchern in Plauen statt. Nach einem Volksentscheid im Jahr 1999 wurde 2001 im Stadtzentrum ein Einkaufszentrum, die Stadt-Galerie, errichtet. Die Lohmühlenanlage, eine Grünfläche, wurde bebaut. Im Zuge dieser Baumaßnahmen wurde auch die Zentralhaltestelle Tunnel der Straßenbahn komplett erneuert und teilweise verlegt. Kritiker bemängeln, dass durch den Bau der Stadtgalerie die bisherige Einkaufsstraße, die Bahnhofstraße, abgewertet wurde und seitdem viele Geschäfte aus der Bahnhofstraße entweder in die Stadtgalerie zogen oder schließen mussten. 2002 erhielt die Stadt einen ersten Preis für das „integrierte Stadtentwicklungsprogramm“ (InSEK) vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. 2003 und 2008 wurde die Stadt als Kommune des Jahres ausgezeichnet.[20]

Plauen wehrte sich intensiv gegen Pläne des sächsischen Innenministeriums, der Stadt im Zuge der Kreisgebietsreform den Status einer kreisfreien Stadt zu nehmen, den sie seit 1907 besaß. Am 22. April 2008 lehnte der Sächsische Verfassungsgerichtshof die von der Stadt Plauen beantragte einstweilige Verfügung zur Aussetzung der Kreisgebietsreform ab.[21] Damit wurde Plauen zum 1. August 2008 als Kreisstadt wieder in den Vogtlandkreis eingegliedert.

Am 1. März 2010 trat Plauen der Initiative Mayors for Peace bei, einer Internationalen Nichtregierungsorganisation die sich hauptsächlich für die atomare Abrüstung einsetzt. Die Vertreter der Stadt wollen auch bei den Partnerstädten für diese Initiative werben.[22] Auf der Stadtratssitzung vom 27. Mai 2010 wurde zudem der Beitritt zum Rat der Gemeinden und Regionen Europas beschlossen.[23] Im Rahmen der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit konnte Oberbürgermeister Oberdorfer am 3. Oktober 2011 stellvertretend für die Stadt Plauen den Einheitspreis (Sonderpreis der Jury) der Bundeszentrale für politische Bildung entgegennehmen. Zur Begründung hieß es: „Mit dem Sonderpreis der Jury für die Stadt Plauen will die Jury an die Zivilcourage der dortigen Bevölkerung erinnern, die sich am 7. Oktober 1989, dem Nationalfeiertag der DDR, von Stasi, Volkspolizei und Wasserwerfern nicht daran hindern ließ, für ein Ende der SED-Diktatur zu demonstrieren. In der öffentlichen Wahrnehmung standen die Plauener im Schatten von Leipzig und Berlin, aber sie markierten den Wende-Punkt im dramatischen Revolutionsherbst von 1989.“[24] Am 7. November 2011 wurde der Stadt der European Energy Award verliehen.[25]

Überblick über die Eingemeindungen
Datum Gemeinde / Gemarkung
1. Januar 1899 Haselbrunn
2. Januar 1900 Chrieschwitz
1. Juli 1903 Kleinfriesen, Reusa, Sorga, Tauschwitz
1922 Reißigwald
1939 Reißig
1940 Pfaffenhaus
1. Januar 1949 Reinsdorf
1. Juli 1950 Oberlosa, Stöckigt, Thiergarten, Unterlosa
1. Januar 1994 Messbach
1. Januar 1996 Großfriesen
1. Januar 1999 Jößnitz, Neundorf, Straßberg, Kauschwitz

Die Chroniken berichten von mehreren Ein- und Ausgliederungen von umliegenden Gemeinden und Gemarkungen. Die Stadt kaufte Grundstücke in guten Zeiten und verkaufte sie wieder, wenn sie Geld brauchte. Erst im 20. Jahrhundert begann man, Gemeinden und Gemarkungen endgültig einzugemeinden.

Als erste der Eingemeindungen wurde Chrieschwitz urkundlich erwähnt. In der Urkunde, in der Plauen erstmals erwähnt wurde, tauchte auch Chrieschwitz auf. Die Johanniskirche wurde mit einer „Hufe Land im Dorfe Chrieschwitz“ dotiert. Im Jahr 1589 kaufte der Rat der Stadt Plauen das Rittergut Chrieschwitz. Um die Schulden zu tilgen, die sich während des Dreißigjährigen Krieges angehäuft hatten, wurde das stark beschädigte Rittergut Chrieschwitz im Jahr 1635 für 5000 Gulden an Christian Winkelmann verkauft. Am 14. Juni 1899 beschloss der Gemeindevorstand von Chrieschwitz die Eingemeindung des Dorfes in die Stadt Plauen einzuleiten. Am 7. September 1899 stimmte der Plauener Stadtrat zu. Die Eingemeindung trat zum 2. Januar 1900 mit der Übergabe des Vermögensbestandes an die Stadt Plauen in Kraft.

Am 14. März 1611 kaufte der Stadtrat das Gut Haselbrunn aus dem Konkurs des kurfürstlichen Amtsschlossers Nocolas Wenigel für 1050 Gulden. Für weitere 1800 Gulden wurden der Rehnsberg (Rähnisberg), das Heidenreich, das Erbholz sowie Kembler (Kemmler) und Glockenberg gekauft. Am 21. August 1613 konnte der Rat für 2500 Gulden auch die restlichen Haselbrunner Grundstücke aus der Konkursmasse erwerben. Bis 1829 wurde das Vorwerk Haselbrunn verkauft, um die Kriegsschulden der Stadt zu bezahlen. Am 6. September 1898 beschloss der Stadtrat einstimmig die Eingemeindung von Haselbrunn. Zum 1. Januar 1899 trat diese in Kraft.

1589 kaufte der Stadtrat Plauens das ehemalige Vorwerk Reusa von Christoph Abraham von Raab. Im Jahr 1627 musste die Stadt das Vorwerk für 12.000 Gulden an Christian von Winkelmann verkaufen, nachdem durch Seuchen, Teuerungen und Bevölkerungsrückgang das Geld knapp geworden war. Am 11. Juni 1901 wurde das Rittergut mit 337 Hektar Land für 725.000 Mark wieder gekauft. Am 16. Oktober 1902 fasste der Gemeinderat Reusas einstimmig den Beschluss, die Eingemeindung der Ortsgemeinde beim Plauener Stadtrat zu beantragen. Dieser beschloss am 7. April 1903 einstimmig die Verbandsgemeinde mit Reusa (einschließlich Rittergut), Kleinfriesen, Sorga und Tauschwitz zum 1. Juli einzugemeinden.

1467 kaufte der Plauener Stadtrat die Wüstung Reißig und baute sie zu einem Vorwerk aus. 1829 musste das inzwischen Rittergut gewordene Reißig verkauft werden (zusammen mit Haselbrunn), um die Kriegsschulden der Stadt zu tilgen. 1939 wurde Reißig eingemeindet.

Im Jahr 1578 pachtete der Stadtrat das Rittergut Reinsdorf vom Kurfürsten. Am 24. Januar 1614 kaufte man es schließlich für 15.000 Gulden, nachdem man schon 1602 die beiden zugehörigen Mühlen erworben hatte. 21 Jahre später, im Jahr 1635, verkaufte die Stadt Reißig an Joachim von Reibold, um die Schulden des Dreißigjährigen Krieges bezahlen zu können. 1949 wurde Reinsdorf eingemeindet.

1950 wurden Ober- und Unterlosa, Stöckigt und Thiergarten eingemeindet. Im Zuge der Kreisreform folgten 1994 Meßbach und 1996 Großfriesen. 1999 fanden die bislang letzten Eingemeindungen statt. Seitdem gehören Kauschwitz (mit Zwoschwitz), Neundorf, Straßberg und Jößnitz (mit Röttis, Steinsdorf und Oberjößnitz) zu Plauen.[26][27]

Diagramm zur Bevölkerungsentwicklung

Siehe auch: Einwohnerentwicklung von Plauen

Die Einwohnerzahl überschritt 1904 die Grenze von 100.000, wodurch Plauen zur Großstadt wurde. 1912 erreichte die Bevölkerungszahl mit 129.000 ihren historischen Höchststand. Mit der Teilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg lag Plauen an der Westgrenze der Sowjetischen Besatzungszone. Unter anderem dadurch nahm die Einwohnerzahl stark ab, so dass sie heute weit von der Großstadtgrenze entfernt ist. Laut einer Prognose der Bertelsmann AG wird die Einwohnerzahl der Stadt in den nächsten Jahren weiterhin deutlich abnehmen.

Am 31. Dezember 2010 betrug die amtliche Einwohnerzahl für Plauen nach Fortschreibung des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen 66.098 (nur Hauptwohnsitze und nach Abgleich mit den anderen Landesämtern).

Die Arbeitslosenquote im Bereich des Arbeitsamtes Plauen liegt bei 11,0 % (Stand Januar 2012) und liegt damit im sächsischen Durchschnitt.[28]

Seit der Wiedervereinigung steigt das Durchschnittsalter der Einwohner kontinuierlich an, etwa 31 % der Bevölkerung hat das Alter von 60 Jahren überschritten. Während die Zahl der Gesamtbevölkerung rückläufig ist, wird eine steigende Zahl von Bürgern über 60 Jahren verzeichnet.

Etwa zwölf bis dreizehn Prozent der Einwohner gehören der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens an. Die fünf Gemeinden (Johannis-, Luther-, Paulus-, Markus-, und Michaelisgemeinde) gehören zum Kirchenbezirk Plauen in der Region Zwickau. In Plauen befindet sich auch der Sitz des Superintendenten Matthias Bartsch.[29]

Seit 1892 gibt es eine römisch-katholische Gemeinde in Plauen. Sie gehört zum Bistum Dresden-Meißen und wird von Dekan Heinz-Claus Bahmann betreut. Von den 2.500 Gläubigen, die zur Pfarrei Plauen gehören, sind ein großer Teil Zugezogene aus anderen Regionen Deutschlands oder aus Osteuropa.[30]

Die Erlöserkirche – Gotteshaus der Evangelisch-methodistischen Gemeinde Plauens

In Plauen existieren neben der evangelischen Landeskirche und der römisch-katholischen Kirche weitere Kirchen, Gemeinschaften, Religionen, je unterschiedlicher Prägung und Ausrichtung:

Zum ersten Mal trafen sich 1869 Anhänger der Evangelisch-methodistischen Kirche, damals noch illegal, in Plauen. Das Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Gotteshaus wurde 1945 bei einem Bombenangriff zerstört. 1952 bis 1954 wurde die heutige Erlöserkirche errichtet. Sie gilt als erster Neubau Plauens nach dem Zweiten Weltkrieg. Die etwa 450 Glieder zählende Gemeinde wird seit 2005 von Pastor Thomas Roscher geleitet.[31]

Die Evangelisch-Lutherische Matthäusgemeinde der altkonfessionellen Selbständigen Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) wurde zwischen 1880 und 1890 von Lengenfeld aus gegründet. Damals gehörte sie noch zur Evangelisch-Lutherischen Freikirche (ELFK). Von 1922 bis 1999 befand sich der Gemeindesaal im Stadtteil Preißelpöhl. 1999 wurde dann die Kirche und das Gemeindezentrum im Stadtteil Haselbrunn eingeweiht. 2004 trat diese lutherische Kirchengemeinde nahezu geschlossen per Gemeindeversammlungsbeschluss aus der ELFK aus und in die SELK ein. Sie gehört mit ihrem Übertritt zum Kirchenbezirk Sachsen-Thüringen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Seit 2006 leitet Pfarrer Harald Karpe die Gemeinde.[32] Im Sommer 2011 wurde ein Glockenturm eingeweiht, der die kleinste Glocke aus dem ehemaligen Geläut der Lutherkirche hält.[33]

Die Adventgemeinde wurde 1902 gegründet und erwarb 1949 das Grundstück auf dem vor dem Zweiten Weltkrieg die Plauener Synagoge stand. 1972 konnte ein Neubau eingeweiht werden. Die Gemeinde wird von Pastorin Teresa Patjens geleitet.[34]

Gegenüber dem Hauptfriedhof im Stadtteil Reusa befindet sich das Gemeindezentrum der Neuapostolischen Kirche (NAK), das 1996 eingeweiht wurde. Die Gemeinde umfasst etwa 470 Gemeindeglieder.[35] 1921 spaltete sich die heutige Apostolische Gemeinschaft von der NAK ab. Die Glieder der Plauener Gemeinde besitzen kein eigenes Gotteshaus und nutzen für ihre Gottesdienste die Räume der Adventgemeinde.[36]

In der Lindenstraße befindet sich seit 1997 das Gemeindezentrum der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde. Sie wurde 1890 erstmals erwähnt und wird, wie in Brüdergemeinden üblich, nicht von einem Pfarrer sondern von Gemeindeältesten geleitet.[37] Im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden ist die Brüderbewegung mit den Baptisten zusammengeschlossen. Diese haben ein Gemeindehaus in der Eugen-Fritzsch-Straße, das 1974 eingeweiht wurde. Derzeit wird die Gemeinde von Pastor Daniel Papp betreut. Die Gemeinde ist in verschiedenen sozialen Projekten, wie zum Beispiel dem Blauen Kreuz engagiert.[38]

Erst seit 1996 existiert in Plauen die Pfingstgemeinde, die sich inzwischen in der Jößnitzer Straße trifft. Die Gottesdienste werden von Pastor Martin Breite geleitet. Die Gründung der Gemeinde geht zurück auf die Gemeinden in Zobes und Hof sowie auf den schwedischen Missionar Christer Birgersson.[39]

Die Gemeinde der von Rudolf Steiner begründeten Christengemeinschaft befindet sich seit 1997 in der Heinrichstraße. Die Gemeinde wird derzeit von Pfarrerin Karin Fleischer aus Chemnitz betreut. Schon kurz nach Gründung der Bewegung 1922 versammelten sich die ersten Mitglieder in Plauen. Die Bemühungen nach der Wende einen Waldorfkindergarten zu gründen scheiterten.[40]

In der Hammerstraße befindet sich der 1998 errichtete Königreichssaal der Zeugen Jehovas. Der Bau wird von der Plauener und der Oelsnitzer Versammlung (Gemeinde) genutzt. Im sächsischen Vogtland leben etwa 950 Zeugen in 13 Versammlungen, was eine hohe Dichte im Verhältnis zur Bevölkerung darstellt.[41]

1908 wurde die Plauener Gemeinde der Mormonen (offiziell: Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage) gegründet. Zwischen 1988 und 1990 wurde ein Gemeindezentrum im Stadtteil Chrieschwitz gebaut. Der für Plauen zuständige Tempel, in dem zum Beispiel die Totentaufe vollzogen wird, befindet sich in Freiberg.[42]

Auch nichtchristliche Gläubige versammeln sich in Plauen. In einer ehemaligen Gaststätte in der Dobenaustraße wurde 2009 der bisher einzige Moscheeraum im Vogtland eingerichtet. Mohammed Hamidi leitet als Imam die muslimische Gemeinde. Bisher besteht die Gemeinde hauptsächlich aus Migranten aus traditionell islamischen Ländern.[43]

In der Nähe des Oberen Bahnhofs trifft sich eine kleine Gruppe von Bahai. Offiziell stellt sie jedoch noch keine eigene Gemeinde dar.[44]

Bis zur Pogromnacht 1938 befand sich eine jüdische Synagoge in der Senefelderstraße, Ecke Engelstraße. Sie wurde 1928 bis 1930 im Stil der Neuen Sachlichkeit nach Plänen des Architekten Fritz Landauer gebaut.[45] Seit der Zerstörung der Synagoge und der Verfolgung und Vernichtung der Juden im Dritten Reich existiert keine jüdische Gemeinde mehr in Plauen.

Im 13. Jahrhundert stand an der Spitze der Stadt ein Kollegium unter einem „officiatus“. Ab 1329 sind Bürgermeister und Ratsherren nachweisbar. Es gab einen „sitzenden“ und einen „ruhenden“ Rat. Die Zahl der Bürgermeister und Ratsherren variierte mehrmals. Seit 1882 tragen die Stadtoberhäupter den Titel Oberbürgermeister und der erste besoldete Stadtrat den Titel Bürgermeister. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Oberbürgermeister von der NSDAP eingesetzt und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg bildete die sowjetische Besatzungsmacht den Rat der Stadt; die Stadtverordnetenversammlung wurde vom Volk gewählt. Der erste sowjetische Stadtkommandant in Plauen war Oberstleutnant Komarow. Nach der Wiedervereinigung wurde das als Stadtrat bezeichnete Gremium wieder frei gewählt. Es gab zunächst einen besonderen Vorsitzenden des Stadtrats. Heute ist es der Oberbürgermeister, den anfangs der Stadtrat wählte. Seit 1994 wird der Oberbürgermeister direkt vom Volk gewählt.

Der derzeitige Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer wurde bei den Wahlen am 24. Juni 2007 mit einer deutlichen Mehrheit von 87,1 % (bei drei Gegenkandidaten) in seinem Amt bestätigt.

Siehe auch: Liste der Bürgermeister von Plauen

Der Stadtrat hat seit der letzten Wahl am 7. Juni 2009 nur noch 42 Mitglieder. Im Zuge der Kreisreform 2008 wurde die Größe des Stadtparlaments angepasst und von 48 Sitzen auf 42 reduziert. Die Kommunalwahlen von 1994 bis 2009 hatten folgende Ergebnisse:

Sitzverteilung im Stadtrat der Stadt Plauen nach der Wahl am 7. Juni 2009
Parteien und Wählergemeinschaften 2009[46] 2004[47] 1999[48] 1994[49]
% Sitze % Sitze % Sitze % Sitze
CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands 27,9 12 33,3 17 36,4 18 35,9 19
Die Linke Die Linke [1] 23,3 10 28,4 14 21,9 11 15,5 8
SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands 17,2 8 15,3 7 23,6 12 22,5 12
FDP Freie Demokratische Partei 17,0 7 [2] 13,1 5 6,1 3 8,5 3
B'90/Grüne Bündnis 90/Die Grünen 6,6 3 4,5 2 4,6 2 10,3 5
WV Wählervereinigungen [3] 3,8 1 -- -- 3,1 1 7,1 1
NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands 2,9 1 -- -- -- -- -- --
DSU Deutsche Soziale Union 1,1 -- 3,9 2 3,6 1 0,2 --
Sonstige 0,2 -- 1,5 -- 0,7 -- 0 --
Gesamt 100 42 100 48 100 48 100 48
Wahlbeteiligung in % 38,1 36,1 47,9 65,1

[1] Bis einschließlich 2004 PDS
[2] Im November 2010 trat ein FDP-Mitglied aus der Partei aus und sitzt nun als fraktionsloses Mitglied im Stadtrat.[50]
[3] 1994 und 1999 FWP = Freie Wähler Plauen; 2009 Initiative Plauen

Hauptartikel: Ergebnisse der Kommunalwahlen in Plauen

Am 13. Oktober 2005 wurde das erste Jugendparlament Plauen (JUPP) durch Schüler und Schülerinnen gewählt und umfasste 30 Abgeordnete aus den weiterführenden Schulen Plauens. Rund 4800 Plauener Schüler wählten am 4. April 2007 das zweite Jugendparlament, das aus 17 Abgeordneten bestand. Die dritte Wahl zu diesem Gremium fand am 6. Oktober 2009 statt. 3794 wahlberechtigte Jugendliche konnten aus 44 Kandidaten die nunmehr 35 Abgeordneten wählen.[51] Das vierte Jugendparlament wurde am 19. Januar 2012 gewählt und hat wieder 30 Mitglieder. Wahlberechtigt waren knapp 4.000 Kinder und Jugendliche zwischen 14 und 25 Jahren.[52] Das Parlament ist maßgeblich am Bundesprogramm Vielfalt tut gut im Förderbereich Plauen/Vogtland beteiligt, indem es unter anderem die Mitglieder des für Plauen zuständigen Begleitausschusses gewählt und einen Vertreter entsandt hat. Hauptaufgabe des JUPP ist die Vertretung der Interessen der Kinder und Jugendlichen im Plauener Stadtrat und dessen Gremien. Das Jugendparlament hat dort ein Rederecht und darf Anträge einbringen. Dem JUPP stehen 3.000 Euro im Jahr zur Verfügung.[53]

Das älteste Siegel von 1329 – (inzwischen entfernte) Abbildung an einer Hauswand in der Bahnhofstraße

Das Wappen der Stadt Plauen geht zurück auf das Siegel, das erstmals 1329 erwähnt wurde. Es zeigt in Rot zwei stilisierte dreizinnige silberne Türme mit Spitzdächern und je zwei übereinander angeordnete, mit gotischem Maßwerk verzierte schwarze Fensteröffnungen, verbunden durch eine silberne Mauer mit gotischem Torbogen, belegt mit einem dreieckigen schwarzen Herzschild, darin ein aufgerichteter goldener Löwe, dem Herzschild aufgesetzt ein goldener Stechhelm mit grünen Pfauenfedern, vorn glatte, hinten gespiegelte.[54] Die heutige Form des Stadtwappens führt Plauen seit dem 12. Januar 1939.

Das oben genannte Siegel von 1329 zeigt zwischen zwei Türmen, die mit zwei spitzbogigen übereinanderliegenden Fensteröffnungen und mit je drei Mauerzacken versehen sind, ein Schild mit dem ungekrönten, nach rechts aufgerichteten Löwen, dessen Schweif in mehrere Teilschweife ausläuft; über dem Schildchen schwebt ein Stechhelm, der als Zier rechts (im heraldischen Sinne) vier gespiegelte, links vier glatte Pfauenfedern trägt. Die Umschrift lautet: + SIGILLVM • CIVIVM • IN • PLAWE.

Seit 1899 musste Plauen die „Hausfarben“ der Wettiner führen, die Stadtfarben waren daher oben gold (gelb) und unten blau. Der Plauener Stadtarchivar Dr. Ernst Pietsch beschäftigte sich 1926 bis 1939 intensiv mit dem Plauener Stadtwappen und mit den Stadtfarben. Am 12. Januar 1939 wurden die Farben schließlich (wieder) an die Wappenfarben angepasst, da ein altes Gesetz der Wappenkunst die Farben des Wappens so liest, dass sie in die entsprechende Fahne, oben die Farbe des Wappenbildes, unten die des Feldes setzt. Deshalb erscheint die Stadtflagge jetzt oben gold (gelb) und unten schwarz (belegt mit dem Wappen).

Städtepartnerschaften
Die Plauener Städtepartnerschaften
1962
Steyr 1970
Hof 1987
Siegen 1990
Cegléd 2005
Pabianice 2006
Šiauliai 2010
Städtepartnerschaft von Jößnitz (Ortsteil)
Heilsbronn
aufgelöste Städtepartnerschaften Plauens
Lens 1962–2005

Plauen pflegt, beginnend im Jahr 1962, Partnerschaften mit verschiedenen Städten im In- und Ausland. Bemerkenswert ist, dass bereits zur Zeit des Ost-West-Konflikts Partnerschaften mit den Städten Lens und Hof geschlossen wurden, die im damaligen „Westblock“ lagen, zu dem ein politisch unterkühltes Verhältnis bestand. Durch Zuschüsse an Vereine, Verbände oder Schulklassen unterstützt die Stadt Plauen Begegnungen im Rahmen der Städtepartnerschaften.

Im Jahr 1962 wurde das erste Städtepartnerschaftsabkommen mit der tschechischen Stadt Aš unterzeichnet. Seitdem arbeiten die beiden Städte auf kultureller sportlicher, wirtschaftlicher und politischer Ebene zusammen. Besonders eng ist die Zusammenarbeit im Rahmen der Euregio Egrensis und des Festivals Mitte Europa. Im Jahr 2012 stellte sich heraus, dass es in der Stadtverwaltung keine offiziellen Unterlagen zum Beginn der Städtepartnerschaft gibt.[55]

Mit Steyr in Österreich besteht seit 1970 eine Städtepartnerschaft, die die beiden Städte insbesondere auf kulturellem, sportlichem und touristischem Gebiet verbindet. Die Partnerschaft hat den Status einer „informellen dauerhaften Zusammenarbeit“[56]

1987 wurde nach längeren Bemühungen der Stadt Hof eine Städtepartnerschaft der besonderen Art vereinbart. In unmittelbarer Nähe zur innerdeutschen Grenze fand ein Austausch zwischen zwei Städten in zwei politischen Systemen statt. Bis zur Wende konnte der Austausch nur in Rahmen von Jahresvereinbarungen stattfinden. Seitdem finden vielfältige gemeinsame Veranstaltungen statt und Projekte wie der gemeinsame Flugplatz entstanden.

Die ersten Kontakte zur Stadt Siegen wurden wenige Wochen nach dem Mauerfall geknüpft. Der Schwerpunkt des am 3. August 1990 unterzeichneten Abkommens lag in der Unterstützung beim Aufbau der Verwaltung und der Strukturentwicklung der Stadt Plauen unter bundesdeutschen Aspekten. Inzwischen wurde die Partnerschaft auf nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ausgeweitet.

Am 25. September 2005 wurde ein Vertrag über die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen der Stadt Plauen und der ungarischen Stadt Cegléd unterzeichnet. Dem folgte als bisher letzte Städtepartnerschaft der Vertrag zwischen Plauen und dem polnischen Pabianice am 19. November 2005. Es werden Partnerschaften auf kulturellem aber auch auf wirtschaftlichem Gebiet angestrebt.

Im April 2005 wurde mit der litauischen Stadt Šiauliai ein Letter of Intent unterzeichnet, in dem beide Städte die Absicht erklärten, eine Städtepartnerschaft zu errichten. Seitdem fanden verschiedene Treffen von Delegationen der beiden Städte zur Verstärkung der Zusammenarbeit statt.[57][58] Auf der Stadtratssitzung am 27. Mai 2010 wurde beschlossen auch eine offizielle Städtepartnerschaft mit Šiauliai zu errichten. Die Vertragsunterzeichnung fand am 10. September 2010 in Šiauliai statt.[59]

Eine Städtepartnerschaft mit der französischen Stadt Lens wurde 2005 aufgelöst.

Der Ortsteil Jößnitz pflegt eine separate Partnerschaft mit der Stadt Heilsbronn im Landkreis Ansbach.

Das Vogtland-Theater

Das Theater Plauen-Zwickau bietet Musiktheater, Schauspiel, Orchester, Ballett und Puppentheater. Am 1. April 1896 beschloss der Theaterverein den Bau eines Theatergebäudes nach den Plänen des Leipziger Architekten Arwed Rossbach. Die Gesamtkosten betrugen 325.000 Mark, wovon die Stadt Plauen 100.000 Mark beisteuerte. Am 24. Juni 1897 wurde der Grundstein gelegt. Am 1. Oktober 1898 fand die Eröffnung und Einweihung des Stadttheaters statt. Nach der Jubel-Ouvertüre von Carl Maria von Weber hielt der Theaterdirektor Staack eine Laudatio. Anschließend fand mit der Jungfrau von Orléans von Friedrich Schiller die erste Aufführung statt. Am 3. Oktober 1899 wurde die erste Oper (Der Freischütz) aufgeführt. In der Zeit des Nationalsozialismus bestimmten „heldische“ Themen das Programm. Mit Faust, Wilhelm Tell Wallenstein, Der Ring des Nibelungen etc. wurde das Theater als „wichtiges Mittel der Propaganda des Kriegs- und Siegeswillens des Volkes“ benutzt. Ein vorgesehener Neubau des Theatergebäudes nach Plänen des Architekten Paul Baumgarten kam auf Grund fehlender finanzieller Mittel nicht zur Umsetzung. Stattdessen wurde eine zwei Monate dauernde Umgestaltung vorgenommen, bei der viele Stuckarbeiten im Zuschauerraum entfernt wurden. Die Wiedereröffnung fand am 3. Juli 1939 mit dem Lustspiel Die heimliche Brautfahrt statt. 1944 wurde das Theater geschlossen. Am 10. April 1945 wurde das Theatergebäude bei einem alliierten Bombenangriff beschädigt. Nach Ende des Krieges setzte der sowjetische Stadtkommandant Oberstleutnant Kamarow den Termin für den Wiederaufbau für den 15. Oktober 1945 fest. Der Stadtarchitekt wurde Anfang August beauftragt zu überprüfen, ob ein Wiederaufbau innerhalb von drei Monaten möglich wäre. Er stellte fest, dass die Bausubstanz äußerlich zu etwa 40 % und innen zu circa 80–90 % zerstört war. Nur durch den freiwilligen Einsatz der Mitarbeiter der am Aufbau beteiligten Firmen am Wochenende und in der Freizeit konnte der vorgegebene Termin eingehalten werden. Als eines der ersten in Deutschland wurde das Theater am 15. Oktober 1945 wieder eröffnet. Im Dezember 1991 wurde das Theater Plauen in Vogtland-Theater Plauen umbenannt, um die Verbindung zum Umland zu verdeutlichen. Ab Januar 1995 war das Vogtland-Theater Plauen ein Eigenbetrieb der Stadt Plauen. Im Jahr 2000 fusionierte das Theater aus wirtschaftlichen Gründen mit dem Theater der Stadt Zwickau zum Theater Plauen-Zwickau. Seit einigen Jahren werden auch Freilichtaufführungen im Parktheater Plauen inszeniert.

Die Singakademie Plauen e.V. ist ein gemischter Erwachsenenchor, der eng mit dem Theaterorchester verbunden ist. 1948 wurde die Singgemeinschaft gegründet. Später wurde sie in Konzertchor umbenannt, ehe 1972 der jetzige Verein von Musikdirektor Eckehard Rösler gegründet wurde. Die Singakademie unterstützt das Musiktheater z. B. als zusätzlicher Opernchor, bringt aber auch Motetten, Volkslieder und Chorsinfonik zu Gehör.

Das Parktheater Plauen wurde 1964 eröffnet. Es befindet sich inmitten des Plauener Stadtparkes. Dort finden Aufführungen des Theaters Plauen-Zwickau und Konzerte von Künstlern unterschiedlicher Musikrichtungen statt. Auch Auftritte von Comedians sind fester Bestandteil des Programms. Früher fanden auch die Hauptveranstaltungen zum Plauener Spitzenfest auf dem Gelände des Parktheaters statt.

Das Vogtlandmuseum Plauen in der Nobelstraße

Das Vogtlandmuseum Plauen befindet sich in drei denkmalgeschützten ehemaligen Wohn- und Geschäftshäusern in der Nobelstraße. Das Museum verfügt über Sammlungen zur Geschichte des Vogtlandes und der Stadt Plauen. Dabei gibt es sowohl Exponate zur Ur- und Frühgeschichte als auch zur Kunst- und Kulturgeschichte. Das Doppelhaus Nummer 9 und 11 wurde 1787 bis 1789 vom Baumwollwarenhändler Johann Gottfried Baumgärtel im Louis-seize- und im Empirestil errichtet. Besonders ist der Festsaal hervorzuheben. Er nimmt in der ersten Etage die gesamte Gebäudebreite ein. In zwölf hohen Rechtecken entlang der Wand sind die zwölf Monate in naturalistischen Stuckreliefs dargestellt. Das Haus Nummer 13 ließ der Baumwollwarenhändler Johann Christian Kanz zwischen 1797 und 1799 im Empirestil errichten. 1920 erwarb die Stadt die Häuser und richtete ein stadt- und regionalgeschichtliches Museum ein. Im Juli 1923 wurde das Vogtländische Kreismuseum in den Häusern Nummer 9 und 11 eröffnet. Im Zweiten Weltkrieg wurde ein Gartenflügel durch einen Bombentreffer zerstört. Am 17. November 1946 konnte das Museum nach umfangreichen Instandsetzungsarbeiten mit einer Ausstellung zu Ehren von Erich Knauf wieder eröffnet werden. Nach dem Krieg wurde des Museum um das Haus Nummer 13 erweitert. Das Vogtlandmuseum Plauen betreut zwei Außenstellen, eine auf dem jüdischen Friedhof an der Pausaer Straße mit einer Ausstellung zur Geschichte der Juden in Plauen in der ehemaligen Feierhalle und eine Ausstellung zu Leben und Werk des Zeichners und Illustrators Hermann Vogel im Hermann-Vogel-Haus in Krebes, seinem ehemaligen Wohnhaus.

Im Plauener Spitzenmuseum im Alten Rathaus wird seit 1884 die Geschichte der Plauener Spitze dargestellt. Es werden sowohl alte Maschinen zur Spitzenproduktion als auch Exponate aus Spitze (Kleider, Decken und Accessoires) gezeigt. Das Spitzenmuseum ist in dieser Form einzigartig in Deutschland.

In der Schaustickerei Plauener Spitze im Stadtteil Reusa wird die Entwicklung der Spitzenindustrie in Plauen gezeigt. Dazu wurden historische Maschinen in einem Fabrikantenwohnhaus mit angrenzendem eingeschossigen Fabrikgebäude installiert. Schauvorführungen finden an Groß- und Kleinstickmaschinen statt. Außerdem kann ein Atelier besichtigt werden. Jährlich wechselnde Sonderausstellungen runden das Angebot ab.

Das Alaunbergwerk Ewiges Leben wird vom Vogtländischen Bergknappenverein zu Plauen e.V. betrieben. Auf einer begehbaren Länge von etwa 650 Metern kann man unter sachkundiger Führung die Gänge des Alaunbergwerkes erkunden. Dabei können verschiedene Ausstellungen besichtigt werden. Der Verein betreibt außerdem das Luftschutzmuseum Plauen am Schlossberg und den Zollkeller an der Neundorfer Straße.

Weitere Museen sind die Plauener Druckstube und das Sparkassen-Museum. Wechselnde Ausstellungen finden im Stadtarchiv im Rathaus statt.

Skulptur der e.o.plauen-Figuren „Vater und Sohn“ am ehemaligen Standort vor der Galerie e.o.plauen in der Bahnhofstraße

Die städtische Galerie e.o.plauen wurde am 1. Oktober 1993 eröffnet. In einer Partnerschaft sanierten die Stadt Plauen, die Partnerstadt Siegen, das Land Nordrhein-Westfalen und das Unternehmen Salamander das Haus in der Bahnhofstraße 36. Der Stadt Plauen wurden die ersten beiden Etagen für 25 Jahre mietfrei überlassen, um eine städtische Galerie einzurichten. Seit dem 11. Juni 2004 befand sich dort ein Teil des Nachlasses von e.o.plauen, der in einer Dauerausstellung gezeigt wurde. Ende September 2010 zogen die Städtische Galerie e.o.plauen, die Erich Ohser – e.o.plauen Stiftung und die e.o.plauen Gesellschaft gemeinsam in das Erich-Ohser-Haus in der Nobelstraße 7, neben das Vogtlandmuseum[60].

Die Galerie im Malzhaus wird vom Kunstverein Plauen-Vogtland e.V. betrieben. Sie wurde im September 1995 eröffnet und bietet Raum für Ausstellungen verschiedener Art sowie für Lesungen, Konzerte und andere Veranstaltungen. Der Kunstverein Plauen-Vogtland e.V. wurde 1990 gegründet und nahm damit die Tradition des 1897 gegründeten Kunstvereins wieder auf, die durch die Zeit des Nationalsozialismus und der DDR unterbrochen war.

Die Galerie Forum K befindet sich in der Bahnhofstraße und wird vom Forum Kunst/Plauen e.V. betrieben. Der 2004 gegründete Verein organisiert auch die Ausstellungsreihe art Afrika, bei der zeitgenössische afrikanische Kunst gezeigt wird.

Gedenktafel für Paul Dittmann

In Plauen befinden sich mehrere Gedenkstätten zur Erinnerung an die jüdische Gemeinde und die Opfer des Faschismus. In der Feierhalle des Jüdischen Friedhofes am Oberjößnitzer Weg, die 1987 zur Dokumentation der Geschichte der Juden der Stadt eingerichtet wurde, befinden sich Gedenktafeln zur Geschichte der jüdischen Gemeinde und zu den Opfern der Shoa, die bereits 1948 angebracht wurden. 1988 wurde eine Bronzetafel am Gemeindehaus der Siebenten-Tags-Adventisten an der Senefelder Straße/Ecke Friedrich-Engels-Straße angebracht, zum Gedenken an das 1930 an dieser Stelle errichtete Gemeindezentrum mit Synagoge, die beim Novemberpogrom 1938 zerstört wurde. Die Künstler Petra Pfeuffer und Dietmar Ohme gestalteten den 1993 eingeweihten Gedenkstein an der evangelisch-methodistischen Erlöserkirche in der Straße der deutschen Einheit/Ecke Gottschaldstraße zur Erinnerung an die in den „Judenhäusern“ des Viertels zusammengepferchten jüdischen Familien vor ihrer Deportation in die Vernichtungslager. Zur Erinnerung an den, im KZ Auschwitz ermordeten, letzten Vorsteher der Israelitischen Religionsgemeinde, Isidor Goldberg, wurde 1996 eine Gedenktafel an seinem letzten Wohnhaus in der Krausenstraße 2 angebracht. An ihn und andere jüdische Bürger erinnern auch einige Straßennamen der Stadt. Auf dem Friedhof I an der Jößnitzer Straße befindet sich seit 1988 ein weiterer Gedenkstein zur Erinnerung an das jüdische Leben in Plauen.

Auf dem Plauener Hauptfriedhof an der Reusaer Straße wurde 1950 ein Ehrenmal für alle Opfer des Faschismus errichtet. Dort sind Opfer verschiedener Herkunft und unterschiedlicher Länder begraben. Am Treppenaufgang zum Oberen Bahnhof befindet sich eine Gedenktafel an den Reichsbahner und Widerstandskämpfer Paul Dittmann, der 1942 an den Folgen der erlittenen Zuchthaushaft verstarb. Am Gutsheinrichteich im Ortsteil Thiergarten steht ein Gedenkstein für den 1932 von SA-Männern ermordeten Arbeiter Willy Thoß. Eine ähnliche Tafel für die 1931 erschossenen Arbeitersportler Martin Groh und Kurt Hommel am Komthurhof/Ecke Hofwiesenstraße wurde 1996 vom Kulturamt auf Grund von Bauarbeiten sichergestellt.

An den Zeichner e.o.plauen, der sich 1944 seiner drohenden Hinrichtung durch den Freitod entzog, sowie an seinen Freund, den Redakteur Erich Knauf, erinnern die e.o.plauen-Gesellschaft und ein Straßenname. Dagegen wurde die Erinnerung an den Kommunisten Rudolf Hallmeyer nach 1990 aus der öffentlichen Erinnerung getilgt. Auch die Gedenkstätte in den Arrestzellen des ehemaligen Polizeigefängnisses im Keller des Rathauses in der Herrenstraße wurde beseitigt.

Das Portal der Festhalle Plauen

Die Festhalle Plauen befindet sich auf dem Gelände, das schon seit über 120 Jahre als Festplatz der Stadt genutzt wird. Es gab im Wesentlichen zwei Vorgängerbauten, die teilweise gleichzeitig auf dem Gelände standen. Zum einen wurde 1888 die Centralhalle fertiggestellt. Dieser Holzbau wurde 1896 erweitert und 1911/12 umgesetzt. Bis 1945 wurde sie als Veranstaltungsort genutzt. Nach dem Krieg wurde die Halle abgerissen und das Holz verheizt. Die erste Festhalle wurde 1925 neben der Centralhalle errichtet und auch nach dem Krieg weiter genutzt. 1983 musste sie wegen schwerer Baumängel gesperrt werden. 1985 erfolgte der Abriss. Am 30. Mai 1986 begann der Bau der neuen Festhalle. Sie wurde im September 1989 fertiggestellt und zum Tag der Republik am 7. Oktober 1989 eingeweiht. Kurz nach der Wende ging die Nutzung stark zurück, nahm aber bereits 1992 wieder zu. Ab 2005 erfolgte der Umbau und die umfassende Sanierung des Gebäudes. Am 30. August 2007 konnte die Festhalle wieder als Veranstaltungszentrum eröffnet werden. Die Halle bietet in verschiedenen Sälen bis zu 3500 Plätze für Konzerte, Messen und Tagungen.

Das Vogtlandstadion im nördlichen Stadtteil Haselbrunn ist vor allem die Heimspielstätte des Fußball-Regionalligisten VFC Plauen. Es wird aber auch als Leichtathletik-Stadion genutzt. Auf dem zum Stadion gehörenden Gelände werden weitere Veranstaltungen durchgeführt.

Im Stadtpark, unweit des Stadtzentrums, befindet sich seit 1964 das Parktheater Plauen. Mit etwa 5.000 Steh- und 2.000 Sitzplätzen stellt es ein in der Region einmaliges Veranstaltungsgelände dar. Auf dem unmittelbar angrenzenden Gelände gibt es Verkaufsstände und verschiedene andere Versorgungseinrichtungen.

Altes Rathaus
Die Kunstuhr im Giebel des Alten Rathauses

Das Alte Rathaus wurde im Jahr 1382 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, da aber bereits 1329 Bürgermeister und geschworene Bürger belegt sind, wurde es wahrscheinlich früher errichtet. Das Rathaus wurde mehrmals umgebaut. 1503 bis 1508 wurde ein spätgotisches Gebäude mit Vorhangbogenfenstern errichtet. Beim Stadtbrand von 1548 wurde auch das Rathaus schwer beschädigt, wobei der Nordflügel mit dem Bürgersaal erhalten blieb, der Südgiebel jedoch abbrannte. Der Wiederaufbau wurde noch im gleichen Jahr begonnen, wobei auf den spätgotischen Unterbau der noch bestehende Renaissancegiebel aufgesetzt wurde. Die Kunstuhr im Giebel wurde vom Hofer Meister Georg Puhkaw ebenfalls 1548 angebracht. „Zwei Löwen schlagen die Viertelstunden an, zwei Männer bewegen sich beim Stundenschlag. Der eine hebt bei jedem Schlag seinen rechten Arm, dessen Hand einen Stab hält. Der andere ruft die Stunde aus, was sich dadurch andeutet, dass sein großer Bart sich so auf und nieder bewegt, als ob er den Mund öffne. Die Uhr besitzt zwei Zifferblätter, von denen das größere für den Stunden- und das kleinere für den Minutenzeiger bestimmt ist. Zwischen den Löwen dreht sich eine Kugel, die die Mondphase anzeigt. Unter den Zifferblättern befindet sich eine Sonnenuhr. Die Wappentafel unter der Sonnenuhr mit Kurschild und dem herzoglich-sächsischen Wappen im linken Feld, dem kursächsischen Gesamtwappen im mittleren und gotischen Maßwerk im rechten Feld war ursprünglich dem 1825 abgebrochenen Teil des ehemaligen Treppenerkers eingefügt“ (Dr. Ernst Pietsch). Bei einem weiteren Umbau wurde 1825 der obere Teil des Erkers über dem Treppenaufgang entfernt. 1912 wurde im Zuge des Neubaus des neuen Rathauses auch das alte Rathaus noch einmal umgebaut, wobei die Doppelfreitreppe gebaut wurde, die zum Festsaal des Standesamtes führt. Die Uhr ist eine originalgetreue Nachbildung der Kunstuhr von 1548. Das originale Räderwerk kann im Vogtlandmuseum besichtigt werden. Das Alte Rathaus wurde 1945 bei einem Luftangriff am Dach schwer beschädigt und das Mauerwerk teilweise aufgerissen. 1950 erfolgte die Restaurierung mit Erneuerung der bemalten Deckenbalken, 1970 die Erneuerung des Südgiebels und der Kunstuhr. Im Dezember 2008 wurde die Kunstuhr demontiert und eine Plane mit einem Bild der Uhr vor dem Giebel angebracht[61]. In den folgenden Jahren erfolgte die Restaurierung der Uhr nach einer Vorlage von 1922. Ende Oktober 2010 war die Uhr fertiggestellt und wurde wieder an ihrem ursprünglichen Platz eingebaut.[62] Innerhalb weniger Wochen wurde im Frühjahr 2011 schließlich die Fassade restauriert. Dabei wurde die ursprüngliche Farbgebung wieder hergestellt, das chursächsische Wappen am Giebel aufgearbeitet und die Beleuchtung für den Weihnachtsmarkt erneuert.[63]

Der Altmarkt hieß bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts nur Markt, den jetzigen Namen erhielt er, um ihn vom neu angelegten Klostermarkt zu unterscheiden. Auf dem Altmarkt standen früher zwei Röhrenkästen der städtischen Wasserleitung, die aus ausgehöhlten Baumstämmen hergestellt worden war. Hier fanden die Wochen- und Jahrmärkte statt. Hin und wieder gab es dort auch eine Hinrichtung. In den letzten Jahren wurden die angrenzenden Häuser saniert bzw. wieder aufgebaut. Auch der Marktplatz selbst wurde erneuert und seit dem 13. November 2007 steht der König-Albert-Brunnen des Künstlers Norbert Marten auf dem Markt. Er wurde als Ersatz für ein Reiterstandbild König Alberts errichtet, das nach dem Krieg entfernt worden war. Auf dem Altmarkt finden neben dem Wochenmarkt auch verschiedene Themenmärkte statt. Außerdem wird er für verschiedene Veranstaltungen genutzt, zum Beispiel das Plauener Spitzenfest oder der Weihnachtsmarkt.

Der Bärensteinturm
Das Malzhaus von der Bleichstraße aus gesehen

Auf dem Gelände des heutigen Malzhauses errichteten die Grafen von Everstein um 1200 eine Burg, die die südöstlichste Ecke der Stadtbefestigung darstellte. Als Nachfolger der Eversteiner bezogen die Weidaer Vögte 1238 das neue Schloss auf dem Hradschin. Das alte Schloss, wie die Eversteiner Anlage seitdem genannt wurde, verlor an Bedeutung. 1430 brannte es bei einem Hussiten-Angriff aus. Nachdem der Besitz mehrfach gewechselt hatte, erwarb 1590 der Magistrat der Stadt das Gelände und nutzte es als Bau- und Abstellhof. Nach einem verheerenden Stadtbrand im Jahre 1635 wurde das niedergebrannte Haus nicht wieder aufgebaut. Erst im Jahre 1720 begann die Plauener Bürgerschaft mit Planungen zum Neubau eines Malzhauses auf den Grundmauern der alten Burg. Zwischen 1727 und 1730 wurde das Malzhaus mit vier Etagen errichtet und an häufig wechselnde Mälzer verpachtet. 1844 wurde neben dem Malzhaus ein Brauhaus errichtet als Ersatzbau für das beim Stadtbrand desselben Jahres niedergebrannte Herrenbrauhaus, das sich an der Stelle des heutigen Rathausturmes befand. 1897 wurden Brauerei und Mälzerei eingestellt und das Malzhaus in ein Lager- und Wohnhaus umgewandelt. 1899 wollte die Stadt das Malzhaus abreißen, was durch Heimatvereine und Plauener Bürger verhindert wurde. Zwischen 1906 und 1907 wurde das alte Brauhaus abgerissen und das Werkstatt- und Wohngebäude errichtet, das mit seinem Fachwerkgiebel auffällt. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Kellerräume als Luftschutzkeller genutzt; am Ende des Krieges wurden die Dachgeschosse durch Bombentreffer beschädigt. 1960 wurde das Malzhaus notdürftig repariert, nachdem es vom VEB Gebäudewirtschaft übernommen worden war. Anschließend wurde es als Lagerraum für verschiedene DDR-Betriebe benutzt. Im Oktober 1989 wurde eine Bürgerinitiative zur Sanierung des Malzhauses gegründet. Zwischen 1990 und 1998 wurden Brau- und Malzhaus durch die Stadt Plauen aufwändig rekonstruiert. In dieser Zeit wurde auch ein moderner Verbindungstrakt mit einem Aufzug zwischen beiden Häusern eingebaut. Seit 1994 ist der Malzhaus e. V. Pächter des Anwesens, der es zu einem Kulturzentrum mit Galerie, Nostalgiekino und Open-Air-Bühne ausbaute. Im Malzhaus findet alljährlich der Plauener Folkherbst statt, bei dem der Eiserne Eversteiner vergeben wird.

Die 1976 eingeweihte Glasfassade am Neuen Rathaus

Das Neue Rathaus wurde 1912 bis 1922 erbaut. Durch das sprunghafte Anwachsen der Stadt seit den 1880er Jahren wurde ein neues Verwaltungsgebäude benötigt. Im Jahr des Baubeginns erreichte Plauen seine höchste Einwohnerzahl von 128.014. Da der Neubau großzügig ausgeführt werden sollte, wurden in den Jahren zwischen 1889 und 1906 mehrere Gebäude in der damaligen Schustergasse (nicht mehr existierende Parallelstraße zum Unteren Graben), der Marktstraße, der Herrenstraße und der damaligen Bahnstraße aufgekauft und abgebrochen. Nachdem ein Architektenwettbewerb 1908 keine befriedigenden Lösungen gebracht hatte, erhielt 1910 das Stadtbauamt den Auftrag, einen Plan auszuarbeiten. Schließlich legte Stadtbaurat Wilhelm Goette einen Entwurf vor, der auch Ideen des Wettbewerbs berücksichtigte. Nachdem der Rat und die Stadtverordneten zugestimmt hatten, begannen im Oktober 1912 die Ausschachtungsarbeiten für den Neubau. Die Grundsteinlegung fand ein Jahr später statt und bis zum Sommer 1914 war der erste Abschnitt im Rohbau fertiggestellt. Im Herbst 1916 konnten, trotz des Krieges die Außenarbeiten abgeschlossen werden. 1921 wurden die acht Läden in der Marktstraße bezogen und im gleichen Jahr tagten die Stadtverordneten das erste Mal in den neuen Sitzungssälen. 1922 wurde das Neue Rathaus endgültig fertiggestellt. Auf der Seite zum Altmarkt wurde eine Freitreppe an der Ostseite des Altbaus angebracht. Am oberen Ende steht ein Standbild von Heinrich dem Älteren von Plauen, das 1923 nach einem Entwurf des Dresdner Bildhauers Selmar Werner in Muschelkalkstein ausgeführt wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Rathaus stark zerstört. Die Frontseite (zum Unteren Graben) wurde in modernen Formen unter Verwendung von Stahl und Glas wieder errichtet und 1976 eingeweiht. Die Glasfassade muss aufgrund des maroden Zustandes saniert werden. Dabei kommen drei Grundvarianten infrage. Entweder der Umbau der vorhandenen Fassade, wobei die vorhandene Stahlkonstruktion erhalten bliebe und verstärkt würde sowie alle Fassadenteile erneuert werden müssten. Die zweite Variante wäre ein Nachbau der alten, im Krieg zerstörten Fassade und die dritte Möglichkeit ist ein Neubau der Fassade. Die Kosten für die drei Varianten liegen zwischen dem unteren einstelligen und einem oberen einstelligen bis unteren zweistelligen Millionenbereich.[64]

Nonnenturm vom Lutherpark aus gesehen

Der Nonnenturm wurde wahrscheinlich um 1200 errichtet und 1382 erstmals urkundlich erwähnt als Turm in der Nonnengasse. Den Namen Nonnenturm, der erstmals 1563 in einer Urkunde auftauchte, hat er von einem Kloster der Schwestern der dritten Regel zur Buße des heiligen Dominikus, das sich bis zur Reformation in der Nähe befand, obwohl es sich bei den Mitgliedern dieses Ordens streng genommen nicht um Nonnen handelte. Der Turm ist der einzige erhaltene Eckturm der alten Stadtbefestigung. Er bildete die nördliche Grenze der Altstadt und erschien früher wesentlich gewaltiger, da er mit seiner Bastion bis in die Talsohle der Syra reichte und eine Höhe von etwa 30 Metern hatte. Die heutige Straße liegt circa zehn Meter über dem Bachbett. Der Turm wurde bei den Luftangriffen 1945 stark beschädigt und in den 1950er Jahren wiederaufgebaut. 1962 wurde die Bastion im Zuge der Straßenerweiterung abgetragen. Nach der Wende wurde die Gegend um den Turm, in dem sich jetzt ein Café befindet, neu bebaut.

Das Weisbachsche Haus. Der mittlere Teil ist schon saniert

Das Weisbachsche Haus wurde nach dem Fabrikanten Carl Wilhelm Weisbach (in manchen Quellen auch Weißbach) benannt. Erbaut wurde es in den Jahren 1777 bis 1778 von dem Nürnberger Kattundruckerei-Unternehmer Johann August Neumeister als Wohn- und Fabrikationsgebäude für 24.000 Taler im spätbarocken Stil. Er war in den 1750er Jahren von mehreren Plauener Baumwollwarenhändlern angeworben worden, um die Kattundruckerei in Plauen zu etablieren. Bis dahin mussten die Kattune zum Bedrucken nach Augsburg oder Nürnberg gebracht werden. Im Jahre 1794 zog Neumeister nach Zwickau und der Kaufmann Ernst Wilhelm Conrad Gössel übernahm das Gebäude. 1810 erweiterte er die Fabrik und die Baumwollspinnerei, die mittlerweile gebaut worden war, indem er an die vorhandenen Gebäude anbaute. 1814 stellte er zwanzig Webmaschinen auf, die „durch mechanische Kunst“ betrieben wurden. 1834 pachtete der Chemnitzer Fabrikant Carl Wilhelm Weisbach die Spinnerei und ließ vor 1858 in der Bleichstraße 12 eine Dampfmaschinenanlage installieren, die später auch die Zwirnereimaschinen über Transmission antrieb. In den Jahren 1850 bis 1900 ging der Komplex Bleichstraße 1–13 an die Unternehmerfamilie Weisbach über. Das Weisbachsche Haus wurde 1945 durch Bomben mittelschwer beschädigt. Es wird darüber diskutiert, ob das Gebäude für ein geplantes Spitzenzentrum genutzt werden soll.[65]

Das Bürgerhaus in der Lessingstraße 9

Mit dem raschen Anstieg der Stadtbevölkerung gegen Ende des 19. Jahrhunderts stieg auch der Wohnraumbedarf enorm, so dass um die Jahrhundertwende zahlreiche Bürgerhäuser im Jugendstil entstanden. Charakteristisch ist die aufwendige Fassadengestaltung zur Straße hin, während der eigentliche Wohnraum eher funktional gestaltet wurde um der Nachfrage nach günstigen aber dennoch repräsentativem Wohnraum gerecht zu werden. Eine kleine architektonische Besonderheit stellt die Bebauung in der Lessingstr. 9 und 11 dar. 1906/1907 wurde die Wohnhäuser durch die Bauunternehmer Knüpfer und Gärtner in Zwillingsbauweise errichtet. Beide Gebäude gleichen sich fast identisch, doch unterscheiden sich bewusst in einzelnen Details wie z. B. dem Mädchenkopf im Zwerchgiebel. Die Frontfassade stellt eine besonders gelungene Symbiose aus beiden Richtungen des Jugendstils dar: Es finden sich sowohl florale, geschwungene Elemente, z. B. im Giebel, unterhalb der Fenstersimse im 1. OG und die Kartuschen im Seitenrisalit, als auch geometrische, abstrakte Formen, z. B. die Lisenen am Seitenrisalit und die stilisierten Rollwerke an der Giebelbekränzung, wieder. Die einzelnen Fassadenflächen sind klar strukturiert und voneinander abgegrenzt. Sie werden aber durch die mehrfache Verwendung bzw. Variation von Ornamenten miteinander verknüpft, z. B. gleiche Motive unterhalb der unteren Fenstersimse im 1. OG sowohl im Bereich des Risalites als auch im Bereich der Klinkerfassade.

Weitere Sehenswürdigkeiten sind die Schlossruine am Hradschin, die bis zum Jahr 2007 als Gefängnis genutzt wurde und die nun zu einem Bildungszentrum ausgebaut werden soll, das Schloss in der Ortschaft Jößnitz, das Schloss Reusa im gleichnamigen Stadtteil, der etwa 18 Hektar große Stadtpark, das Syratal mit der Syratalbrücke, über die die Eisenbahnstrecke nach Weischlitz führt, das Pfortengässchen neben der Johanniskirche und die Weberhäuser an der Elster

Neben dem Rathausturm und dem 507 Meter hohen Kemmler als landschaftlichem Wahrzeichen bildet auch die über der Stadt erhobene Johanniskirche eines der Wahrzeichen der Stadt Plauen.

Johanniskirche (von Süden)

Die Johanniskirche, (gewidmet dem Täufer Johannes) wurde 1122 auf Befehl Kaiser Heinrichs V. vom Naumburger Bischof Dietrich geweiht. Die Weiheurkunde ist auch die erste urkundliche Erwähnung der Stadt. Der Bau geht auf den Grafen Adalbert von Everstein zurück, der die Kirche unweit seiner Burg (dem heutigen Malzhaus) errichten ließ. Um 1230 wurde die ursprünglich römische Basilika zu einer dreischiffigen Basilika mit Querschiff erweitert. Nach einem verheerenden Stadtbrand 1548 musste das Kirchenschiff neu errichtet werden. Deshalb wurde sie zu einer spätgotischen Hallenkirche umgebaut. Um 1644 erfolgte der Anbau der beiden Turmhauben. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem am 10. April 1945 der Südturm, der Dachstuhl und die Innenausstattung durch Luftangriff beschädigt wurden, erfolgte der Wiederaufbau von 1951 bis 1959. Nach der Wende erfolgte noch einmal eine umfassende Sanierung. Im Oktober 2012 wurde festgestellt, dass die Glocken der Kirche beschädigt sind und umgehend stillgelegt werden müssen. Neben der Johanniskirche befindet sich der Komturhof des Deutschen Ordens, der – bei den Bombenangriffen zerstört – von 2004 bis 2008 soweit wieder aufgebaut wurde, dass er im Sommer genutzt werden konnte. Im Oktober 2008 gründete sich ein Förderverein, der sich für den weiteren Ausbau des Gebäudes einsetzt.

Die Lutherkirche ist die zweitälteste Kirche Plauens. Die Grundsteinlegung erfolgte am 24. August 1693. Die Weihe fand am 10. Dezember 1722 statt. Direkt neben der Kirche lag der 1548 angelegte Friedhof (Gottesacker), weshalb sie lange Zeit den Namen Gottesackerkirche trug. Zum 400. Geburtstag des Reformators Martin Luther erhielt die Kirche 1883 den Namen Lutherkirche. Die Kirche wurde als Friedhofskirche benutzt, ehe sie am 8. April 1893 mit Gründung der Luther-Gemeinde zur Gemeindekirche wurde. Die Kirche wurde bei den Bombenangriffen 1945 am Dach beschädigt und unmittelbar nach dem Krieg wieder instandgesetzt. Im Inneren befindet sich ein spätgotischer Flügelaltar eines Erfurter Meisters (entstanden um 1495), der lange Zeit in der Thomaskirche zu Leipzig stand. Im Herbst 1989 brannten vor dem Seitenportal der Kirche unzählige Kerzen. Diese wurden von den Demonstranten der Samstags-Demonstrationen dort abgestellt, da sich die Tür gegenüber dem Hauptportal des Rathauses befindet. 2009 bis 2011 wurde die Kirche saniert. Dabei wurde unter anderem das Dach erneuert und das Geläut ersetzt.

Die Markuskirche in Haselbrunn

Die Markuskirche im Stadtteil Haselbrunn wurde im neobyzantinischen Stil errichtet. Am 22. April 1911 fand die Grundsteinlegung statt. Die Kirche wurde auf dem Morgenberg gebaut, der dazu teilweise abgetragen wurde. Am 18. März 1912 wurde Richtfest gefeiert und am 7. Dezember 1912 die Kirche geweiht. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Kirche nahezu unbeschädigt. Aufgrund der abnehmenden Gemeindegliederzahl wurde in den Jahren 1963 bis 1975 eine Zwischendecke eingezogen, wodurch ein oberer Kirchsaal und im Erdgeschoss eine Winterkirche entstanden. Im Frühjahr 1989 gründete sich in der Kirche die Arbeitsgruppe Umdenken durch Nachdenken, deren Mitglieder als Wegbereiter der friedlichen Wende in Plauen im Herbst des Jahres angesehen werden können. In den letzten Jahren wurde der obere Kirchsaal aufwändig saniert, wobei nach Denkmalschutzauflagen die alte Bemalung wieder freigelegt wurde.

Der Grundstein der Pauluskirche wurde am 17. Juni 1895 gelegt. Sie entstand als dritte Kirche der schnell wachsenden Stadt Plauen. Am 26. August 1896 wurde Richtfest gefeiert und am 29. November 1897 die Kirche geweiht. Nachdem die Kirche in der Bahnhofsvorstadt den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstanden hatte, wurde sie doch noch beim vorletzten (dem dreizehnten) Luftangriff am 10. April 1945 stark beschädigt. Turmspitze und Dachstuhl des Kirchenschiffes wurden zerstört, ebenso sämtliche Fenster und die Orgel. Im Jahre 1946 begann der Wiederaufbau und 1957 konnte die Kirche zum zweiten Mal geweiht werden.

Die katholische Herz-Jesu-Kirche entstand 1901/02 als dreischiffige Basilika im neuromanischen Stil aus hellem Werkstein und rotem Backstein nach Plänen von Julius Zeißig. Sie wurde 1905 geweiht. Der Turm ist 48 Meter hoch. Die ehemals aufwändige Innenausmalung und die Buntglasfenster wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Nach dem Krieg wurde die Kirche mehrmals renoviert. Die letzte aufwändige Renovierung erfolgte im Jahr 2008. 2003 wurde auf dem südlichen Dach des Mittelschiffs eine Photovoltaik-Anlage installiert.

Die Versöhnungskirche vom Friesenweg aus gesehen

Nach langem Ringen wurde 1993 der Grundstein für die Versöhnungskirche im Stadtteil Chrieschwitzer Hang gelegt. Am 20. März 1994 wurde die Kirche geweiht. Im großen Fenster des Kirchenraumes wurde eine Steinplatte vom Ölberg in Jerusalem eingelassen. Die Kirche besteht aus zwei eigenständigen, konstrastierenden Baukörpern. Sie ist überwiegend aus massiven Stahlbeton gebaut und mit Betonwerkstein verkleidet. Die Kirche gehört zur Michaelisgemeinde, die in Reusa noch ein Gemeindezentrum unterhält.

Plauen hat, was Brücken betrifft, einige Superlative zu bieten. Dort befinden sich die größte Steinbogenbrücke der Welt und die älteste Brücke Sachsens. An der Grenze zu Jocketa befindet sich die zweitgrößte Ziegelbrücke der Welt.

Die Alte Elsterbrücke

Die Alte Elsterbrücke wurde 1244 als Pons lapideus (steinerne Brücke) erstmals urkundlich erwähnt. Damit ist sie die älteste Brücke Sachsens. Hier trafen zwei der ältesten Handelsstraßen aus Nürnberg (Frankenstraße im Zuge der B 173) und Augsburg aufeinander und überquerten gemeinsam die Weiße Elster. Die Brücke gehörte zur alten Stadtbefestigung Plauens und überquert mit einer Länge von 75 und einer Breite von sieben Metern die Elster und den Mühlgraben. Sie besteht aus sechs steinernen Bögen und besaß früher zwei Turmaufbauten an den Enden. Um 1860 wurden diese Brückentürme mit der vor dem Brückentor stehenden Postmeilensäule abgerissen. 1888 wurde die Brücke nach einem Umbau, bei dem sie mit Stahlverstrebungen verstärkt wurde, neu geweiht und erhielt den Namen König-Albert-Brücke. Am 15. November 1894 wurde die Straßenbahnstrecke, die zunächst eingleisig über die Brücke führte, eröffnet. Ab 28. November 1903 fuhr die Straßenbahn zweigleisig. In den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges wurde die Südseite der Brücke durch einen Bombentreffer stark beschädigt. Nach dem Krieg wurde sie wieder aufgebaut und in Dr.-Wilhelm-Kültz-Brücke umbenannt. Nachdem der Straßenbahnverkehr drastisch zugenommen hatte, wurde in den 1970er Jahren nur wenige Meter stromaufwärts eine neue Brücke über die Elster errichtet, die im November 1973 unter dem Namen Neue Elsterbrücke für den Verkehr freigegeben wurde. Nach der Rekonstruktion 1984 wurde sie nur noch als Fußgängerbrücke freigegeben. 1986 wurde eine Nachbildung der kursächsischen Postdistanzsäule, nicht originalgetreu aus Rochlitzer Porphyr und ohne Entfernungsangaben, am südlichen Ende der Brücke aufgestellt, die an die Bedeutung der Brücke für den Handel erinnern soll. Zwischen 2006 und 2007 fanden umfangreiche Sanierungsarbeiten statt, die mit der Weihe am 15. August 2007 abgeschlossen wurden. Die bei einem Unfall Ende 2010 zerstörte Postmeilensäule wurde unter Verwendung des Wappenteiles - nun mit rekonstruierten Entfernungsangaben - neu gefertigt und im Oktober 2011 aufgestellt.

Die Elstertalbrücke um 1900

Die Elstertalbrücke ist nach der Göltzschtalbrücke die zweitgrößte Ziegelbrücke der Welt. Sie befindet sich an der Stadtgrenze Plauens zwischen dem Ortsteil Jößnitz und Jocketa. Die Brücke wurde wie ihre große Schwester im Zuge des Eisenbahnbaus für die Sächsisch-Bayerische Eisenbahn errichtet. Der Grundstein für die 279 Meter lange und 68 Meter hohe Brücke wurde am 7. November 1846 gelegt. Mehrere hundert Arbeiter waren während der Bauarbeiten beschäftigt, bei denen über zwölf Millionen Ziegel verbaut wurden, ehe die Brücke am 15. Juli 1851 eröffnet wurde. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, am 16. April 1945, wurde der mittlere Pfeiler von deutschen Wehrmachtssoldaten gesprengt. Nach dem Krieg wurde ein provisorischer Stahlpfeiler eingebaut und die Strecke konnte ab 4. Februar 1946 wieder befahren werden. Bis Oktober 1950 wurde die Brücke komplett wiederhergestellt. Die Elstertalbrücke überquert das Elstertal, in dem neben der Weißen Elster die Elstertalbahn verkehrt und besitzt zwei Etagen. Die untere Etage besteht aus fünf Pfeilern und zwei großen Bogen, die obere aus neun Pfeilern und sechs großen Bogen. Vier Pfeiler sind zu zwei Doppelpfeilern verbunden. Während auf der oberen Etage der Zugverkehr zwischen Reichenbach und Plauen rollt, befindet sich auf der ersten Etage ein Fußgängerübergang, der in das Wanderwegenetz integriert ist. Am Fuße der Brücke befindet sich der Bahnhof Barthmühle.

Die Friedensbrücke von Norden (Aktienweg) aus gesehen.

Das Syratalviadukt oder die Friedensbrücke ist mit 90 Metern Spannweite die größte Bruchsteinbogenbrücke der Welt. Die Brücke hat eine Länge von 133, eine Breite von 18 und eine Höhe von 18 Metern. Sie überspannt die Syra und eine Gemeindestraße; über sie führt die Bundesstraße 92. Nachdem es bereits seit den 1870er Jahren Planungen für den Bau einer Brücke über das Syratal gegeben hatte, wurde 1901 ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben, bei dem 23 Entwürfe eingingen. Die Firma Liebold & Co. setzte sich mit einer Steinbogenbrücke durch, die anfangs drei Bögen vorsah. Um den Verkehr in Tal nicht zu beeinträchtigen, wurde der Entwurf noch einmal überarbeitet, so dass nur noch ein Bogen vorgesehen war. Am 26. März 1903 begannen die Schachtarbeiten für die Widerlager. Zwischen dem 1. August und dem 28. September 1903 wurde das Lehrgerüst für den Hauptbogen errichtet und am 15. Oktober desselben Jahres mit der Aufmauerung des Bogens begonnen. Diese Arbeiten waren am 26. November abgeschlossen. 1904 wurde mit dem Bau des Nebenbogens begonnen, ebenso mit den Stirn- und Flügelmauern und der Treppenanlage. 1905 wurden die Geländer montiert; das Lehrgerüst wurde entfernt. Am 24. August 1905 wurde die Brücke im Beisein des Königs Friedrich August III. auf seinen Namen geweiht. Gleichzeitig wurde die über die Brücke führende Strecke der Straßenbahn eröffnet. In den Jahren zwischen 1907 und 1938 wurden mehrmals Instandhaltungsarbeiten durchgeführt. In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs wurde die Brücke bei einem Bombenangriff schwer beschädigt. Die Instandsetzung ab 1946 wurde durch die knappen Mittel an Baustoffen stark behindert, doch konnten 1949 die Bauarbeiten an der Brücke beendet werden. Beim Wiederaufbau wurden die Straßenbahnschienen abgebaut. 1984 und zwischen 2001 und 2004 wurde die Brücke saniert. Nachdem die Brücke am 7. November 1945 in Friedrich-Ebert-Brücke umbenannt worden war, heißt sie seit 29. November 1973 Friedensbrücke.

Als letzter Rest der Ende des Zweiten Weltkrieg zerstörten Vogtländischen Maschinenfabrik VOMAG besteht im südwestlichen Randgebiet eine Panzerbrücke aus massivem Stahl. Das Bauwerk steht unter Denkmalschutz und ist für Fußgänger geöffnet. Besonderes Merkmal der Brücke sind die noch zu sehenden Einschusslöcher.

Weitere teils historische Brücken über die Weiße Elster sind die Dürerbrücke, in der Nähe des Unteren Bahnhofs, die Gösselbrücke, über die die Bundesstraße 92 führt, der nur für Fußgänger geöffnete Schwarze Steg, die Stresemannbrücke, über die die vierspurige Bundesstraße 173 verläuft, sowie die Friesenbrücke in Altchrieschwitz.

Das Vereinsleben in Plauen ist ausgeprägt. Eine Vielzahl von Sportvereinen bietet verschiedene Sportarten an. Im Stadtsportbund sind 82 Vereine mit 9395 Mitgliedern organisiert (Stand 2007). Die bekanntesten sind der AC Atlas Plauen, der in der 2. Bundesliga der Gewichtheber erfolgreich ist, der VFC Plauen, der in der Fußball-Regionalliga Nord spielt, der in der Basketball-Oberliga Sachsen spielende Homesquad Plauen e.V., der Vogtländische Radsport Verein (VRV) mit mehreren Landesmeistertiteln und der Leichtathletik-und-Triathlon-Verein (LATV) Plauen.

Der Verein Plauener Spitzenfest e.V. organisiert das jährlich stattfindende Stadtfest. Der Branchenverband Plauener Spitzen und Stickereien e.V. arbeitet auf verschiedenen Gebieten für die Förderung der Plauener Spitze. Weitere bekannte Vereine sind die NaturFreunde Plauen e.V., der Kunstverein Plauen-Vogtland e.V., das Diakonische Werk – Stadtmission Plauen, Die Kinderinsel Vogtland e.V., der Literaturverein Goethekreis e.V. und der Deutsche Kinderschutzbund Plauen e.V..

Das größte Stadtfest ist das Plauener Spitzenfest. Es wurde erstmals im Jahr 1955 gefeiert. Initiiert wurde es ursprünglich, um dem Nationalen Aufbauwerk neue Impulse zu geben. Außerdem sollte es als Werbung für die Plauener Spitze genutzt werden. Bis 1959 fand das Fest jährlich statt. Da 1960 die 2. Arbeiterfestspiele im Bezirk Karl-Marx-Stadt und damit auch im Plauen stattfanden und von 1961 bis 1963 das Parktheater gebaut wurde, setzte man in diesen Jahren die Veranstaltung aus. Von 1964 bis 1968 wurde wieder jährlich ein Spitzenfest gefeiert. 1969 gab es wieder eine Unterbrechung auf Grund der Arbeiterfestspiele. Seit 1970 gibt es das Spitzenfest durchgängig einmal im Jahr. 2009 wurde das 50jährige Jubiläum mit einer Festwoche gefeiert.

Zwei weitere Stadtfeste finden im Frühjahr und im Herbst statt. Beim Plauener Frühling und beim Plauener Herbst wird eine Mischung aus Bühnenprogrammen und Markttreiben geboten. Der Vogtlandradmarathon ist eine jährliche Radsportveranstaltung, die seit dem Jahr 2000 im Sommer ausgetragen wird. Im Spätsommer veranstaltet die Sternquell-Brauerei ein Brauereifest auf dem Brauereigelände in Neuensalz. In der Adventszeit findet auf dem Alt- und dem Klostermarkt und den angrenzenden Straßen der Plauener Weihnachtsmarkt statt.

Gemeinsam mit der e.o.plauen-Gesellschaft verleiht die Stadt Plauen seit 1995 regelmäßig den e.o.plauen Preis.

Oberer Bahnhof

Durch Plauen führen unter anderem die Eisenbahnstrecken Nürnberg–Hof–Plauen–Zwickau-Chemnitz–Dresden (Sachsen-Franken-Magistrale)[66] und Cheb–Bad Brambach–Plauen, welche im weiteren Verlauf ab dem Oberen Bahnhof sowohl über Reichenbach als auch über Gera verkehren kann. Bei der Route über Reichenbach wird auch ein Stück der Sachsen-Franken-Magistrale benutzt. Über Weischlitz–Plauen–Greiz–Gera verkehrt die Elstertalbahn über den Unteren Bahnhof und mündet in Weischlitz in die Bahnstrecke Plauen–Cheb ein.

Die Stadt verfügt über sechs Bahnhöfe und Haltepunkte. Den Oberen Bahnhof, den Unteren Bahnhof, den Westbahnhof und die Haltepunkte Jößnitz, Straßberg und Zellwolle (Leuchtsmühlenweg). An den letztgenannten vier Haltepunkten hält lediglich die Vogtlandbahn. Der Haltepunkt Chrieschwitz wurde im Jahr 2006 wegen Sicherheitsmängeln an einer Gleisbrücke bis auf unbestimmte Zeit geschlossen. Seit Juni 2001 war Plauen eine Station im ICE-Streckennetz der Deutschen Bahn. Da die ICE-Strecke Nürnberg-Dresden nicht durchgängig elektrifiziert war, kam der dieselbetriebene ICE TD zum Einsatz, der auf der kurvenreichen Strecke durch die Neigetechnik seine Vorteile unter Beweis stellen sollte. Nach häufigen Pannen wurde er bereits im Dezember 2002 wieder aus dem Fahrplanbetrieb gestrichen. Eine Zuggarnitur des elektrisch betriebenen Bruders des ICE TD, dem ICE T wurde im Nachgang auf den Namen Plauen/Vogtland getauft. Die Taufe fand allerdings wegen der fehlenden Oberleitungen in Reichenbach im Vogtland statt. Übergangsweise verkehrten lokbespannte IC-Züge bzw. in IC-Farben umlackierte Triebwagen der Baureihe 612 als InterCitys. Seit Dezember 2006 verkehrt auf dieser Strecke der Franken-Sachsen-Express als Regionalexpress der im Auftrag der Deutschen Bahn von der DB Regio betrieben wird. Somit besitzt Plauen keinen Anschluss mehr an das Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn. Im Jahr 2012 soll Plauen an das elektrische Netz der Bahn angeschlossen werden. Damit sollen die Voraussetzungen geschaffen werden Leipzig auch nach Inbetriebnahme des Citytunnels ansteuern zu können (der Tunnel wird nicht für Dieselfahrzeuge freigegeben). Von Herlasgrün soll 2012 bis zum Oberen Bahnhof elektrifiziert werden, einíge Straßenbrücken über die Bahn auf dem Streckenabschnitt müssen aufgrund zu geringer Höhe für Oberleitungen abgebrochen und je nach Bedarf ersetzt werden. Die Weiterführung der Elektrifizierung bis Hof ist für 2013 geplant.[67]

Triebwagen der Plauener Straßenbahn beim Verlassen der Wendeschleife Plamag

Den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bedienen fünf Straßenbahnlinien und vier Stadtbuslinien der Plauener Straßenbahn GmbH sowie die Regionalbuslinien des Plauener Omnibusbetriebes und anderer Verkehrsbetriebe.

Auf den Linien der Plauener Straßenbahn GmbH verkehren 30 Tatra-Straßenbahnzüge des Typs KT4D-M und 5 Niederflurbusse.[2] Im Stadtzentrum befindet sich die Zentralhaltestelle Tunnel, die von allen Linien angefahren wird. Sechs Gleise sind dort in Dreiecksform angeordnet.

2007 wurden drei neue Stadtbuslinien eingerichtet; die bestehende Linie A wurde umstrukturiert. Ab 20:30 Uhr verkehren fünf „Nachtbus“linien, die die über den Tag verkehrenden Straßenbahn- und Buslinien ersetzen. Die sogenannte Linie 11 ist ein Anruf-Sammel-Taxi im Raum Neundorf. Sonn- und feiertags ersetzt das Anruf-Linien-Taxi zwischen fünf und acht Uhr den Straßenbahnverkehr.

Die Stadt verfügt über Straßen mit einer Gesamtlänge von 396 Kilometern.[68] Durch das südöstliche Stadtgebiet führt die A 72 Hof–Chemnitz mit den Anschlussstellen Pirk, Plauen-Süd und Plauen-Ost. Von der A 72 führt am Dreieck Hochfranken die A 93 in Richtung Süden nach Regensburg. Die A 9 München–Berlin erreicht man von Plauen aus nach ca. 35 Kilometern über die A 72 in südwestlicher Richtung am Dreieck Bayerisches Vogtland oder in nordwestlicher Richtung nach ca. 32 Kilometern über die B 282 an der Anschlussstelle Schleiz. Die A 4 Dresden–Eisenach erreicht man nach ca. 80 Kilometern auf der A 72 in östlicher Richtung.

Durch die Stadt führen die Bundesstraßen 92 und 173. Die B 173 verbindet Plauen mit den Nachbarstädten Zwickau und Hof, die B 92 mit Gera und der Tschechischen Republik. Am Plauener Gewerbegebiet bei Neuensalz beginnt die B 169, als Abzweig von der B 173. Sie führt über Chemnitz nach Cottbus. In Plauen-Kauschwitz zweigt von der B 92 die B 282 ab, führt zur Anschlussstelle Schleiz der A 9 und bildet mit der B 92 einen Teil der Europastraße 49.

Plauen ist auch durch den Regionalflughafen Hof-Plauen angebunden, der sich in etwa vierzig Kilometer Entfernung im Stadtteil Pirk südwestlich der Stadt Hof befindet. Der etwa zwanzig Kilometer östlich gelegene Flugplatz Auerbach dient hauptsächlich dem Flugsport, wird jedoch auch für Geschäftsflüge genutzt. Der nächste Flughafen mit internationalen Linienverbindungen ist der rund 80 Kilometer entfernte Leipzig-Altenburg Airport.

Im Stadtteil Neundorf befindet sich der Sitz des Vogtland-Regional-Fernsehens (VRF). Der Sender produziert seit 1994 ein wöchentlich wechselndes Programm mit Berichten aus der Region. Er wurde seit 2003 mehrmals mit Preisen ausgezeichnet.[69]

Der regionale Radiosender Vogtland Radio hat seinen Sitz in Plauen-Haselbrunn. Er sendet seit 1998 ein eigenes und unabhängiges 24-stündiges Hörfunkprogramm für das gesamte Vogtland in Ostthüringen, Westsachsen und Oberfranken. Außerdem betreibt der Radiosender MDR 1 Radio Sachsen ein Regionalstudio in Plauen.

In Plauen erscheinen zwei Tageszeitungen, der Vogtland-Anzeiger in Plauen mit einer Auflage von etwa 9000 Exemplaren[70] und eine Lokalausgabe der in Chemnitz erscheinenden Freien Presse mit einer Auflage von etwa 20.000 Exemplaren[71]. Zudem erscheinen mittwochs die kostenlosen Lokalzeitungen WochenSpiegel und Blick und sonntags die ebenfalls kostenlose Lokalzeitung Sonntags Blick. Monatlich werden das kostenlose Lifestyle-Magazin port01 City-Flash und seit 2005 der kostenlose VoKuS (Vogtland-Kultur-Spiegel) mit allen wichtigen kulturellen Terminen für Plauen und das Vogtland publiziert.

Seit Frühjahr 2007 berichtet das private Online-Magazin Spitzenstadt.de täglich aktuell aus der Stadt. Mit aktuellen Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur ergänzt es den offiziellen Internet-Auftritt der Stadt.

In Plauen befinden sich zwölf Grundschulen, von denen die Grundschule Karl Marx die größte Grundschule Sachsens ist.[72] Im Stadtgebiet befinden sich zudem fünf Mittelschulen und zwei Gymnasien. Am Lessing-Gymnasium werden ein mathematisch-naturwissenschaftliches Profil und ein sprachliches Profil angeboten. Das Diesterweg-Gymnasium bietet neben dem Gymnasium für die Klassen 5 bis 12 ein Vogtlandkolleg für die Erwachsenenbildung an. Die Allgemeine Hochschulreife kann dort entweder im regulären dreijährigen Schulbetrieb oder berufsbegleitend, im Abendunterricht, erworben werden.

Die Berufsakademie Plauen wurde 1999 gegründet und wurde im Dezember 2006 als siebter Studienstandort in das Sächsische Berufsakademiegesetz aufgenommen.[73] Seit 2010 können die Abschlüsse Bachelor of Arts (Gesundheits- und Sozialmanagment), Bachelor of Arts (Handel und Internationales Management) und Diplom-Ingenieur/in (BA) (Technisches Management) erreicht werden.[74] Im Jahr 2011 wurde zusätzlich der Studiengang Lebensmittelsicherheit mit dem Abschluss Diplom-Wirtschaftingenieur/in (BA) oder Bachelor of Science aufgenommen[75]

An der DIPLOMA Vogtländische Fachhochschule Plauen können verschiedene Bachelor- und Master-Studiengänge (Betriebswirtschaft, Wirtschaftsrecht, Medizinalfachberufe, Frühpädagogik, Grafik-Design) als berufsbegleitendes Fernstudium oder als Präsenzstudium absolviert werden.

Das Berufsschulzentrum (BSZ) e.o.plauen für Technik und Gestaltung umfasst neben der Berufsschule, der Berufsfachschule und der Fachoberschule auch ein berufliches Gymnasium und eine Fachschule. Die Textil- Design- und Medienausbildung setzt die Tradition der Kunstschule Plauen fort. Die Ausbildung in zwanzig weiteren Berufen der Industrie und des Handwerks runden das Angebot ab. Die gleichen Schularten, jedoch im Bereich Wirtschaft und Gesundheit gibt es am BSZ Anne Frank. Die Fachschule für Wirtschaft der Gothaer Bildungsgesellschaft Gobi bildet den Staatlich Geprüften Betriebswirt aus. Eine Zusatzausbildung zum Erwerb der Fachhochschulreife kann entweder in Vollzeit oder in berufsbegleitender Teilzeit absolviert werden. Verschiedene weitere Berufs- und berufsbildende Schulen unterschiedlicher Fachrichtungen vervollständigen das Bildungsangebot.

Die WEMA (heute Werkzeugmaschinenfabrik VOGTLAND GmbH) im Jahre 1965

Die Stadt Plauen ist untrennbar mit der Plauener Spitze verbunden. Der Name ist eine eingetragene Marke des Branchenverbandes Plauener Spitzen und Stickereien e. V., zu dem mehrere Hersteller gehören, unter anderem auch die Modespitze Plauen GmbH. Die Firmen stellen in Plauen und im Umland die unterschiedlichsten Erzeugnisse aus Spitzenstoffen her. Die Palette reicht von Tischdecken über Accessoires bis hin zu Damenoberbekleidung und Brautkleidern. Ein weiteres Geschäftsfeld der traditionsreichen Textilindustrie, die Herstellung von Gardinen, deckt die Plauener Gardine GmbH & Co ab.

Die Wurzeln der WEMA VOGTLAND Technology GmbH reichen zurück bis zur VOMAG. Als Maschinenbau-Unternehmen für spanende Metallbearbeitung agiert die WEMA weltweit und stellt Werkzeugmaschinen für fast alle großen Automobilhersteller und deren Zulieferer her. Seit August 2010 unterhält das Unternehmen auch eine Niederlassung in den USA, in Belvidere.

Die Plamag Plauen GmbH befindet sich im Norden Plauens an der Grenze zum Ortsteil Kauschwitz. Dort werden Druckmaschinen hergestellt. Nach der Insolvenz der manroland Druckmaschinen AG [76] wurde das Werk als eigenständige Gesellschaft ausgegliedert und trägt seit Februar 2012 wieder seinen alten Namen. Zwischen 2010 und 2012 wurden etwa 600 Mitarbeiter entlassen, so dass zur Zeit (Stand Februar 2012) noch rund 300 Mitarbeiter in dem Betrieb beschäftigt sind. Es wird mit verschiedenen potentiellen Investoren über einen Verkauf des Werkes verhandelt, das vorerst als Zulieferer für das von der Possehl-Gruppe übernommene Augsburger manroland -Werk fungiert.[77]

Die Neoplan Omnibus GmbH Plauen ging 1991 aus einem Werk zur Reparatur von Ikarus-Bussen hervor und ist inzwischen der einzige deutsche Produzent der Marke. Dort sind etwa 700 Mitarbeiter beschäftigt (Stand Juli 2010). Nachdem Neoplan 2008 in die MAN Nutzfahrzeuge AG eingegliedert wurde, gab es 2010 zunächst Diskussionen, ob in Plauen wegen der Verlagerung von Teilen der Produktion nach Polen massiv Stellen abgebaut werden sollen. Im Juli 2010 einigten sich Mitarbeiter und Unternehmen darauf, auch nach der Produktionsverlagerung den Plauener Standort zu erhalten und auszubauen. Dort erfolgen nun Karosseriemontage und Innenausbau der Busse, deren Gerippe in Polen gefertigt werden.[78] In den Jahren 2011 bis 2013 soll das Werk mit etwa 20 Millionen Euro ausgebaut werden.[79]

Im Osten der Stadt, nahe Neundorf, befindet sich das Werk der Philips Technologie GmbH, hervorgegangen aus einem Narva-Standort. Dort werden Speziallampen hergestellt. Im Sommer 2011 wurde die Produktionslinie für H4-Lampen ins polnische Pabianice verlagert. Damit schrumpfte die Mitarbeiterzahl auf rund 300.[80]

Die Plauen Stahl Technologie GmbH stellt mit etwa 130 Mitarbeitern Stahlkonstruktionen und Brücken her. Der ehemalige VEB Stahlbau wurde nach der Wende von der Lentjes AG übernommen und 2001 an die mg capital GmbH verkauft. 2003 wurde die heutige Firma gegründet. Sie ist aktiv im Brückenbau, errichtete unter anderem die Elbebrücke Niederwartha und war an der Sanierung der Fleher Brücke beteiligt. Außerdem wurden Teile der Hamburger Messe und eine Messehalle der Messe Düsseldorf errichtet.

Die Sachsendruck Plauen GmbH stellt mit etwa 200 Mitarbeitern (Stand: Februar 2012) unterschiedliche Druckerzeugnisse her. 1991 wurde der ehemalige VEB von der Sebaldus-Gruppe und später von der schlott gruppe übernommen. Seit 2008 gehört der Betrieb im Zentrum Plauens zur Offizin Andersen Nexö (OAN)–Unternehmensfamilie.

Logo der Sternquell-Brauerei Plauen

Die Sternquell-Brauerei GmbH Plauen gehört zur Brau Holding International und beschäftigt etwa 160 Mitarbeiter. Die Brauerei hat Standorte im Zentrum Plauens, nahe der Friedensbrücke und im Gewerbegebiet Neuensalz. Es werden zehn unterschiedliche Biersorten gebraut. Die Produkte werden jährlich von der DLG ausgezeichnet und 2008 erhielt die Brauerei den Bundesehrenpreis des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Die Vogtlandmilch GmbH stellt mit den Handelsmarken Vogtlandweide und Sachsenland Molkereiprodukte und Erfrischungsgetränke her. Das Unternehmen mit etwa 110 Mitarbeitern ist der einzige Schulmilchabfüller in Sachsen (Milchnummer: SN 008). Nach der Wende ging der 1928 als Vogtländische Milchhof AG gegründete Betrieb an die Sachsenmilch AG; die bis dahin auf fünf Betriebe verteilte Produktion wurde in Plauen konzentriert. Im Zuge der Übernahme der Sachsenmilch AG durch die Müller-Gruppe kauften 1994 die Gesellschafter, die Erzeugergemeinschaft Milch Plauen und Molkereigenossenschaft Glauchau, die Anteile an der Vogtlandmilch GmbH zurück und halten diese bis heute.

In Plauen befinden sich zwei Krankenhäuser: die Helios Vogtland Klinikum Plauen GmbH als einziges Krankenhaus der Schwerpunktversorgung im Vogtland und das Krankenhaus Bethanien als Krankenhaus der Regelversorgung.

Jugendherberge in der Alten Feuerwache

Plauen ist Ausgangspunkt ausgedehnter Wanderungen im Vogtland. Durch das Stadtgebiet verlaufen mehrere Wander- und Radwanderwege, zum Beispiel der Fernwanderweg E3 mit dem Bergwanderweg Eisenach–Budapest, der Vogtland Panorama Weg und der Elster-Radweg.

An der Hainstraße im Syratal, in der Nähe der Friedensbrücke befindet sich die 1959 eingeweihte Parkeisenbahn Plauen. Sie ist die einzige elektrisch betriebene Parkeisenbahn Deutschlands mit öffentlichem Verkehr. Gegründet als Pioniereisenbahn wird sie inzwischen von einem Verein betrieben.

In der Elsteraue, in der Nähe der Alten Elsterbrücke, liegt mit der AREA241-Skateplaza einer der größten Skateparks Deutschlands. Dort befinden sich Treppen in verschiedenen Höhen, Breiten und Schwierigkeitsgraden. Auch auf zahlreichen Banks, Ledges, Rails, und Curbs kann die Geschicklichkeit unter Beweis gestellt werden.

Seit 2007 befindet sich die Jugendherberge der Stadt im Stadtzentrum. Dazu wurde die alte Feuerwache in eine Unterkunft mit 135 Betten in 48 Zimmern umgebaut. Die Originalausstattung, wie zum Beispiel die Rutschstange, blieben erhalten.

In der Tourist-Information können Stadtführungen gebucht werden, bei denen auch der 64 Meter hohe Rathausturm bestiegen werden kann.

Der Cartoonist e.o.plauen alias Erich Ohser

Hauptartikel: Liste der Persönlichkeiten der Stadt Plauen

Plauen ist seit seiner Gründung mit zahlreichen Persönlichkeiten verbunden. In der Politik gab es sowohl positive als auch negative Beispiele. Mit Heinrich dem Älteren und Heinrich Reuß von Plauen stellten die Herren von Plauen gleich zwei Hochmeister des Deutschen Ordens. Im Zweiten Weltkrieg spielte der Plauener Fabrikant Martin Mutschmann als Gauleiter in Sachsen dagegen eine unrühmliche Rolle. Jörg Schneider verfasste 1989 den Aufruf „Kommt zur Demonstration am 7. Oktober!“ Seit 2004 sitzt mit Frank Heidan ein Mitglied der Gruppe der 20, der Bürgervertretung des Wendeherbstes 1989, im Landtag. Herausragend auf wissenschaftlichem Gebiet ist der Theologe und Astronom Georg Samuel Dörffel. Er wies in seinem Werk Astronomische Beobachtung des großen Cometen, welcher A. 1680 und 1681 erschienen schon Jahre vor der Newtonschen Gravitationstheorie nach, dass sich die Kometen auf parabolischen Bahnen bewegen, in deren Brennpunkt die Sonne steht. Auf dem Gebiet des Sportes haben sich besonders die Olympiasieger Kurt Helbig (Gewichtheben), Angelika Bahmann (Kanuslalom) und Kornelia Grummt-Ender (Schwimmen) hervorgetan. Auch einige Kulturschaffende hat Plauen hervorgebracht, so zum Beispiel den Kirchenmusiker und Komponisten Johannes Petzold, die Schauspieler Claudia Loerding und Stefan König und den Kabarettisten Olaf Schubert.

Der wohl bekannteste Plauener ist der Cartoonist Erich Ohser. Der Schöpfer der Vater-und-Sohn-Geschichten machte die Stadt durch seinen Künstlernamen e.o.plauen bekannt, obwohl er selbst in Untergettengrün geboren ist.

  • Erich Keyser (Hrsg.): Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte. Band II Mitteldeutschland – Im Auftrag der Konferenz der landesgeschichtlichen Kommissionen Deutschlands mit der Unterstützung des Deutschen Gemeindetages, Stuttgart 1941
  • Rüdiger Flämig (Hrsg.): Staatliche Kunst-und Fachschule für Textilindustrie 1877/1945. Sebald Sachsendruck Plauen, Plauen 1996
  • ISBN 3-9288-28-22-3
  • Ulla Spörl: Plauen um 1900. 2006, ISBN 978-3-00-019362-0
  • Brigitte Unger, ISBN 978-3-937386-18-8
  • Richard Steche: Plauen. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 11. Heft: Amtshauptmannschaft Plauen. C. C. Meinhold, Dresden 1888, S. 48.
Geschichtsteil
  • Hermann Fiedler: Die Stadt Plauen im Vogtlande. Eine historische Skizze. Plauen, F. E. Neupert 1874
  • A. Neupert sen. (Hrsg.): Kleine Chronik der Stadt Plauen i. Vogtland von 1122 bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. Kommissionsverlag Rud. Neupert jr., Plauen 1908
  • A. Neupert sen. (Hrsg.): Kleine Chronik der Stadt Plauen i. Vogtland Neue Folge 1901 bis 1908. Kommissionsverlag Rud. Neupert jr., Plauen 1909
  •  Abteilung Kultur des Rates der Stadt Plauen (Hrsg.): Plauen. Ein kleines Stadtbuch. Heft 25 der Museumsreihe, Plauen 1963.
  •  Walter Bachmann: Das Alte Plauen. 2. Auflage. Vogtländischer Heimatverlag Neupert, Plauen 1994, ISBN 3-929039-43-5.
  •  Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Flossenbürg. Das ISBN 978-3-406-562297.
  •  Brigitte Unger (Hrsg.): Der Vogtlandatlas. Regionalatlas zur Natur, Geschichte, Bevölkerung, Wirtschaft und Kultur des Sächsischen Vogtlandes. 3. Auflage. Gumnior, Chemnitz 2007, ISBN 978-3-937386-18-8.
  •  Thomas Küttler, Jean Curt Röder (Hrsg.): Die Wende in Plauen. Vogtländischer Heimatverlag Neupert, Plauen 1991, ISBN 3-929039-15-X.
  •  Rolf Schwanitz, Curt Röder (Hrsg.): Zivilcourage. Die friedliche Revolution in Plauen anhand von Stasi-Akten sowie Rückblicke auf die Ereignisse im Herbst 1989. Vogtländischer Heimatverlag Neupert, Plauen 1998, ISBN 3-929039-65-6.
Sehenswürdigkeiten
  • Das Alte Plauen (s.o.)
  • Vogtlandmuseum Plauen (Hrsg.): Ein Gang durch Alt-Plauen, Heft 60 der Museumsreihe, 1993
  • Axel Reitel: Staunen über und Schauen auf Plauen. Stadt Plauen, Amt für Wirtschaftsförderung. 1. Aufl., Plauen. Sebald Sachsendruck, 1997, [ca. 10] Bl.: Ill.
  1. Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen – Bevölkerung des Freistaates Sachsen jeweils am Monatsende ausgewählter Berichtsmonate nach Gemeinden (Hilfe dazu)
  2. a b Faltblatt der Pressestelle Zahlen Daten Fakten vom 10. April 2007
  3. Gerd Kramer: Flächennutzung Plauen im Vogtlandatlas, S. 64 (siehe Literatur)
  4. Günter Freyer: Die geologischen Verhältnisse von Plauen in Plauen-Ein kleines Stadtbuch, Museumsreihe Heft 25, 1963, S. 9 ff.
  5. Uwe Lehmann: Epizentren und lokale Magnitude seismischer Ereignisse in Südwestsachsen 1984-2000 im Vogtlandatlas, S. 24 (siehe Literatur)
  6. Downloadmöglichkeit der Daten zur Normalperiode 1961-1990 auf der Seite des Deutschen Wetterdienstes. Abgerufen am 3. November 2010.
  7. Eberhard Freydank, Deutscher Wetterdienst Radebeul: Das Klima des Vogtlandes im Vogtlandatlas, S. 28 (siehe Literatur)
  8. Johannes Richter: Archäologische Fundorte im Vogtlandatlas, S. 36 (siehe Literatur)
  9. Hans-Peter Franke: Der Pest-'Brief an die Frau von Plauen'. Studien zu Überlieferung und Gestalwandel (= Untersuchungen zur mittelalterlichen Pestliteratur, III, 2), Würzburg 1977 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, 9)
  10. Horst Fröhlich Plauens Weg zur Industriestadt in Plauen-Ein kleines Stadtbuch, Museumsreihe Heft 25, 1963, S. 70
  11. Historikus Vogtland – Geschichtsmagazin, Ausgabe September – Oktober 2007 (Online-Version des Artikels hier)
  12. Rolf Schmolling: Plauen (Baumwollspinnerei und Industriewerke AG) in Flossenbürg, Seite 223-226 (siehe Quellen)
  13. Ulrich Fritz: Plauen (Dr. Th. Horn). In: Flossenbürg, Seite 227−228 (siehe Quellen)
  14. Gerd Naumann: Plauen im Bombenkrieg. In: Vogtlandatlas. S. 50 (siehe Literatur)
  15. Fotodokumentation zur Großdemonstration am 7. Oktober 1989 in Plauen. Abgerufen am 27. Juni 2009.
  16. „Zivilcourage“ S. 359 (siehe oben)
  17. John Connelly: „Moment of Revolution: Plauen (Vogtland), October 7, 1989“ in German Politics & Society, No. 20, Sommer 1990, Seiten 71-89
  18. Satzung zur Einführung des „Tages der Demokratie“ als Gedenktag (S. 16). Abgerufen am 26. Februar 2009.
  19. Offizielle Seite zum Wende-Denkmal in Plauen. Abgerufen am 27. Juni 2009.
  20. Mitteilungsblatt (12/2008) der Stadt Plauen zur Auszeichnung „Kommune des Jahres 2008“. Abgerufen am 23. Januar 2009.
  21. Beschluss des Verfassungsgerichtes zur Kreisreform 2008. Abgerufen am 13. Februar 2009.
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  28. Bericht in der Freien Presse vom 1. Februar 2012 zur Arbeitslosenquote. Abgerufen am 8. Februar 2012.
  29.  Bernd Appel: Jeder vierte Vogtländer ist lutherisch In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 18. Januar 2011, S. 11.
  30.  Bernd Appel: Was der Papst sagt, das ist bindend In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 25. Januar 2011, S. 10.
  31.  Bernd Appel: Was einst mit illegalen Treffen begann In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 22. Februar 2011, S. 10.
  32.  Bernd Appel: Im jüngsten Gotteshaus gilt Lehrzucht In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 8. Februar 2011, S. 10.
  33. Artikel zur Geschichte der Matthäusgemeinde auf der Internetseite der Gemeinde. Abgerufen am 2. September 2011.
  34.  Bernd Appel: Wo der Sabbat geheiligt wird In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 8. März 2011, S. 10.
  35.  Bernd Appel: Lange verschlossene Kirche öffnet sich In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 1. Februar 2011, S. 13.
  36.  Bernd Appel: Offene Türen und Herzen gefunden In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 15. März 2011, S. 13.
  37.  Bernd Appel: Brüdergemeinde braucht keinen Pfarrer In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 15. Februar 2011, S. 10.
  38.  Bernd Appel: Evangelisation ist wichtigste Aufgabe In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 5. April 2011, S. 15.
  39.  Bernd Appel: Nach Lobpreis folgt die Gebetszeit In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 22. März 2011, S. 11.
  40.  Bernd Appel: Nicht durch Geburt und Tod begrenzt In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 19. April 2011, S. 11.
  41.  Bernd Appel: Zeugen erwarten das "Paradies auf Erden" In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 12. April 2011, S. 14.
  42.  Bernd Appel: Wo auch die Ahnen getauft werden In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 1. März 2011, S. 10.
  43.  Bernd Appel: Glaube der Moslems ruht auf fünf Säulen In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 26. April 2011, S. 14.
  44.  Bernd Appel: Der Verstand ist Gottes Geschenk In: Freie Presse – Plauener Zeitung. 29. März 2011, S. 11.
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  80. Bericht vom 24. Juli 2011 im Vogtland-Anzeiger zum Abtransport der H4-Anlage und Personalabbau bei Philips. Abgerufen am 8. Februar 2012.
  1. a b c d e f Ortschaft
  2. a b c Ortschaft zusammen mit Jößnitz


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Sachsen

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Sachsen (Begriffsklärung) aufgeführt.
Freistaat Sachsen
Swobodny stat Sakska
Über dieses Bild
Flagge
Wappen
Sprache: Deutsch, Obersorbisch[1]
Landeshauptstadt: Dresden
Fläche: 18.415,51 km²
Einwohnerzahl: 4,140 Mio. (31. Oktober 2011)[2]
Bevölkerungsdichte: 225 Einwohner pro km²
Arbeitslosenquote: 10,8 % (März 2012)[3]
Gründung: 3. Oktober 1990
Schulden: 6,5 Mrd. EUR (31. Dezember 2010)[4]
ISO 3166-2: DE-SN
Kontakt:
Website: www.sachsen.de
Politik:
Ministerpräsident: Stanislaw Tillich (CDU)
Regierende Parteien: CDU und FDP
Sitzverteilung im Landtag: CDU 58
Die Linke 29
SPD 14
FDP 14
B’90/Grüne 9
NPD 8
(5. Wahlperiode)
Letzte Wahl: 30. August 2009
Nächste Wahl: 2014
Parlamentarische Vertretung:
Stimmen im Bundesrat: 4

Der Freistaat Sachsen (obersorbisch Swobodny stat Sakska, Abkürzung SN) ist ein Land im Osten der Bundesrepublik Deutschland. Mit rund 4,1 Millionen Einwohnern und einer Fläche von rund 18.400 Quadratkilometern gehört Sachsen zu den kleineren Ländern der Bundesrepublik. Die Landeshauptstadt Dresden und das etwa gleichgroße Leipzig sind die bevölkerungsreichsten Städte des Freistaates. Nachbarländer sind Brandenburg im Norden, Sachsen-Anhalt im Nordwesten, Thüringen im Westen und Bayern im Südwesten. Zudem grenzt das Land im Süden an Tschechien (an die Regionen Liberec, Ústí und Karlovy Vary) und im Osten an Polen (an die Woiwodschaften Lebus und Niederschlesien).

Das 1990 neu gegründete Land führt, wie schon von 1919 bis 1933 als Gliedstaat der Weimarer Republik, die vorangestellte Zusatz-Bezeichnung Freistaat.

Inhaltsverzeichnis

Siehe Naturräume in Sachsen, Landschaften in Sachsen

Topografische Karte von Sachsen

Sachsen liegt im Osten Mitteldeutschlands und grenzt an die Länder Bayern (Länge der Grenze 41 km), Thüringen (274 km), Sachsen-Anhalt (206 km), Brandenburg (242 km), die Republik Polen (123 km) und die Tschechische Republik (454 km). Der Freistaat Sachsen gehört wie auch Thüringen und Teile Sachsen-Anhalts zur Region Mitteldeutschland.

Nach topografischen Gesichtspunkten ist es am sinnvollsten, Sachsen in Flachland, Hügelland und Mittelgebirge einzuteilen. Zum Flachland gehören vor allem die Leipziger Tieflandsbucht um Leipzig sowie die nördliche Oberlausitz. Beide sind durch jüngere Ablagerungen aus dem eiszeitlichen Pleistozän und den Flussniederungen gekennzeichnet, sowie insbesondere durch deren tertiäre Braunkohlevorkommen im Untergrund. Das Hügelland weiter südlich mit seinen weitflächigen Lößablagerungen (Lößhügelland) und der damit verbundenen hohen Bodenqualität geht auf die Endmoränenbildung zurück.

Die sächsischen Mittelgebirge gliedern sich von West nach Ost durch eher unscharfe Grenzen. Im Südwesten Sachsens erstreckt sich das eigentlich bis nach Bayern, Thüringen und Böhmen reichende Vogtland mit dem Erzgebirgsbecken als Nordgrenze und dem Elstergebirge im Südosten. Nach Osten folgt die Pultscholle des Erzgebirges, welches meist in West- und Osterzgebirge (geteilt durch das Flöhatal), seltener auch zusätzlich in das Mittelerzgebirge untergliedert wird. Die Höhenlagen nehmen dabei von West nach Ost langsam ab, weshalb auch die mit 1215 Metern höchste Erhebung Sachsens, der Fichtelberg, zum West- bzw. Mittelerzgebirge gehört. Südlich der Landesgrenze fällt das Erzgebirge steil zum Egertalgraben ab. Den südlichen Bereich des Erzgebirges entlang der Kammlagen nimmt der Naturpark Erzgebirge/Vogtland ein. Östlich des Erzgebirges durchbricht die Elbe die Mittelgebirgskette und formte durch tiefe Einschürfungen das Elbsandsteingebirge. Am nordöstlichen Rand des Elbtals bildet die Lausitzer Verwerfung die scharfe Grenze zum Lausitzer Bergland, welches schließlich im äußersten Südosten Sachsens in das weit nach Tschechien reichende Lausitzer Gebirge übergeht. Neben diesen Landschaftseinheiten gibt es zahlreiche weitere Unterscheidungen und Nuancen, welche in der Liste der Landschaften in Sachsen verzeichnet sind.

Eine weitere Gliederung Sachsens kann nach hydrologischen Gesichtspunkten erfolgen. Der wichtigste, größte und einzig schiffbare Fluss ist die Elbe. Sie durchzieht den Freistaat von Südosten nach Nordwesten. Wichtige Quellflüsse sind die Mulde, die Weißeritz, die Zschopau, die Weiße Elster und die Spree, deren allgemeine Fließrichtung Norden ist und die ebenfalls zum Fluss-System der Elbe gehören. Im Osten wird der Freistaat von der Lausitzer Neiße begrenzt, die in die Oder mündet.

Hauptartikel: Geschichte Sachsens

Als Sachsen wird heute ein Gebiet an der oberen Mittelelbe, in der südlichen Lausitz und im Erzgebirge bezeichnet. Historisch ist es aber losgelöst vom Stammesherzogtum Sachsen, dem Siedlungsraum der Sachsen in Norddeutschland. Es wird zur historischen Abgrenzung auch als Obersachsen, im Gegensatz zu Niedersachsen, bezeichnet. Von 1247 bis 1485 deckte sich die Geschichte Sachsens zudem in weiten Teilen mit der Geschichte Thüringens.

Schon in der Urgeschichte war das heutige Sachsen ein wichtiges Gebiet für diejenigen, die über die Mittelgebirge reisen wollten. Archäologische Spuren weisen eine Besiedlung des Gebiets durch Bandkeramische Kulturen um 5500 v. Chr. aus dem späteren Böhmen heraus nach. Bevorzugter Siedlungsraum waren die weiten Flussauen von Elbe, Mulde und Spree im Vorland der Gebirge.

Die Albrechtsburg in Meißen

Später zogen aus westlicher Richtung und die Elbe hinauf germanische Stämme in dieses Gebiet ein. Dieses Gebiet stand so bis ins 6. Jahrhundert unter großem Einfluss der Thüringer. Die Thüringer verloren ihre Gebiete an die Franken und Sachsen, während bis ins 10. Jahrhundert von Osten her slawische Völker das spätere Territorium Sachsens besiedelten.

Der Vorläufer des heutigen Sachsens wurde mit dem Burgbau in Meißen als Markgrafschaft Meißen 929 gegründet. Die weitere Geschichte der Markgrafschaft ist von der Ostsiedlung der Deutschen geprägt. Im Gebiet Sachsens wurden bestehende slawische Strukturen, wohl weitestgehend ohne Konflikte und Vertreibung, übernommen und erweitert. Vor allem im Erzgebirge kam es, bedingt durch den Erzbergbau, dagegen zu Gründungen von Städten. Eine Vielzahl von Ortsnamen und Gewässernamen in Sachsen haben slawischen Ursprung. Im Jahr 1089 kam die Markgrafschaft in Besitz der Wettiner.

Ab 1423 wurde die Herrschaft der Wettiner vergrößert: Neben Obersachsen und Thüringen kam Sachsen-Wittenberg hinzu. Es war mit der Kurwürde verbunden. In den folgenden Jahren wurde daher die Bezeichnung Kurfürstentum Sachsen an Stelle der Markgrafschaft Meißen eingeführt. Durch die Leipziger Teilung von 1485 löste sich Sachsen von Thüringen in der weiteren Entwicklung ab. In der Folge wurde Dresden bei Meißen zur Residenzstadt ausgebaut. Nach dem Schmalkaldischen Krieg, den das ernestinische Kursachsen im Schmalkaldischen Bund verlor, ging mit der Herrschaft über Teile Kursachsens 1547 auch die Kurwürde von der ernestiner auf die albertiner Linie der Wettiner über. Die Religionspolitik in beiden Ländern blieb aber lutherisch.

Im Dreißigjährigen Krieg war Sachsen auf Seite des Kaisers involviert und zog gegen Böhmen. Kursachsen besetzte im Auftrag des Kaisers die Lausitzen und erhielt diese zur Deckung der eigenen Kriegskosten zunächst als Pfand. Sachsen verhielt sich darauf neutral, wechselte aber später auf die protestantische Seite, als es seine Neutralität durch Plünderungen in der Lausitz missachtet sah. In der Schlacht bei Breitenfeld (1631) gelang es Sachsen zusammen mit Schweden erstmals, kaiserliche Truppen zu schlagen. 1635 erhielt Sachsen im sog. Sonderfrieden von Prag endgültig die Herrschaft über beide Lausitzen bei gleichzeitiger Neutralitätsverpflichtung sowie Bestandsgarantie für die dortigen konfessionellen Verhältnisse.

Das am 8. Oktober 1656 eröffnete Testament Johann Georg I. sah vor, Teile Kursachsens seinen drei Söhnen August, Christian und Moritz zu vermachen und sie in einer kursächsischen Sekundogenitur als eigenständige Herzogtümer einzurichten. Es entstanden die Herzogtümer Sachsen-Weißenfels, Sachsen-Merseburg und Sachsen-Zeitz. In den folgenden Jahrzehnten ging Sachsen vergleichsweise stark aus dem Krieg hervor und gehörte zu den Fürstentümern, die sich am schnellsten erholen konnten. Sachsen verhielt sich dabei kaisertreu und stellte zum Beispiel 1683 Truppen für die siegreiche Schlacht am Kahlenberg gegen die Türken. Unter Friedrich August I. (genannt der Starke) versuchte Kursachsen seine Herrschaft und Stellung im Heiligen Römischen Reich auszubauen. Sachsen erlebte fortgesetzt unter Friedrich August II. eine politische und kulturelle Blütezeit. Beide regierten zeitweise Polen als König und Sachsen als Kurfürst in der Personalunion Sachsen-Polen. Beim Großen Nordischen Krieg gegen Schweden beteiligte sich Russland erfolgreich an der Seite von Sachsen-Polen. Territorialgewinne blieben dem Kurfürstentum verwehrt, während das passive Preußen danach gestärkt war.

Im Siebenjährigen Krieg wurde Sachsen zunächst relativ kampflos durch Preußen besetzt. Es kämpfte später in einer Allianz aus Österreich, Russland und Frankreich gegen Preußen und Großbritannien und wurde 1759 wieder von dieser Allianz befreit. 1760 belagerte Preußen Dresden erfolglos, richtete dabei aber erstmals große Schäden in der Hauptstadt an. In der Folge ging Schlesien, welches eine Gebietsverbindung zwischen Sachsen und Polen hätte werden können, an Preußen. Das Kurfürstentum wurde nach und nach wieder hergestellt.

Józef Brodowski, 1895: Napoléon Bonaparte überquert die Elbe bei der Schlacht von Dresden

Gemäß der Pillnitzer Deklaration gehörte Sachsen zu den Ländern, die an der Seite Preußens gegen die Französische Revolution kämpften. Nachdem im späteren Verlauf 1806 Napoleon weit nach Deutschland eingedrungen war, stellten sich ihm die sächsischen und preußischen Truppen gemeinsam entgegen, wurden aber in der Schlacht bei Jena und Auerstedt vernichtend geschlagen. Daraufhin wurde mit Preußen auch Sachsen von den Franzosen besetzt. Nach dem baldigen Beitritt zum Rheinbund wurde das Kurfürstentum noch 1806 zum Königreich Sachsen erhoben. Bei den besonders von Preußen getragenen Befreiungskriegen im Jahr 1813 war Sachsen Hauptkriegsschauplatz und kämpfte weiter an der Seite Frankreichs bis zur Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober. Dafür wollte Preußen beim Wiener Kongress Sachsen auflösen und vereinnahmen, was nur durch den Schutz Österreichs und auch die französische Position verhindert wurde. Sachsen blieb danach zwar weiterhin Königreich, musste jedoch im Norden ungefähr die Hälfte seines Gebietes an Preußen abtreten. Die Revolution von 1848 wurde in Sachsen niedergeschlagen, indem preußische Truppen im Auftrag der Reichsexekution die Rückkehr des geflohenen Königs nach Dresden ermöglichten.

Im Deutschen Krieg 1866 stand Sachsen mit Österreich auf der Verliererseite. Es wurde in Folge Mitglied des Norddeutschen Bunds und nahm 1870/71 am Deutsch-Französischen Krieg teil. Das Königreich Sachsen war seit 1871 ein Bundesstaat des Deutschen Kaiserreichs, der als kleindeutscher Nationalstaat von Preußen geprägt wurde.

Am Ersten Weltkrieg nahm letztmalig eine eigene sächsische Armee im Rahmen des deutschen Heeres teil. Nach der Abdankung des Königs im Herbst 1918 wurde Sachsen Freistaat im Deutschen Reich, das nun nach der Verfassung von 1919 Weimarer Republik genannt wurde (siehe: Geschichte des Freistaates Sachsen). Zwischen 1934 und 1945 sowie zwischen 1952 und 1990 war das Land Sachsen seiner staatlichen Souveränität beraubt und hat de facto nicht existiert. Seit 1990 ist Sachsen ein Land der Bundesrepublik Deutschland.

Der erste „Freistaat Sachsen“ entstand 1918 nach Abdankung des Königs und Auflösung des Königreichs Sachsen. Im Gleichschaltungsprozess des nationalsozialistischen Deutschlands verlor Sachsen durch das Gesetz über den Neuaufbau des Reichs am 30. Januar 1934 seine staatlichen Hoheitsrechte; das Landesparlament wurde aufgelöst und die Landesregierung der Reichsregierung unterstellt. Im Zuge einer Verordnung kurz danach waren die Deutschen nicht mehr Staatsbürger anhand ihrer Landeszugehörigkeit, Staatsangehörigkeitsfragen gingen also direkt auf das Reich über.

1945 entstand das Land Sachsen als Teil der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, und zwar aus dem Gebiet des vormaligen Freistaates (abzüglich eines Gebietes östlich der Neiße bei Zittau) und aus Teilen der preußischen Provinz Schlesien westlich der Neiße. Es wurde eines von fünf Ländern der am 7. Oktober 1949 gegründeten Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Im Jahr 1952 wurde den Ländern der DDR eine zentralistische Verwaltungsreform auferlegt, nach der sie Kreise bilden und diese zu Bezirken der DDR zusammenfassen sollten. Das Land Sachsen gab seine exekutiven und legislativen Befugnisse an den Bezirk Leipzig, den Bezirk Dresden und den Bezirk Chemnitz (1952–53, 1990) bzw. Karl-Marx-Stadt (1953–1990) ab. Die im Nordosten gelegenen Gebiete um Weißwasser und Hoyerswerda wurden als neu entstandene Kreise dem Bezirk Cottbus zugeordnet.

Das Land Sachsen wurde per Verfassungsgesetz zur Bildung von Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik (Ländereinführungsgesetz) vom 22. Juli 1990 neu gegründet. Ursprünglich sollte dieses Gesetz zum 14. Oktober 1990 in Kraft treten. Eine Neufassung des Gesetzes vom 13. September 1990 verlegte das Inkrafttreten auf den 3. Oktober 1990 (Tag der Wiedervereinigung) vor.

Mit dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland wurde das Land Sachsen zum Freistaat Sachsen, einem der seitdem 16 Gliedstaaten der Bundesrepublik. Dieser zweite Freistaat, der sich am 26. Mai 1992 seine Verfassung gab, ist eine parlamentarische Republik und der erste demokratische sächsische Staat mit eigener Verfassungsgerichtsbarkeit und drei geteilten Staatsgewalten. Der Freistaat Sachsen ist als deutsches Land originäres Staatsrechtssubjekt und geborenes Völkerrechtssubjekt. Am 9. November 1990 wurde der Freistaat Sachsen erstmals bei einer Sitzung des Bundesrates vertreten und kann seitdem wieder über diese Vertretung der Gliedstaaten an der Bundesgesetzgebung und -verwaltung mitwirken.

Die heutige, teilweise über Volksabstimmungen festgelegte Landesgrenze ist ein Kompromiss zwischen den 1815 bis 1952 bestandenen sächsischen Grenzen und den danach in der DDR gebildeten Bezirksgrenzen. So kam Altenburg wieder zu Thüringen, während vom Leipziger Umland heute mehr zu Sachsen gehört als früher.

Sitz der Regierung ist die Sächsische Staatskanzlei
Der Plenarsaal des Sächsischen Landtags in Dresden

Die Sächsische Staatsregierung wird von einem Ministerpräsidenten geführt, der vom Landtag gewählt wird. Sitz der Regierung ist die Sächsische Staatskanzlei in der Dresdner Inneren Neustadt.

Die CDU ist in Sachsen seit der Wiedervereinigung die mit Abstand stärkste Partei und stellt seitdem den Ministerpräsidenten. Kurt Biedenkopf regierte von 1990 bis April 2002 in einer CDU-Alleinregierung. Auf ihn folgte Georg Milbradt, der nach der Wahl 2004 eine Große Koalition mit der SPD einging. Nach Milbradts Rücktritt im Mai 2008 übernahm Stanislaw Tillich das Amt des Ministerpräsidenten und setzte die CDU-SPD-Koalition bis zur Landtagswahl 2009 fort. Seit September 2009 regiert Tillich in einer schwarz-gelben Koalition zusammen mit der FDP.

Zusammensetzung der amtierenden Staatsregierung (siehe auch Kabinett Tillich II):

  • Ministerpräsident: Stanislaw Tillich (CDU)
  • Sächsische Staatskanzlei, Staatsminister und Chef der Staatskanzlei: Johannes Beermann (CDU)
  • Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Staatsminister und Stellvertretender Ministerpräsident: Sven Morlok (FDP)
  • Sächsisches Staatsministerium der Finanzen, Staatsminister: Georg Unland (CDU)
  • Sächsisches Staatsministerium des Innern, Staatsminister: Markus Ulbig (CDU)
  • Sächsisches Staatsministerium der Justiz und für Europa, Staatsminister: Jürgen Martens (FDP)
  • Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport, Staatsministerin: Brunhild Kurth
  • Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, Staatsministerin: Christine Clauß (CDU)
  • Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, Staatsminister: Frank Kupfer (CDU)
  • Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Staatsministerin: Sabine von Schorlemer (parteilos)

Die Legislative des Freistaates Sachsen ist der Sächsische Landtag. Er besteht in der 5. Wahlperiode (2009–2014) aus 132 Abgeordneten (normal 120). Diese teilen sich wie folgt auf: CDU 58 Sitze, Die Linke 29 Sitze, SPD 14 Sitze, FDP 14 Sitze, Bündnis 90/Die Grünen 9 Sitze und NPD 8 Sitze. Landtagspräsident ist Matthias Rößler (CDU), es gibt drei Vizepräsidenten: Andrea Dombois, Horst Wehner und Andreas Schmalfuß. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion ist Steffen Flath, der Fraktion der Linken André Hahn, der SPD-Fraktion Martin Dulig, der FDP-Fraktion Holger Zastrow, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Antje Hermenau und der NPD-Fraktion Holger Apfel.

Verfassungsgerichtshof und Landgericht Leipzig
Das Oberlandesgericht Dresden

Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen befindet sich in Leipzig. Dieses ist neben der Landesregierung und dem Landtag ein oberstes und im Sinne der Gewaltenteilung unabhängiges Staatsorgan.

Die sonstigen Gerichte in Sachsen sind dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz nachgeordnete Behörden.[5] Die Rechtsprechung ist dabei unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.[6]

Das Oberlandesgericht Dresden ist das höchste Gericht der sächsischen Ordentlichen Gerichtsbarkeit. Ihm sind sechs Landgerichte in Bautzen, Chemnitz, Dresden, Görlitz, Leipzig und Zwickau nachgeordnet.

Weiterhin gibt es in Sachsen Gerichte der Fachgerichtsbarkeit. Der Sitz des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes ist Bautzen. In Chemnitz befinden sich das sächsische Landessozial- und Landesarbeitsgericht. Das Sächsische Finanzgericht befindet sich in Leipzig.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Sitz in Dresden. Dieser nachgeordnete Staatsanwaltschaften gibt es an den Standorten der Landgerichte. Der Freistaat Sachsen führt zehn Justizvollzugsanstalten. Das Landesjustizprüfungsamt beim Sächsischen Staatsministerium der Justiz ist das sächsische Prüfungsamt für die juristischen Staatsexamen.

In Sachsen befinden sich Einrichtungen der bundesstaatlichen Justiz, die dem Bundesministerium der Justiz nachgeordnet sind. In Leipzig befindet sich das Bundesverwaltungsgericht und der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes mit einem Teil der Behörde des Generalbundesanwalts.

Viele Entscheidungen der europäischen Institutionen haben unmittelbaren Einfluss auf die Menschen und Organisationen in den Regionen Europas, so auch in Sachsen. Die sächsische Europapolitik wird durch eine Vielzahl von Akteuren und Institutionen geprägt. Über verschiedene Wege werden die Interessen des Freistaats in der Europäischen Union wahrgenommen.

Die Europapolitik Sachsens wird in der Staatsregierung koordiniert durch das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa unter Leitung von Staatsminister Jürgen Martens (FDP). Die europapolitischen Leitlinien der Regierungskoalition aus CDU und FDP wurden im Koalitionsvertrag, Abschnitt Europa und Internationale Beziehungen, definiert.[7]

Auf Bundesebene wirkt die Staatsregierung über den Bundesrat und die Europaministerkonferenz auch an der europäischen Gesetzgebung mit.

In Brüssel unterhält die Staatsregierung das Sachsen-Verbindungsbüro Brüssel, das u. a. die aktuellen Entwicklungen und Entscheidungen der europäischen Institutionen beobachtet, dann für den Freistaat relevante Themen identifiziert und an die zuständigen Stellen in der Staatsregierung und dem Landtag übermittelt. Im Ausschuss der Regionen wird Sachsen durch den Europaminister Jürgen Martens und Landtagsabgeordneten Heinz Lehmann (Politiker) (CDU) vertreten. Fünf Abgeordnete vertreten derzeit die sächsischen Bürger im Europäischen Parlament: Cornelia Ernst (DIE LINKE), Peter Jahr (CDU), Holger Krahmer (FDP), Constanze Krehl (SPD) und Hermann Winkler (CDU).

Im Sächsischen Landtag befasst sich der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss unter Vorsitz von Martin Modschiedler (CDU) mit europapolitischen Grundsatzfragen. Im April 2011 haben Landtag und Staatsregierung eine Subsidiaritätsvereinbarung geschlossen, die die Informationspflichten der Regierung gegenüber dem Parlament und die Mitwirkungsrechte des Landtages an europapolitischen Positionen des Landes regelt.[8]

Hauptartikel: Liste der Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen

Sachsen ist in die drei Direktionsbezirke Chemnitz (1), Dresden (2) und Leipzig (3) untergliedert.
Die Direktionsbezirke enthalten insgesamt zehn Landkreise und drei kreisfreie Städte. Die in Klammern stehende Bezifferung ist auf nebenstehender Karte ersichtlich.

Die zehn sächsischen Landkreise:

  • Bautzen (Budyšin) (BZ)
  • Erzgebirgskreis (ERZ)
  • Görlitz (Zhorjelc) (GR)
  • Leipzig (L)
  • Meißen (MEI)
  • Mittelsachsen (FG)
  • Nordsachsen (TDO)
  • Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (PIR)
  • Vogtlandkreis (V)
  • Zwickau (Z)

Die drei kreisfreien Städte Sachsens:

  • Chemnitz (C)
  • Dresden (DD)
  • Leipzig (L)
Hauptartikel: Kreisreform Sachsen 2008

Der Großteil der bis zum 31. Juli 2008 bestehenden Landkreise wurde 1994 und 1996 in einer Kreisreform gebildet. Im Rahmen der Verwaltungsreform der Landesbehörden erfolgte zum 1. August 2008 erneut eine Kreisreform, bei der aus 22 Landkreisen zehn und aus sieben kreisfreien Städten drei wurden.

Einwohnerzahlen und Ausdehnung der neuen Kreise
Neuer Landkreis Alte Stadt- und Landkreise Einwohnerzahl am 31. Dezember 2008 Einwohnerzahl
Prognose 2025[9]
Fläche in km² Bevölkerungsdichte 2008
Einwohner je km²
Bevölkerungsdichte 2025
Einwohner je km²
Bautzen Bautzen, Kamenz, Hoyerswerda, Bischofswerda 328.990 273.500 2.391 138 114
Erzgebirgskreis Stollberg, Annaberg, Aue-Schwarzenberg, Mittlerer Erzgebirgskreis 377.245 307.300 1.828 206 168
Görlitz Niederschlesischer Oberlausitzkreis, Löbau-Zittau, Görlitz 284.790 232.100 2.106 135 110
Leipzig Leipziger Land, Muldentalkreis 271.863 241.800 1.646 165 147
Meißen Riesa-Großenhain, Meißen 256.638 223.900 1.452 177 154
Mittelsachsen Freiberg, Mittweida, Döbeln 335.797 277.500 2.111 159 132
Nordsachsen Delitzsch, Torgau-Oschatz 211.356 182.000 2.020 105 90
Sächsische Schweiz-Osterzgebirge Weißeritzkreis, Sächsische Schweiz 255.459 232.200 1.654 154 140
Vogtlandkreis Vogtlandkreis, Plauen 250.246 205.000 1.412 177 145
Zwickau Chemnitzer Land, Zwickauer Land, Zwickau 348.834 288.500 949 368 304

Sachsen besteht aus insgesamt 485 politisch selbständigen Städten und Gemeinden (Stand: 1. Januar 2010). Diese verteilen sich wie folgt: 178 Städte, darunter drei kreisfreie Städte und 50 Große Kreisstädte, und 307 nichtstädtische Gemeinden. Die kreisangehörigen Gemeinden haben sich teilweise zur Erledigung ihrer Verwaltungsgeschäfte zu Verwaltungsgemeinschaften zusammengeschlossen: 223 Gemeinden sind in 90 Verwaltungsgemeinschaften und 27 Gemeinden in acht Verwaltungsverbänden eingebunden.

Die größten Städte sind Leipzig und Dresden, gefolgt von Chemnitz. Die viertgrößte Stadt, Zwickau, ist seit Ende 2003 keine Großstadt mehr, da die Einwohnerzahl zurückgegangen ist. Seit der Wiedervereinigung im Jahre 1990 ist die Einwohnerzahl im Freistaat Sachsen durch Abwanderung und Sterbeüberschuss aufgrund geringer Geburtenraten um 600.000 Einwohner zurückgegangen. Leipzig als größte und die Landeshauptstadt Dresden als zweitgrößte sächsische Stadt sowie deren jeweils unmittelbar angrenzenden Nachbarstädte Markkleeberg bzw. Radebeul weisen nach großen Bevölkerungsverlusten nach der Wiedervereinigung in den letzten Jahren durch leichte Geburtenüberschüsse und positiven Wanderungssaldo ein Bevölkerungswachstum auf. Dabei gehört die sächsische Landeshauptstadt in den letzten Jahren sogar zu den Städten mit dem durchschnittlich höchsten Bevölkerungswachstum der Bundesrepublik.

Stadt Kreis Einwohnerzahl am
31. Dezember 2000
Gebietsstand 2011
Einwohnerzahl am
31. Dezember 2011[10]
Gebietsstand 2011
Veränderung
in Prozent
Leipzig kreisfrei 493.208 531.014 +7,67
Dresden kreisfrei 477.807 529.322 +10,78
Chemnitz kreisfrei 259.246 242.818 −6,34
Zwickau Zwickau 103.008 93.331 −9,39
Plauen Vogtlandkreis 71.543 65.663 −8,22
Görlitz Görlitz 61.599 55.437 −10,00
Freiberg Mittelsachsen 45.428 41.240 −9,22
Bautzen / Budyšin Bautzen 43.353 40.395 −6,82
Freital Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 40.129 39.273 −2,13
Pirna Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 42.108 38.664 −8,18
Hoyerswerda / Wojerecy Bautzen 50.203 36.616 −27,06
Radebeul Meißen 32.246 33.734 +4,61
Riesa Meißen 39.367 33.560 −14,75
Zittau1 Görlitz 32.775 27.803 −15,17
Meißen Meißen 29.398 27.517 −6,40
Delitzsch2 Nordsachsen 29.265 26.046 −11,00
Limbach-Oberfrohna Zwickau 27.552 25.178 −8,62
Markkleeberg Leipzig 23.157 24.353 +5,16
Glauchau Zwickau 27.285 24.206 −11,28
Werdau Zwickau 26.077 22.322 −14,40
Annaberg-Buchholz Erzgebirgskreis 24.495 21.647 −11,63
Coswig Meißen 24.035 21.177 −11,89
Döbeln3 Mittelsachsen 24.322 21.085 −13,31
Crimmitschau Zwickau 23.305 20.584 −11,68
Borna4 Leipzig 24.219 20.406 −15,74
Reichenbach im Vogtland Vogtlandkreis 23.469 19.828 −15,51
Auerbach/Vogtl.5 Vogtlandkreis 22.629 19.789 −12,55

1 Eingemeindung von Hirschfelde (mit Dittelsdorf und Schlegel) am 1. Januar 2007
2 Eingemeindung von Döbernitz am 1. März 2004
3 Eingemeindung von Ebersbach am 1. Juli 2011

Hauptartikel: Liste der Städte und Gemeinden in Sachsen und Liste der Großen Kreisstädte in Sachsen
Bevölkerungsentwicklung in Sachsen 1905 bis 2010

Die Bevölkerungszahl Sachsens ist seit ca. 1950 rückläufig. Der ländliche Raum, viele Mittelzentren und auch oberzentrale Orte verlieren Bevölkerung durch Abwanderung. Einzig die Einwohnerzahlen der Städte Dresden und Leipzig konnten in den vergangenen Jahren Zuwächse verzeichnen. Dresden erlebte seit dem Jahr 2000 eine Zunahme von mehr als 29.000 Einwohnern, Leipzig im selben Zeitraum eine Zunahme von mehr als 17.000 Einwohnern (jeweils ohne Änderung des Gebietsstandes). Beiden Städten wird ein weiteres Wachstum bis 2020 prognostiziert.

Die Bevölkerungsentwicklung in Sachsen seit 1905:

Jahr Einwohner
1905 4.508.601
1946 5.558.566
1950 5.682.802
1964 5.463.571
1970 5.419.187
1981 5.152.857
1990 4.775.914
1995 4.566.603
2000 4.425.581
Jahr Einwohner
2001 4.384.192
2002 4.349.059
2003 4.321.437
2004 4.296.284
2005 4.273.754
2006 4.249.774
2007 4.220.200
2008 4.192.801
2009 4.168.732
Jahr Einwohner
2010 4.149.477

Die durchschnittliche Kinderzahl in Sachsen lag 2010 bei 1,49 je Frau und liegt damit deutschlandweit an erster Stelle unter den Bundesländern.[11] Spitzenreiter ist der Erzgebirgskreis mit 1,537, während Leipzig mit 1,371 das Schlusslicht in Sachsen bildet. Dresden steht mit 1,479 an der Spitze der deutschen Großstädte über 500.000 Einwohner.

Hauptartikel: Gesundheitswesen in Sachsen

In Sachsen gibt es 79 Krankenhäuser mit ca. 26.300 Krankenhausbetten. Mit etwa 45.000 Mitarbeitern sind die Krankenhäuser, vertreten durch die Krankenhausgesellschaft Sachsen, einer der bedeutendsten Arbeitgeber im Freistaat. Jährlich werden ca. 945.000 Patienten stationär behandelt.[12] Darunter sind die beiden Universitätsklinika in Dresden und Leipzig als Maximalversorger sowie zehn Schwerpunktversorger, die kommunalen Häuser in Chemnitz, Dresden (Friedrichstadt), Görlitz, Leipzig, Riesa, und Zwickau, die teilprivatisierten in Freiberg und Hoyerswerda (beide Sana) sowie die beiden Helios Kliniken in Aue und Plauen.

Das größte Krankenhaus in Sachsen ist mit 1775 Betten das Klinikum Chemnitz; mit seinen drei Standorten ist es gleichzeitig das größte kommunale Haus seiner Art in Ostdeutschland. Außerdem ist es am Schneeberger Krankenhaus beteiligt.[13]

Die Gesundheitsausgaben in Sachsen stiegen 2009 um 3,7 %. Mit 3328 € lagen die Gesundheitsausgaben je Einwohner 2009 nur noch 2 % unter dem Bundesdurchschnitt, 2006 waren es noch 8 %.

Das Gesundheitsziel Sachsens ist mit dem Ziel "Aktives Altern - Altern in Gesundheit, Autonomie und Mitverantwortlichkeit" Vorreiter in Deutschland.[14][15]

In Sachsen studierten und arbeiteten viele bekannte Mediziner und Alternativmediziner wie Friedrich Eduard Bilz (Bilz-Sanatorium), Heinrich Braun ("Braunsche Schiene"), Carl Gustav Carus, Paul Ehrlich (Nobelpreis 1908), Paul Flechsig, Samuel Hahnemann (Begründer der Homöopathie), Hermann Hartmann (Gründer des Hartmannbundes), Johann Christian August Heinroth (Inhaber der weltweit ersten Psychiatrieprofessur), Wilhelm His, Bernard Katz (Nobelpreis 1970), Heinrich Lahmann ("Lahmann-Sanatorium"), Carl Ludwig, Moritz Schreber ("Schrebergärten"), Carl Thiersch und Friedrich Trendelenburg.

Im Freistaat Sachsen werden hauptsächlich ostmitteldeutsche Dialekte gesprochen. Es handelt sich um das Meißnische und das Osterländische, die zur Thüringisch-Obersächsischen Dialektgruppe gehören, sowie das Lausitzische. Die ersten beiden sowie die Dialekte des angrenzenden Thüringens und im Süden Sachsen-Anhalts werden umgangssprachlich auch als „Sächsisch“ bezeichnet (siehe Obersachsen). Kennzeichen all dieser Dialekte ist die Lenisierung der stimmlosen Konsonanten. So wird das Wort „Koffer“ scheinbar als „Goffer“ ausgesprochen. Allerdings bildete die Schriftsprache am kursächsischen Hof in Meißen für Martin Luther die Grundlage des Neuhochdeutschen.

In der Lausitz werden auch mehrere Dialekte des Obersorbischen sowie Übergangsdialekte zwischen dem Ober- und Niedersorbischen gesprochen. Beide sorbischen Sprachen zählen zur westslawischen Sprachgruppe; im Freistaat Sachsen sprechen schätzungsweise 15.000 bis 20.000 Menschen Sorbisch als Alltagssprache.

Weiter leben in den Mittelgebirgen Südsachsens insgesamt etwa 700.000 Sprecher des Vogtländischen und des Erzgebirgischen. Beides sind eigenständige Dialekte mit Verwandtschaft zum Ostfränkischen und Nordbairischen.

Vermutlich bereits mit Herausbildung des Neuhochdeutschen bildete sich, ausgehend von den größeren Städten und begünstigt durch eine relativ hohe Bevölkerungsdichte und Dichte der Infrastruktur im mitteldeutschen Raum eine Regional- bzw. Umgangssprache heraus, die landläufig als „Sächsisch“ bezeichnet wird. Dieses Sächsisch wird in einem unscharf abgegrenzten Raum gesprochen, der auch Teile Sachsen-Anhalts, Thüringens und Brandenburgs umfasst.[16]

Der überwiegende Teil der sächsischen Bevölkerung ist konfessionslos. In den meisten Gemeinden bildet die evangelische Religionsgemeinschaft die größte organisierte Konfession und betreibt die Ortskirche. Auch die römisch-katholische Kirche ist in den meisten größeren Orten vertreten, während die altkatholische Kirche nur in einigen wenigen Orten vertreten ist.[17] Es gibt darüber hinaus zahlreiche Freikirchen und andere christliche Gemeinschaften, eine jüdische und muslimische Minderheit sowie Gemeinden und Gruppen, die anderen Konfessionen bzw. Religionen zugehörig sind.

Die evangelischen Ortsgemeinden gehören zu einem Großteil zur evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Die restlichen Ortsgemeinden gehören zur früheren evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz (heute Teil der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz) sowie zur evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen.

Mitglieder (31. Dez. 2009)[18] Bevölkerungsanteil
römisch-katholisch 148.976 3,6 %
evangelisch 855.430 20,5 %
andere Konfessionen
und Konfessionslose
3.164.326 75,9 %

Der Freistaat Sachsen besitzt eine lebendige Medienlandschaft aus Printmedien, landesweiten und lokalen Hörfunk- und Fernsehprogrammen.[19]

Tageszeitungen [20]

  • Sächsische Zeitung
  • Leipziger Volkszeitung
  • Lausitzer Rundschau
  • Freie Presse
  • Dresdner Neueste Nachrichten
  • Morgenpost mit ihren regionalen Ausgaben
  • Bildzeitung mit ihren regionalen Ausgaben
  • Serbske Nowiny

Anzeigenblätter [21]

  • WochenSpiegel
  • BLICK
  • Sächsischer Bote
  • Wochenkurier
  • Leipziger Rundschau
  • Sachsen Sonntag
  • Hallo! Leipzig

Öffentlich-rechtlich Hörfunkveranstalter [22]

  • MDR 1 Radio Sachsen
  • Jump

Freie Radios [23]

  • Radio Blau
  • coloRadio
  • Radio T
  • mephisto 97.6

Private Hörfunkveranstalter [24]

  • Apollo radio
  • Hitradio RTL Sachsen
  • R.SA
  • Radio PSR
  • Elsterwelle
  • Energy Sachsen
  • Radio Chemnitz
  • Radio Zwickau
  • Radio Erzgebirge
  • Radio Leipzig
  • Radio Lausitz
  • Radio Dresden

Öffentlich-rechtliche Fernsehsender[25]

  • MDR Fernsehen

Private Fernsehsender

  • Sachsen Fernsehen
  • Dresden Fernsehen
  • Leipzig Fernsehen
  • Vogtland Regional Fernsehen

Mit Ende des Zweiten Weltkrieges wurden seit 1946 im Auftrag der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland viele Industriezweige zu Volkseigenen Betrieben (VEB) umstrukturiert und bis zum Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990 gab es eine eigene Wirtschaftsentwicklung Sachsens innerhalb der DDR.[26]

Nach der Deutschen Wiedervereinigung hat die sächsische Wirtschaft einen starken Strukturwandel erlebt. Viele der meist stark rückständigen Industriebetriebe wurden geschlossen. Braunkohletagebaue und -kraftwerke wurden stillgelegt oder durch neue ersetzt. Zahlreiche ehemalige Tagebaurestlöcher befinden sich zurzeit in der Rekultivierung.

Heute steht Sachsen vor Thüringen auf einem Spitzenplatz der ostdeutschen Wirtschaft, wenngleich das Problem der hohen Arbeitslosigkeit nicht gelöst ist. Im Juni 2011 waren etwa 219.200 Menschen in Sachsen arbeitslos, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 10,3 %.[27]

Sachsen hat mit Wachstumsraten einzelner Industriebereiche zwischen acht und zehn Prozent die höchsten in Deutschland und kann in Teilen bei wichtigen Wohlstandsindikatoren zu den westlichen Bundesländern bereits aufschließen. So liegt das verfügbare Einkommen der Altersgruppe von 20–35 über dem Bundesdurchschnitt, jedoch wird das Gesamtergebnis von den niedrigen Einkommen der Gruppen ab 40 kompensiert. Insgesamt ist der Strukturwandel noch nicht abgeschlossen. Im Vergleich mit dem BIP der EU ausgedrückt in Kaufkraftstandards erreicht Sachsen einen Index von 85,9 (EU-27:100) (2004).[28]

2009 betrug die Wirtschaftsleistung im Bundesland Sachsen gemessen am BIP rund 94,99 Milliarden Euro.[29]

Karte der Flughäfen und Landeplätze in Sachsen

Vor allem die Ballungsräume Leipzig-Halle und Chemnitz-Zwickau sind Antrieb der sächsischen Wirtschaft. Das Ballungsgebiet Dresden ist gemessen am Bruttoinlandsprodukt der wirtschaftlich stärkste Raum Sachsens. Dresden spielt dabei durch die Ansiedlung von Globalfoundries und Infineon sowie vieler Zulieferbetriebe eine wichtige Rolle in der Mikrotechnologie. Diese drei Räume bilden die Ecken der Metropolregion Sachsendreieck.

Außerdem gibt es in der südlichen Lausitz, dem Vogtland und dem Erzgebirge auch verdichtete ländliche Räume, die dünnbesiedelten Gebieten in Nordsachsen gegenüberstehen.

Die Autobahn 4 durchzieht Sachsen auf einer West-Ost-Achse. Die wichtigsten Streckenabschnitte entstanden schon in den 1930er Jahren. Sie wurden nach 1990 auf einen modernen Stand gebracht. Zugleich erfolgte mit dem Ausbau von Bautzen bis zur Grenzstadt Görlitz ein Lückenschluss im europäischen Autobahnnetz. Wichtiges Autobahnbauprojekt ist die Verbindung der A 72 zwischen Chemnitz und Leipzig. Bereits fertig gestellt sind die A 17 zwischen Dresden und Prag und die A 38 als Südumfahrung Leipzigs.

Sachsen besaß in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das dichteste Eisenbahnnetz Europas. Zur Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert war kaum ein Ort in Sachsen mehr als 15 km von einem Bahnhof oder Haltepunkt entfernt. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Schmalspurbahnen im Tiefland um Mügeln und im Erzgebirge. Noch heute sind in Sachsen sieben Schmalspurbahnen hauptsächlich für touristische Zwecke unterwegs. Eine große Zahl von Strecken wurde allerdings stillgelegt.

Gegenwärtig werden die Strecken Leipzig–Dresden (über Riesa), Dresden–Chemnitz und Leipzig/Halle–Erfurt für den Schnellverkehr ausgebaut. Als weiteres Großprojekt gilt der Bau eines City-Tunnels in Leipzig. Dieser soll den bislang größten Kopfbahnhof Europas entlasten.

Sachsen ist, trotz des dichten Eisenbahnnetzes und der größten Bevölkerungszahl, das Land mit den wenigsten Fernbahnhöfen der Neuen Bundesländer (sechs Bahnhöfe im Vergleich zu sieben in Thüringen, acht in Brandenburg, neun in Sachsen-Anhalt und 13 in Mecklenburg-Vorpommern). Vier dieser Bahnhöfe liegen in oder bei Dresden und Leipzig. Der Ballungsraum Chemnitz-Zwickau gehört zu den Großstadtregionen mit den schlechtesten Bahnanbindungen in Deutschland.[30]

Im internationalen Verkehr sind die Verbindungen in die Tschechische Republik von Bedeutung, während der Großteil des Verkehrs in Richtung Polen eher über Brandenburg als über Sachsen verläuft.

Insbesondere das Erzgebirge, das Vogtland (sächsischer Teil), die Sächsische Schweiz und das Zittauer Gebirge sind als sächsische Landschaften vom Tourismus geprägt, als Städte sind vor allem Dresden und Leipzig zu nennen. Neben Erholungs- und Sportmöglichkeiten begründet sich die Tourismuswirtschaft in Sachsen in der Architektur und den kulturellen Möglichkeiten in Städten wie Dresden, Leipzig, Meißen (Porzellan) oder Görlitz, aber auch in der Bergbautradition (Silberstraße zwischen Zwickau und Dresden) und in regionalen Produkten wie der Erzgebirgischen Volkskunst oder den sorbischen Ostereiern. Die Anzahl der Übernachtungen im Freistaat belief sich 2005 auf 14,9 Millionen, 2006 auf 15,9 Millionen (+6,7 %),[31] 2007 auf 15,5 Millionen[32], 2008 auf 15,7 Millionen.[33]

Nicht zuletzt auf Grund vieler kultureller und historischer Sehenswürdigkeiten führt Sachsen Ende 2007 das Ranking der inländischen Kultururlaubsziele an und verweist Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen auf die Plätze.[34]

Laut einer Ipsos-Studie vom Oktober 2007 entschieden sich seit 2004 neun Prozent der potentiellen Sachsen-Urlauber aufgrund der jüngsten Ereignisse bezüglich rechtsextremer Gewalt, fremdenfeindlicher Übergriffe und Wahlerfolge rechtsextremer Parteien gegen einen Besuch in Sachsen.[35]

Neben den bundesweit gültigen Feiertagen Neujahr, Karfreitag, Ostern, Tag der Arbeit, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Tag der Deutschen Einheit und Weihnachten sind in Sachsen das Reformationsfest[36] und der Buß- und Bettag gesetzliche Feiertage. In bestimmten Gemeinden und Gemeindeteilen des Landkreises Bautzen (sorbisches Siedlungsgebiet) ist Fronleichnam ein gesetzlicher Feiertag.[37]

Der Freistaat Sachsen verleiht gemeinsam mit der Stiftung Frauenkirche Dresden und der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank den Sächsischen Bürgerpreis. Er wird in den Kategorien gesellschaftlich-soziales Engagement und kulturell-geistliches Engagement vergeben und ist mit jeweils 5000 Euro dotiert. Die erste Verleihung fand 2011 statt.[38]

  • ISBN 3-531-15727-2
  • Joachim Menzhausen: Kulturgeschichte Sachsens. Edition Leipzig, Leipzig 2008
  • Reiner Groß: Geschichte Sachsens. Edition Leipzig, 4. Auflage, Leipzig 2007
  • Friedrich Ludwig Müller, Angela Pfotenhauer, Elmar Lixenfeld, Florian Monheim: Barock in Sachsen. Monumente-Edition. Monumente-Publikation der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2000, ISBN 3-935208-01-4
  • Rainer Karlsch, Michael Schäfer: Wirtschaftsgeschichte Sachsens im Industriezeitalter. Edition Leipzig, Dresden/Leipzig 2006
  • Hartmut Kowalke: Sachsen. Reihe Perthes Länderprofile, Klett-Perthes-Verlag, Gotha/Stuttgart 2000, ISBN 3-623-00672-6
  • Sächsische Landeszentrale für politische Bildung/Landesverein Sächsischer Heimatschutz e. V. (Hrsg.): Sachsen. Heimatgeschichte, Volkskunde, Denkmalpflege, Dorfgestaltung, Natur und Landschaft. Dresden 2007
  • Literatur von Sachsen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Sächsische Bibliographie
  • ISBN 978-3-89812-528-4.
  • Verfassung des Freistaates Sachsen
  • Postgeschichte und Briefmarken Sachsens
  1. Nach der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
  2. Statistische Ämter des Bundes und der Länder
  3. Arbeitslosenquoten im März 2012 – Länder und Kreise. In: arbeitsagentur.de. Bundesagentur für Arbeit, abgerufen am 29. März 2012.
  4. Statistisches Bundesamt - Angaben zu den Schulden der Länder
  5. Sächsisches Staatsministerium der Justiz: Organigramm nachgeordneter Behörden
  6. Verfassung des Freistaates Sachsen Art. 77, Abs. 2
  7. Siehe Koalitionsvertrag Freiheit. Verantwortung. Solidarität. Gemeinsam für ein starkes und selbsbewusstes Sachsen zwischen CDU und FDP vom 16. September 2009
  8. Vereinbarung zwischen dem Sächsischen Landtag und der Sächsischen Staatsregierung über die Konsultation des Landtags im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung nach Artikel 6 bis 8 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sowie über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Europäischen Union (Subsidiaritätsvereinbarung) vom 20. April 2011
  9. statistik.sachsen.de: 5. Regionalisierte Bevölkerungsprognose für den Freistaat Sachsen bis 2025. Abgerufen am 22. Mai 2011.
  10. Statistisches Landamt Sachsen: „Vorläufige Bevölkerung des Freistaates Sachsen am 31. Dezember 2011) nach Gemeinden“
  11. Geburten je Frau im Freistaat Sachsen 1990 – 2010, PDF
  12. Krankenhausgesellschaft Sachsen (am 20. Juni 2011)
  13. Internetauftritt des Klinikums Chemnitz. (abgerufen am 18. Juni 2011)
  14. Sachsen.de. (am 1. Juli 2011)
  15. www.Gesundheitsziele.de. (abgerufen am 1. Juli 2011)
  16. ISBN 3-406-31407-4
  17. Deutschlandfunk, Sendung „Tag für Tag“: Altkatholiken in Sachsen (14. April 2009)
  18. Statistisches Landesamt Sachsen (abgerufen am 14. Dezember 2010)
  19. http://www.medien.sachsen.de/12594.htm
  20. http://www.medien.sachsen.de/
  21. http://www.bvda.de/index.php?id=40&land=13
  22. http://www.medien.sachsen.de/12602.htm
  23. http://www.freie-radios.de/
  24. http://www.slm-online.de/psk/slmo/powerslave,id,193,nodeid,193,ansicht,gruppe,gruppe_id,100.html
  25. http://www.medien.sachsen.de/12601.htm
  26. Wirtschaft in Sachsen 1946–1990 im Staatsarchiv Chemnitz.
  27. [1] (am 12. August 2011)
  28. Eurostat News Release 63/2006: Regional GDP per inhabitant in the EU 25[2]
  29. [3] (am 12. August 2011)
  30. Technische Universität Chemnitz: Wie die Deutsche Bahn eine ganze Region im Stich läßt.
  31. Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen: Übernachtungen in Beherbergungsstätten des Freistaates Sachsen nach dem Herkunftsland der Gäste ab 1992 (Auswahl)
  32. Landestourismusverband Sachsen:"Das Jahr 2007"
  33. http://www.ltv-sachsen.de/cgi-bin/click.system?navid=1013&id=144&fb=News&fa=2&page=2009&sid=de Landestourismusverband Sachsen: "Stabil trotz Krisenzeiten - Reiseland Sachsen 2008 wieder im Aufwärtstrend"]
  34. Pressemitteilung: Sachsen will deutsche Spitze bei Kulturreisen bleiben
  35. Spiegel Online: Rechtsextremismus vertreibt Touristen (11. November 2007)
  36. Änderung des Gesetzes über Sonn- und Feiertage im Freistaat Sachsen
  37. Gesetz über Sonn- und Feiertage im Freistaat Sachsen (SächsSFG) § 1
  38. Der Sächsische Bürgerpreis

51.02757613.359375Koordinaten: 51° 2′ N, 13° 22′ O



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Versicherung (Kollektiv)

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Mit Versicherung (veraltet Assekuranz) wird das Grundprinzip der kollektiven Risikoübernahme (Versicherungsprinzip) bezeichnet: Viele zahlen einen Geldbetrag (=Versicherungsbeitrag) in den Geldtopf Versicherer ein, um beim Eintreten des Versicherungsfalles aus diesem Geldtopf einen Schadenausgleich zu erhalten. Da der Versicherungsfall nur bei wenigen Versicherten eintreten wird, reicht der Geldtopf bei bezahlbarem Beitrag aus. Voraussetzung ist, dass der Umfang der Schäden statistisch abschätzbar ist und demnach mit versicherungsmathematischen Methoden der von jedem Mitglied des Kollektivs benötigte Beitrag bestimmbar ist.

Inhaltsverzeichnis

Alfred Manes (in Encyclopedia of the Social Sciences, Vol. 8, 1935, Seite 95) definiert Versicherung als Beseitigung des Risikos eines Einzelnen durch Beiträge von Vielen („The essence of insurance lies in the elimination of the uncertain risk of loss for the individual through the combination of a large number similarily exposed individuals who each contribute to a common fund of premiums sufficient to make good the loss caused any one individual.”). Karl Hax definiert Versicherung als „die planmäßige Deckung eines im einzelnen ungewissen, im ganzen aber schätzbaren Geldbedarfs auf der Grundlage eines zwischenwirtschaftlichen Risikoausgleichs“. Versicherungsbegriff nach Farny: Versicherung ist die Deckung, eines im Einzelnen ungewissen, insgesamt schätzbaren Geldbedarfs, auf der Grundlage eines Risikoausgleiches im Kollektiv und in der Zeit. Eine gesetzliche Definition besteht nicht.

Der Versicherung liegt der Mechanismus der gemeinsamen Tragung von Risiken in einem Kollektiv (Pool, Portefeuille) zu Grunde. Der Vorteil dieser gemeinsamen Tragung beruht auf einer mathematisch durch das Gesetz der großen Zahlen beschriebenen Gesetzmäßigkeit, nach der bei steigender Anzahl von gleichartigen Ereignissen sich der tatsächliche Ausgang dem erwarteten Ausgang (also dem mittleren Wert aller möglichen Ausgänge) anpasst; die Streuung (Variabilität) der Ausgänge um den mittleren Wert nimmt mit steigender Kollektivgröße gesetzmäßig, mathematisch beschrieben durch den Zentralen Grenzwertsatz, ab. Demnach verringert sich das Risiko der Schwankung des Ausgangs umso mehr, je größer das Kollektiv ist. Dieser risikomindernde Effekt einer gemeinsamen Tragung von Risiken in einem Kollektiv wird als Risikoausgleich im Kollektiv bezeichnet. Im Ergebnis wird dadurch das Risiko des Versagens des Risikoausgleichs, also dass das Kollektiv nicht genügend Geld hat, alle Schäden zu bezahlen, mit steigender Kollektivgröße immer kleiner. Ein großes Kollektiv braucht letztlich proportional weniger Kapital als Vorsorge für ein solches Versagen, als ein kleines Kollektiv oder gar ein Individuum für sein eigenes Risiko. Geringeres Kapital bedeutet aber vor allem geringere Finanzierungskosten und damit bewirkt der Risikoausgleich im Kollektiv, dass Risiken für alle Beteiligten günstiger abgesichert werden können, als dies individuell möglich wäre.

Beispiel: Ein Haus hat einen Wert von beispielsweise 100.000 €. Nehmen wir an, die Wahrscheinlichkeit, dass es abbrennt, sei 0,1 % in jedem Jahr. Um sich selbst gegen den Verlust des Hauses zu schützen, müsste der Hausbesitzer ständig 100.000 € als Reserve verfügbar haben. Dieses ständige Bereithalten von Geld bewirkt Finanzierungskosten von beispielsweise 1 %, also 1.000 € pro Jahr. Damit kostet die individuelle Absicherung des Hauses gegen Brand jedes Jahr 1.000 €, selbst wenn das Haus nicht abbrennt (zusätzlich kommt noch der durchschnittliche Verlust aus Bränden in Höhe von 100 € pro Jahr hinzu). Tun sich hingegen 100.000 Hausbesitzer zusammen und sichern sich gemeinsam ab, treten im Kollektiv fast mit Sicherheit Brände auf, durchschnittlich 100 pro Jahr mit Gesamtkosten von 10.000.000 €. Dies kostet aber, verteilt auf alle 100.000 Hausbesitzer, den einzelnen nur die 100 € durchschnittliche Brandkosten. Um gegen zufällig viele Brände gewappnet zu sein, muss das Kollektiv zwar noch zusätzlich Kapital bereitstellen, doch beträgt dies bei ausreichender Sicherheit zum Beispiel nur 10.000.000 €. Selbst wenn man für dieses Kapital besonders hohe Finanzierungskosten unterstellt, beispielsweise 20 %, entfallen auf den Einzelnen nur Finanzierungskosten von 20 €. Damit würde die Absicherung im Kollektiv jeden Einzelnen nur 120 € kosten, statt (langjährig durchschnittlich) 1.100 € bei individueller Absicherung. Je größer das Kollektiv ist, desto weniger Kapital wird zur Absicherung benötigt und desto mehr nähert sich der Preis der Versicherung dem reinen Erwartungswert des Schadens von 100 € an.

Diese wesentliche Verbilligung der Absicherung gegen Risiken durch Versicherung machte überhaupt erst den für die moderne Wirtschaft wesentlichen Aufbau wertvoller Industrieanlagen und auch den Aufbau privater Werte möglich, deren große Zahl wiederum erst eine effektive Absicherung im Kollektiv ermöglicht. Damit ist die Entwicklung der modernen Industriestaaten untrennbar mit der Entwicklung des Versicherungswesens verbunden.

Grundsätzlich lässt sich dieser Effekt stets von einem gemeinschaftlich organisierten Risikoausgleichskollektiv erzielen. Doch sind solche in der Praxis im Hinblick auf die benötigte Zahl von Risiken meist nicht auf rein gemeinschaftlicher Basis organisierbar. Daher treten in einer Marktwirtschaft Unternehmer (als Versicherer bezeichnet) auf, die sich den Risikoausgleichseffekt zu Nutze machen, um die systematische Übernahme von Risiken mit einem im Hinblick auf die Gewinnmöglichkeiten akzeptablen unternehmerischen Risiko durchzuführen. Die wesentlichen Merkmale eines solchen privatwirtschaftlich organisierten, gewinnorientierten Versicherers sind:

  • Der Versicherer erhebt von den Versicherungsnehmern einen fest vereinbarten Versicherungsbeitrag. Ggf. auftretende Schäden muss der Versicherer dann ausgleichen.
  • Der Versicherer stellt zur Absicherung höherer Schäden Eigenkapital, das demzufolge unter Risiko steht. Sind die Schäden niedriger als die Schäden und übrigen Aufwendungen des Versicherers, verbleibt der Rest als Gewinn zur Entlohnung für die Stellung dieses risikobehafteten Eigenkapitals. Oft werden die Gewinne aber nicht ausgeschüttet, sondern verbleiben im Versicherer, um die Eigenkapitalbasis und damit die Sicherheit des Versicherers zu erhöhen. Zugleich erhöht sich durch diese Thesaurierung von Gewinnen auch der Wert des Versicherers für den Eigentümer.

Wegen des Risikoausgleichseffekts genügen dem Versicherer schon geringe Sicherheitszuschläge in den Beiträgen und ein relativ niedriges Eigenkapital, um das Geschäft mit ausreichender Sicherheit für die Versicherungsnehmer und angemessenem Gewinn auf das Eigenkapital betreiben zu können.

Damit ist Versicherung die nach dem Wahrscheinlichkeitsprinzip arbeitende wirtschaftliche Absicherung von Risiken gegen Beitragszahlung; sie wird entweder nach dem Assoziationsprinzip als Gegenseitigkeitsversicherung oder nach dem Spekulationsprinzip als Erwerbsversicherung betrieben. Allerdings betreiben auch die Gegenseitigkeitsversicherer heute kaum noch ein reines Risikoausgleichskollektiv (abgesehen von einigen wenigen kleineren Vereinen, meist Tierversicherungen, z. B. Kuhgilden), sondern erheben feste Beiträge nach dem Spekulationsprinzip.

Antike Vorformen der Gegenseitigkeitsversicherung begegnen uns in den ägyptischen, griechischen und römischen Begräbnisvereinen (collegia tenuiorum), die mittels regelmäßiger Beiträge für ein anständiges Begräbnis ihrer Mitglieder und für den Totenkult sorgten. Die bis in die Neuzeit fortwirkende Entwicklung der Gegenseitigkeitsversicherung beginnt jedoch erst im frühen Mittelalter in Nordeuropa mit der auf einem gegenseitigen Treueverhältnis beruhenden und sich zur gemeinsamen Erfüllung religiöser, politischer, wirtschaftlicher und geselliger Zwecke zusammenschließenden Gilden und Genossenschaften, die sich bevorzugt der gemeinschaftlichen Risikoübernahme und Hilfeleistung bei Tod, Brand, Viehsterben, Schiffbruch und Gefangennahme widmeten. Im 17. und 18. Jahrhundert entstanden auf staatliche Initiative die ersten öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten.

Die versicherbaren Risiken sind sehr vielfältig. Voraussetzung ist allerdings, dass sie sich nach statistisch fassbaren Gesetzmäßigkeiten realisieren. Daher sind beispielsweise Risiken, die wesentlich auf dem Verhalten von Menschen beruhen, wie wirtschaftlicher Erfolg einer Unternehmung, Marktpreisrisiken oder vorsätzliches Verhalten nicht versicherbar. Die versicherbaren Risiken lassen sich aber auf wenige Risikogruppen reduzieren, die allerdings keine exakten Grenzen haben:

  • biometrische Risiken, darunter versteht man die das Leben und den Lebensunterhalt betreffenden individuellen Risiken wie Erwerbsunfähigkeit, Pflegebedürftigkeit, Langlebigkeit und vorzeitigen Tod. Sie werden durch Lebensversicherungsprodukte abgedeckt
  • Kostenrisiken (beispielsweise Gerichtskosten, Krankheitskosten) werden beispielsweise durch die Rechtsschutzversicherung und die Krankenversicherung gedeckt
  • Schadensrisiken (beispielsweise Feuer, Unfall, Diebstahl) werden durch zahlreiche Schadensversicherungsarten gedeckt (beispielsweise Wohngebäudeversicherung, Unfallversicherung, Hausratversicherung)
  • Haftungsrisiken werden durch zahlreiche Formen der Haftpflichtversicherung gedeckt

Die Rechtsordnung trennt das Versicherungsrecht in das immer umfangreicher werdende Sozialversicherungsrecht und das Privatversicherungsrecht, das wiederum Versicherungsunternehmensrecht, Versicherungsaufsichtsrecht und Versicherungsvertragsrecht umfasst. Das Versicherungsvertragsrecht ist besonderes Schuldvertragsrecht und als solches das den Besonderheiten des Versicherungsvertrages gerecht werdende Sonderprivatrecht.

Die Zweige der Sozialversicherungen können nur eingeschränkt zu den Versicherungen gezählt werden, da es sich nur um umlagefinanzierte (Umlageverfahren) staatlich organisierte Pflichtversicherungen handelt. Zudem werden in der gesetzlichen Rentenversicherung die Beiträge nicht unter den Leistungsberechtigten umgelegt, sondern von einer Generation für die andere erbracht (Generationenvertrag). Sie bildet keine Rückstellungen, sondern finanziert sich aus den laufenden Einnahmen und ist damit nicht demographiefest. Sozialversicherungen werden an dieser Stelle nicht weiter behandelt.

Für die Deckung der Anwartschaften insbesondere bei Personenversicherung haben sich zwei grundlegende Deckungsprinzipien herauskristallisiert.

  • Mit dem Kapitaldeckungsverfahren wird in der privaten Versicherungswirtschaft gearbeitet.
  • Das Umlageverfahren wird überwiegend in der gesetzlichen Rentenversicherung angewendet.

Eine Lotterie ist einer Versicherung in manchen Aspekten sehr ähnlich, nicht zuletzt auch deshalb, weil Versicherungen ursprünglich vielfach Wett- oder Lotteriecharakter hatten. Allerdings dient das Glücksspiel weder der finanziellen Risikovorsorge noch dem kollektiven Ansparen. Ferner soll eine Versicherung die finanziellen Folgen eines bestimmten Ereignisses absichern; dieses Ereignis ist jedoch das gewünschte Ziel bei einer Lotterie. Der Spieler will den Gewinn ja nicht verhindern sondern möglichst erringen.

Eine besondere Form der Lotterie ist die Tontine, bei der eine Gesamtheit von Anlegern einen Betrag aufbringt, der nach dem Ablauf einer vereinbarten Laufzeit verzinst an die Überlebenden der Gesamtheit ausbezahlt wird. Hier steht die Beitragszahlung nicht unter Risiko. Für die Leistung wird das biometrische Risiko zur Erhöhung der Rendite für die Überlebenden genutzt. Allerdings ist die Tontinenversicherung als Vorläufer unserer heutigen Rentenversicherungen anzusehen.

Die insbesondere in Frankreich üblichen Kapitalisierungsgeschäfte (Sparversicherungen), frz. Contrats de capitalisation sind ebenfalls keine (Lebens-)versicherungen im eigentlichen Sinn, da hier ausschließlich ein Sparvorgang vorliegt.

Bevor ein Risiko richtig versichert werden kann, muss es erkannt, bewertet und der Umgang mit dem Risiko festgelegt werden. Mit diesem Prozess, welcher als Vorstufe jedem Versicherungsabschluss vorausgehen sollte, befasst sich das Risikomanagement. Risikomanagement oder Risk-Management (englisch) ist der gesamtheitliche Umgang mit Risiken. Eine generelle, einfache Definition von Risiko ist Unsicherheit. Die Komponenten eines Risikos sind:

  1. Ein Wert (Sache, Person, Prozess, System, Zustand)
  2. Die Gefahren, welchen die Werte ausgesetzt sind
  3. Die Auswirkungen, wenn sich die Gefahr am Wert verwirklicht (direkte und indirekte finanzielle und nicht-finanzielle Auswirkungen).

Weitere Dimensionen von Risiko sind Eintrittswahrscheinlichkeit und Häufigkeit. Die Versicherungswirtschaft oder der Versicherungsmarkt (als Begriff für alle, welche sich mit versicherbaren Risiken befassen) kümmert sich primär um die durch eine Versicherungsgesellschaft (den Versicherer) versicherbaren Risiken. Nur ein Teil aller Risiken ist durch eine Versicherungsgesellschaft versicherbar. Weitere Risiken sind in anderer Art und Weise absicherbar, wie zum Beispiel das Risiko von sinkenden Aktienkursen durch Optionen (Bsp. Put-Option). Außerdem gibt es die Versicherungswirtschaft konkurrenzierende oder ergänzende Techniken, wie die Securitization, welche den Kapitalmarkt zur finanziellen Absicherung von Risiken anzapft. Viele Risiken sind nicht oder nur teilweise auf andere überwälzbar, wie das Risiko des Unternehmers, dass ein neu lanciertes Produkt am Markt keinen Erfolg hat; könnte man dieses Risiko voll abwälzen, hätte man auch kein Recht auf einen Gewinn. Denn der Gewinn ist der Lohn für eingegangene Risiken.

Welches die richtigen Instrumente, die richtige Methoden im Umgang mit Risiken sind, ist eine Frage, welche das Risikomanagement zu beantworten hilft. Vielfach ist die Antwort nicht ein Allheilmittel, sondern ein Mix aus verschiedenen Maßnahmen (z. B. Risikohäufigkeit reduzieren, planmäßiger Umgang mit der Situation, wenn sich Risiko verwirklicht, einen Teil der finanziellen Auswirkungen selbst tragen, einen Teil versichern). Ein kritischer Schritt im Umgang mit Risiken ist die Erkennung von Risiken, denn mit nicht erkannten Risiken kann auch nicht planmäßig umgegangen werden.

Versicherungsschutz wird im Rahmen eines besonderen Rechtsverhältnisses, des Versicherungsverhältnisses gewährt. Der Versicherungsschutz gewährende ist der Versicherer, der Versicherungsschutz erhaltende ist der Versicherungsnehmer. Versicherungsverhältnisse können durch Vertrag, Gesetz oder seltener Gerichtsentscheidung begründet werden. Da Versicherung definitionsgemäß auf der Basis des Risikoausgleichs im Kollektiv erfolgt, sind die Versicherer bemüht große Zahlen möglichst ähnlicher Versicherungsverhältnisse zu begründen, die sich nur durch die unvermeidliche Individualität der einzelnen Risiken unterscheiden. Daher sind die Versicherungsverhältnisse, deren Risiken in einem Kollektiv ausgeglichen werden sollen, grundsätzlich identisch ausgestaltet und unterscheiden sich nur durch das individuell abgesicherte Risiko. Hierzu gestalten die Versicherer für einen bestimmten Typ von Versicherungsverhältnissen einheitliche Bedingungen, die sogenannten Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die eine möglichst große Einheitlichkeit der auf dieser Basis begründeten Versicherungsverhältnisse bewirken. Diese Typen von möglichen Versicherungsverhältnissen, die ein Versicherer anbietet, werden von den Versicherern auch als Produkte bezeichnet. Da Versicherung ein kollektives Geschäft ist, „produziert“ der Versicherer nicht einzelne Versicherungsverhältnisse, sondern die Kollektive. Daher ist dies wirtschaftlich sein „Produkt“. Der Produktbegriff wird hier aber auch zugleich im weiteren Sinn verwendet, der sich nicht auf das einzelne Wirtschaftsgut oder die einzelne Dienstleistung bezieht, sondern sich auf das Fertigungsverfahren oder den Typ von im Massenfertigungsverfahren hergestellten Einzelprodukten bezieht. Diese Produkte waren oder sind teilweise noch Gegenstand der staatlichen Beaufsichtigung der Versicherung. In dem Fall entspricht das Produkt einem zum Teil staatlich beaufsichtigten Versicherungstarif.

Es existieren verschiedene Möglichkeiten, um die Vielfalt der Versicherungen systematisch darzustellen. Sechs solcher Gruppierungsansätze sind nachfolgend dargestellt:

  1. Individual- und Sozialversicherung
    • Die Individualversicherung entsteht durch Abschluss eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages
    • Die Sozialversicherung entsteht durch Gesetz auf Grund bestimmter Umstände, z. B. durch abhängige Erwerbstätigkeit, Ausbildung oder andere geschützte Umstände.
  2. Personen- und Nichtpersonenversicherungen
    • Die Personenversicherung gliedert sich in die Lebens-, die Kranken- und die Unfallversicherung.
    • Zu Nichtpersonenversicherungen werden Sach- und Vermögensversicherungen gerechnet (Haftpflichtversicherung, Rechtsschutzversicherung etc.)
  3. Schadens- und Summenversicherungen
    • Die Schadensversicherung deckt im Schadensfall die konkrete, meist nachzuweisende Höhe des tatsächlich angefallenen Schadens. Eine vereinbarte Versicherungssumme beschreibt bei dieser Versicherungsform lediglich die maximale Versicherungsleistung. Typische Schadensversicherungen sind die Kranken-, die Hausrat-, die Haftpflicht- und die Rückversicherung sowie die Kraftfahrtversicherung.
    • Die Summenversicherung leistet im Versicherungsfall eine vorbestimmte Versicherungssumme, ohne dass ein tatsächlicher Schaden konkretisiert werden müsste. Summenversicherungen sind fast immer Personenversicherungen, bekanntestes Beispiel ist die Lebensversicherung, daneben steht noch die Unfallversicherung. Gelegentlich gibt es auch Tierversicherungen oder (im Ausland) Kfz-Versicherungen in der Form der Summenversicherung. Die Neuwertversicherung, bei der ohne Rücksicht auf den Wert des zerstörten Objekts immer der Wiederbeschaffungswert eines neuen Objekts erstattet wird, ist ein Grenzfall zwischen Schaden- und Summenversicherung.
  4. Aktiven- und Passivenversicherungen
    Bei den Schadensversicherungen kann man folgende Einteilung vornehmen:
    • Aktivenversicherung schützen Sachwerte, die bei einem Unternehmen auf der Aktivseite stehen. Beispiele sind Gebäudeversicherung oder Kaskoversicherung.
    • Passivenversicherungen schützen die Haftung gegenüber Dritten, das heißt es wird die Passivseite einer Bilanz geschützt, beispielsweise durch eine Produkthaftpflichtversicherung, oder eine Kraftfahrtversicherung.
    Beide Gruppen unterscheiden sich in der Funktionsweise. Während es bei der Aktivenversicherung das Prinzip der Unterversicherung gibt (der Schaden wird nur im Verhältnis Versicherungssumme zum Wert des beschädigten Gegenstandes ersetzt), gilt bei der Passivenversicherung das Prinzip der Erstrisikodeckung, das heißt der Schaden wird immer in voller Höhe bis zum Erreichen der Deckungssumme ersetzt.
  5. Nach der Art des versicherten Risikos
    Es werden verschiedene Risikoarten unterschieden und auf dieser Basis werden entsprechende Versicherungen in Versicherungsarten, und weiter in Versicherungssparten bzw. -zweige und Versicherungszweiggruppen zusammengefasst.
  6. Lebens- und Nicht-Lebensversicherung
    • Die Lebensversicherung ist eine Summenversicherung, die keine Teilschäden abdeckt und durch meist langfristige Verträge charakterisiert ist. Sie deckt keine Mehrfachschäden pro Risiko und ist möglicherweise von Zufallsschwankungen betroffen. Bei Versicherungsfall ist die Abwicklung recht schnell - aufgrund der einfach zu beweisenden Sachlage (Totenschein) -, Prämien begründen sich auf gutes statistisches Material
    • Die Nicht-Lebens-Versicherung deckt auch Teilschäden und Mehrfachschäden ab. Eine Abwicklung eines Versicherungsfalles kann recht langwierig werden, da alle Schäden bewiesen werden müssen (evtl. durch Gutachten etc.). Meist handelt es sich um kurz bis mittelfristige Verträge, die anfällig für Kosteninflation sind. Sie sind stark anfällig für Zufallsschwankungen (Wind & Wetter).
  • Individualversicherung
  • Schadenmanagement
  • Versicherungsbetrug
  • Pflichtversicherung
  • Abonnentenversicherung
  • Versicherungsart
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Rentenversicherung (Erlebensversicherung)

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Als Rentenversicherung bezeichnet man einen Versicherungsvertrag, bei der ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Leibrente gezahlt wird. Versicherung wird hier gegen die wirtschaftlichen Belastungen genommen, die aus einem länger als erwarteten Leben resultieren, nämlich der entsprechend längere Bedarf an Lebensunterhalt.

Dieser Artikel behandelt die private Rentenversicherung. Sie ist im Grunde eine Lebensversicherung, jedoch wird nicht das Risiko des zu frühen Todes (Versicherung auf den Todesfall), sondern das (wirtschaftliche) Risiko des zu langen Lebens (Versicherung auf den Erlebensfall) abgesichert. Die gesetzliche Rentenversicherung wird in diesem Artikel nicht behandelt. Ebenfalls nicht behandelt werden die deutsche Riester-Rente und die Rürup-Rente (Basisrente) als Spezialfälle der privaten Rentenversicherung.

Inhaltsverzeichnis

Man unterscheidet Renten nach dem Beginn der Auszahlung.

  • Sofortrente: Gegen einen Einmalbeitrag wird ab sofort die Leibrente gezahlt
  • aufgeschobenen Rentenversicherung: Die Leibrente beginnt erst nach einer vereinbarten Zeit, der Aufschubzeit. Gezahlt wird gegen einen Einmalbeitrag oder laufenden Beitrag während der Aufschubzeit.

Man unterscheidet nach dem Auszahlungszeitpunkt:

  • vorschüssige Rentenzahlung: Gezahlt wird jeweils zu Beginn einer Rentenzahlungsperiode.
  • nachschüssige Rentenzahlung: Gezahlt wird jeweils zum Ende einer Rentenzahlungsperiode.

In Rentenversicherungen können folgende weitere Regelungen vorgesehen sein:

  • Kapitalwahlrecht: Bei aufgeschobenen Rentenversicherungen kann vereinbart werden, dass bei Ende der Aufschubzeit anstatt der Leibrente auch eine einmalige Kapitalzahlung in der kalkulatorischen Höhe des Wertes der Leibrente gezahlt wird. Manchmal bestehen auch Wahlrechte bezüglich der zu zahlenden Leibrente.
  • Rentengarantiezeit: Es kann vereinbart werden, dass anfänglich keine Leibrente, sondern für die vereinbarte Dauer der Rentengarantiezeit eine Rentenzahlung unabhängig vom Überleben des Leibrentners gezahlt wird. Stirbt der Leibrentner in dieser Zeit, endet die Rentenzahlung nicht sofort sondern erst zum Ende der Rentengarantiezeit. Überlebt er, erhält er nach dem Ende der Rentengarantiezeit eine vom weiteren Überleben abhängige Leibrente.
  • Abgekürzte Leibrente: Es kann vereinbart werden, dass die Leibrente nicht lebenslänglich gezahlt wird, sondern, soweit sie nicht schon vorher durch Tod endet, nach einer vorher vereinbarten Zeit beendet wird (auch: temporäre Rente).
  • Beitragsrückgewähr: Es kann vereinbart werden, dass bei Todesfall in der Aufschubzeit die eingezahlten Beiträge zurückerstattet werden und dass bei Todesfall im Rentenbezug die eingezahlten Beiträge abzüglich der bereits ausgezahlten Renten zurückerstattet werden. Eine solche Vereinbarung führt allerdings bei gleichem Beitrag zu einer geringeren Rentenhöhe, da der Versicherer für die Deckung des Todesfallrisikos Risikobeiträge entnehmen muss bzw. keine Beträge an die Überlebenden "vererben" kann. Auch andere Formen des Todesfallschutzes können mit Rentenversicherungen kombiniert werden. Dies kann unter Umständen den Charakter als Versicherung auf den Erlebensfall zumindest zeitweise in eine Versicherung auf den Todesfall umkehren.
  • Hinterbliebenenschutz: Es kann vereinbart werden, dass bei Todesfall in der Aufschubzeit ein für diesen Fall bezeichneter Bezugsberechtigter eine Leibrente (z. B. Witwenrente) oder eine abgekürzte Leibrente (Waisenrente) erhält. Auch die Vereinbarung eines Hinterbliebenenschutzes führt bei gleichem Beitrag zu einer geringeren Höhe der Rente für die versicherte Person.

Begrenztes Kapitalwahlrecht besteht bei den Riester-Rente, kein Wahlrecht bei Rürup-Renten. Die Vereinbarkeit von Rentengarantiezeiten ist bei Riester-Renten und Rürup-Renten gesetzlich eingeschränkt. Abgekürzte Leibrenten werden den Kapitalanlageprodukten gem. § 20 EStG zugeschlagen, weshalb die Besteuerung mit der Abgeltungsteuer vorgenommen wird.

Die Rentenversicherung unterscheidet sich von der Lebensversicherung auf den Todesfall insbesondere durch die grundsätzlich fehlende Gesundheitsprüfung. Der Gesundheitszustand ist bei den üblichen Gestaltungen unerheblich. Ein schlechter Gesundheitszustand mindert vielmehr das Risiko des Versicherers, dass der Leibrentner zu lange lebt. Vielmehr wird der Versicherer unterstellen, dass nur solche Personen Leibrenten kaufen, die für sich selbst eine eher lange Lebenserwartung annehmen.

Es sind Gestaltungen möglich, bei denen Personen mit in einer Gesundheitsprüfung nachgewiesener verringerter Lebenserwartung niedrigere Beiträge zahlen oder eine höhere Leibrente bekommen.

Da kein Todesfallschutz übernommen wird, sondern das Langlebigkeitsrisiko gedeckt wird, ergeben sich auch Unterschiede beim Risikobeitrag. Es wird nicht, wie für die Versicherung auf den Todesfall, ein Risikobeitrag für zusätzliche Leistungen im Todesfall im Beitrag berücksichtigt. Vielmehr werden die zusätzlichen Leistungen für besonders lange lebende Leibrentner aus den eingesparten Renten vorzeitig Sterbender finanziert, deren nicht für Rentenzahlungen benötigten Beitragsteile werden also an die Überlebenden vererbt. Daher brauchen Leibrentner nicht ihre ganzen Rentenzahlungen selbst zu finanzieren. Bei langem Leben erhalten die Leibrentner damit wesentlich mehr zurück, als sie jemals eingezahlt haben. Hingegen erhalten diejenigen, die zu früh sterben, deutlich weniger als eingezahlt. Zweck der Rentenversicherung ist es nicht, Hinterbliebenen etwas zukommen zu lassen, sondern den Lebensunterhalt des Leibrentners während dessen restlichen Lebens so hoch wie möglich zu sichern.

In der traditionellen Versicherungsmathematik wird der Beitrag so bestimmt, dass er kalkulatorisch, genau den nach den Annahmen erwarteten zukünftigen Verpflichtungen entspricht (Äquivalenzprinzip). Dabei müssen die Eintrittswahrscheinlichkeit der Rentenzahlung, also die Wahrscheinlichkeit, dass die versicherte Person den Zeitpunkt erlebt, und die Verzinsung bzw. Abzinsung berücksichtigt werden. Da die Erlebenswahrscheinlichkeit und die Abzinsungsfaktoren sinken, je weiter der Zeitpunkt in der Zukunft liegt, lassen sich für relativ geringe Einzahlungen eine relativ hohe Rente im Erlebensfall sichern. Darin gründet die große Bedeutung der Rentenversicherung für die Altersvorsorge.

Jeder Arbeitgeber muss seinen Arbeitnehmern im Rahmen einer Direktzusage eine betriebliche Altersrente gewähren. Diese muss der Arbeitgeber intern selbst finanzieren. Grundsätzlich sind diese Verpflichtungen, die eine erhebliche Höhe erreichen können, nach mathematischen Verfahren zu bewerten und in der Bilanz als Pensionsrückstellungen auszuweisen; entsprechend erhöhen sich die kalkulatorischen Personalkosten. In diesem Fall trägt der Arbeitgeber das Risiko, dass Sterbewahrscheinlichkeit und Zinsen sich anders als erwartet entwickeln.

Alternativ kann der Arbeitgeber über verschiedene Träger im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung Rentenversicherungen für seine Arbeitnehmer organisieren. Siehe hierzu Pensionskasse, Pensionsfonds, Direktversicherung, Unterstützungskasse.

Aufgrund der Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes darf der bei der Beitragsberechnung verwendete Zinssatz nicht höher sein, als dauerhaft zu erwirtschaften ist. Der Versicherer muss in der Lage sein, die gesetzlich geforderte Deckungsrückstellung zu bilden.

Sterbetafeln ist zu entnehmen, dass seit langer Zeit die Lebenserwartung der Bevölkerung ständig steigt, mit der Folge, dass Leibrenten immer länger gezahlt werden müssen. Daher bleibt von den Sicherheitszuschlägen in den Beiträgen, die - soweit sie nicht benötigt werden - den Versicherungsnehmern in Form der Überschussbeteiligung wieder zurückgegeben werden, weniger übrig, als ursprünglich zu erwarten war. Damit sind auch die Rentensteigerungen aus der Überschussbeteiligung geringer, als vielleicht erhofft wurde, oder sie entfallen zur Gänze. Sollte die Lebenserwartung so sehr weiter steigen und damit auch die an die Leibrentner gezahlten Renten, dass ein Versicherer dies nicht mehr aus den Beiträgen trotz aller Sicherheitszuschläge finanzieren kann, dürfen im Notfall auch die Rentenbeträge gesenkt werden, um einen Konkurs des Versicherers und damit einen Verlust der Altersversorgung aller Leibrentner zu vermeiden. Insgesamt bekommen die Leibrentner durch die längere Rentenzahlung aber mehr ausgezahlt, als erwartet, auch wenn sich die einzelnen Rentenbeträge mindern.

Daher müssen Versicherer regelmäßig überprüfen, ob die von ihnen zur Vorsorge gehaltenen Deckungsrückstellungen noch ausreichend sind. Soweit dies bei vorsichtiger Beurteilung der zukünftigen Lebenserwartung auf der Grundlage der beobachteten aktuellen Entwicklung nicht mehr genügend gesichert ist, müssen die Versicherer ihre Rückstellungen entsprechend erhöhen. Hierzu werden meist, neben einer Belastung der Eigentümer des Versicherers, auch die Überschüsse gemindert, die sonst laufend den Versicherungsnehmern ausgeschüttet würden.

Eine Reihe von Themen im Zusammenhang mit Rentenversicherungen stehen immer wieder in der Diskussion:

  • Nachreservierung in bestehenden Verträgen: Die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt ständig. In bestehenden Verträgen wurde dieser Effekt in der Vergangenheit nicht ausreichend berücksichtigt. Durch Nachreservierungen bilden die Versicherer zusätzliche Deckungsmittel. Dadurch fallen die laufenden jährlichen Steigerungen aus der Überschussbeteiligung geringer aus.[1]
  • Unrealistische Annahmen in der Lebenserwartung: Das Langlebigkeitsrisiko wird von den Versicherern zwischenzeitlich sehr vorsichtig kalkuliert. Die aktuelle Rententafel DAV 2004R geht z.B. bei einem heute neu geborenen Mädchen von einer Lebenserwartung von 103 Jahren aus. Dadurch sinken die Rentenversprechungen über Gebühr.[2]
  • Unisex-Tarif: Unter Bezugnahme auf die EU-Gleichstellungsrichtlinie aus dem Jahr 2004 entschied der EuGH am 1. März 2011 (AZ: C-236/09) Unisex-Tarife für alle neuen Versicherungsverträge ab dem 21. Dezember 2012 verpflichtend zu machen. Die Rentenleistungen für Männer sinken dadurch zusätzlich.[3]

Die Rentenversicherung ist eine spezielle Form der Lebensversicherung.Weitere kritische Punkte zu Transparenz, Abschlusskosten und Provision sind im Artikel Lebensversicherung beschrieben.

  • Pension
  • Altersvorsorge
  • Lebensversicherung
  • Gesetzliche Rentenversicherung
  • Tontine
  1. Analyse und Absicherung der Risiken im Lebensversicherungsgeschäft von Nicole Bowe,Thorsten Keil,Wolfgang Schanz 17. Mai 2012
  2. Verbraucherzentrale Bremen: Sterbetafeln je nach Bedarf 17. Mai 2012.
  3. Unisex2012.de – bei der Altersvorsorge mehr erzielen 6. April 2012.
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Gesetzliche Rentenversicherung (Deutschland)

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Die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) in Deutschland ist ein Zweig des gegliederten Sozialversicherungssystems, der vorwiegend der Alterssicherung von Arbeitnehmern dient. Daneben unterliegen weitere Personen der Versicherungspflicht; auch eine freiwillige Versicherung ist möglich. Neben der Altersrente werden Renten bei verminderter Erwerbsfähigkeit sowie Leistungen zur Rehabilitation erbracht.

Die gesetzliche Rentenversicherung wird im Wesentlichen durch ein Umlageverfahren finanziert. Die jeweiligen Beitragszahler bringen damit die Renten der aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedenen auf und erwerben selbst einen Anspruch auf ihre eigene Rente (Generationenvertrag). Außerdem gibt es erhebliche Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt.

Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland ist die Deutschen Rentenversicherung. Rechtsgrundlage ist das Sechste Buch (SGB VI) des Sozialgesetzbuchs.

SGB VI in der Ausgabe der Deutschen Rentenversicherung

Inhaltsverzeichnis

Die versicherten Risiken der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sind das Alter (Altersrente), die verminderte Erwerbsfähigkeit und der Tod (Hinterbliebenenrente).

Darüber hinaus erbringen die Träger der GRV auch Leistungen im Rahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation zur Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Erwerbsfähigkeit und zur Teilhabe am Arbeitsleben. Diese Leistungen sind nicht versicherungsfremd, denn sie dienen der Abwendung der versicherten Risiken. Deshalb gilt vor Erreichen des Renteneintrittsalters von Altersrenten der Grundsatz „Reha vor Rente“, d. h. vor Zahlung einer Rente wird versucht, die Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen. Erst wenn dies tatsächlich nicht möglich ist, entsteht ein Rentenanspruch.

Grundlage der Leistungsberechnung sind die im persönlichen Versicherungsverlauf des Versicherten enthaltenen rentenrechtlichen Zeiten, die im Verfahren zur Kontenklärung abschließend durch rechtsbehelfsfähigen Feststellungsbescheid nach § 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch -Gesetzliche Rentenversicherung- (SGB VI) verbindlich festgestellt worden sind sowie danach vorgenommene Ergänzungen und in das Versicherungskonto durch Datenübermittlung eingelaufene rentenrechtliche Zeiten.

Erläuterungen zu den Begriffen Versicherungsverlauf[1], Renteninformation[2], Rentenauskunft[3] und Feststellungsbescheid[4] finden Sie weiter unten in diesem Artikel.

Die verschiedenen Renten auf Grund eines dieser Risikofälle sind:

  • Versichertenrenten
    • Altersrenten,
    • Erwerbsminderungsrenten
    • Erziehungsrenten und
  • Hinterbliebenenrenten.

Dafür sind

  • persönliche Voraussetzungen (z. B. Erwerbsminderung, Lebensalter, Tod) und
  • versicherungsrechtliche Voraussetzungen (z. B. spezifische Wartezeiten) zu erfüllen.

Hauptartikel: Regelaltersgrenze

Wer Altersrente bei Erreichen der Regelaltersgrenze beantragt, erhält nach geltender Rechtslage eine Rente ohne Zu- oder Abschläge (siehe Rentenformel). Jeder spätere Rentenbeginn erhöht die Rente, jeder frühere Rentenbeginn mindert sie (Ausnahme: Rente für Schwerbehinderte). Die Höhe der Regelaltersgrenze wurde mit Gesetz von 2007 verändert.

Wird neben dem Bezug der Regelaltersrente eine Beschäftigung ausgeübt, sind gemäß § 5 Abs. 4 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Bezieher in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei. Dem Beschäftigten werden keine Beiträge mehr einbehalten, hingegen muss der Arbeitgeber nach § 172 Abs. 1 weiterhin den Beitragsanteil abführen, der zu zahlen wäre, wenn der beschäftigte Vollrentenbezieher versicherungspflichtig wäre. Dieser Beitrag hat jedoch keine Auswirkungen mehr auf die Rentenansprüche des Rentners. Dem Arbeitgeber soll dadurch der Anreiz genommen werden, versicherungsfreie Personen zu beschäftigen. Ein Pauschalbeitrag von 15 % des vollen Beitragsanteils ist nach § 172 Abs. 3 SGB VI vom Arbeitgeber bei einer geringfügigen Beschäftigung zu zahlen, die gemäß § 5 Abs. 4 SGB VI rentenversicherungsfrei ist.

Statt in einem bestimmten Alter von heute auf morgen mit der bezahlten Berufstätigkeit aufzuhören und sein Leben völlig umzustellen, wird von manchen Beschäftigten angestrebt, die Erwerbstätigkeit allmählich zu reduzieren. Umsetzungsmöglichkeiten dafür bietet das Altersteilzeitgesetz. Dies entstand vor allem als ein Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen bzw. der Umsetzung von Personaleinsparungen durch Betriebe. Es handelt sich dabei also eigentlich nicht um Frührente, weil die Höhe der Altersrente durch Verträge oft konstant gehalten wird. Aber auch Rentenabschläge sind bei diesen Vereinbarungen sehr häufig.

Etwa 17 % aller Rentner beginnen das Rentnerdasein mit einer Erwerbsminderungsrente, 90 % von ihnen wegen voller Erwerbsminderung.

Die frühere vergleichbare Regelung hieß bis 2000 „Erwerbsunfähigkeitsrente“ (Verminderte Erwerbsfähigkeit). Allerdings tritt jetzt (teilweise) Erwerbsminderung erst ein, wenn das Leistungsvermögen für alle Tätigkeiten auf weniger als sechs Stunden pro Tag herab gesunken ist. Die volle Erwerbsminderungsrente tritt bei der teilweisen Erwerbsminderungsrente auch dann ein, wenn der Erwerbsgeminderte als nicht mehr vermittelbar gilt. Dies ist der Fall, wenn dieser nicht nach 6 Monaten vermittelt werden konnte. Die Höhe ist von den früher gezahlten Beiträgen abhängig, aber bis zu 10,8 % geringer als die Altersrente.

2007 zeigte eine Studie, dass Gutachter einen konstruierten Testfall völlig unterschiedlich bewerteten.[5]

2010 bearbeitete die Deutsche Rentenversicherung 361.963 Anträge auf Erwerbsminderungsrente. Etwa die Hälfte wurde bewilligt, die andere Hälfte abgelehnt, davon 114.000 aus medizinischen Gründen.

Erwerbsunfähig war der Versicherte, der infolge einer Krankheit oder anderer Gebrechen oder aufgrund einer Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte irgendeine Erwerbstätigkeit nur unregelmäßig ausüben oder Erwerbstätigkeit zwar in gewisser Regelmäßigkeit ausüben, aber aus ihr nur geringfügiges Einkommen erzielen konnte (siehe § 44 SGB VI – alt). Eine EU-Rente, die von weiteren bestimmten rechtlichen Voraussetzungen abhängig war – konnte höchstens bis zum 65. Lebensjahr bezogen werden. Danach trat die Altersrente ein. Seit 2001 ist sie abgelöst durch die etwas anders geregelte Erwerbsminderungsrente (siehe oben). Es gibt jedoch immer noch zahlreiche Fälle, bei denen das bis zum 31. Dezember 2000 geltende Recht angewendet wird.

Als rein rechtlicher Begriff wird definiert: Berufsunfähig ist der Versicherte, der einen ihm zumutbaren Beruf nicht mehr ausüben kann und dessen Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder andere Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte der Erwerbsfähigkeit (bis 2000, jetzt: weniger als sechs Stunden am Tag) eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (bis 2000 BU-Rente nach § 43 SGB VI alt). Dabei ist jedoch zu beachten, dass nicht jede Berufsausübung einen sog. Berufsschutz zur Folge hat. Es muss vielmehr ein ausgeübter Fachberuf sein und es darf auch keine Verweisbarkeit im Rahmen des Stufenschemas vorliegen. So liegt bei einer ungelernten bzw. angelernten Tätigkeit niemals eine Berufsunfähigkeit vor, da der Versicherte immer auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist. Da die Erwerbsunfähigkeit eine Berufsunfähigkeit immer beinhaltete, konnte bei einer Selbständigkeit bis 2000 auch ohne Berufsschutz eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gezahlt werden.

Nur für Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, zahlt die Gesetzliche Rentenversicherung eine Berufsunfähigkeitsrente. Diese heißt Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und beträgt 50 % der vollen Erwerbsminderungsrente (§ 240 Absatz 2 SGB VI).

Hauptartikel: Rente wegen Todes

Witwen oder Witwer haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf eine Witwenrente bzw. Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Die bis 1984 geltende Schlechterstellung von Witwern gegenüber Witwen bei der Hinterbliebenenrente ist entfallen. Seit 1. Januar 2005 ist die eingetragene Lebenspartnerschaft rentenrechtlich der Ehe gleichgestellt.

Bei Wiederheirat entfällt der Anspruch auf die Witwen/Witwerrente. Wird die neue Ehe geschieden, verstirbt der neue Ehepartner oder wird die Ehe für nichtig erklärt, besteht unter den sonstigen Voraussetzungen wieder Anspruch auf die vorherige Rente (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Als "Altfall" gilt, wenn ein Ehegatte vor dem 1. Januar 2002 verstorben ist oder wenn mindestens ein Ehegatte vor dem 2. Januar 1962 geboren ist und die Ehe vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde. Ansonsten liegt ein Neufall vor. Diese Regelung besteht seit 2007.

Der hinterbliebene Partner erhält für längstens 24 Monate die so genannte kleine Witwen/Witwerrente. Die Beschränkung auf 24 Monate gilt bei Altfällen nicht.

Erfüllt der Hinterbliebene eine der nachfolgenden Voraussetzungen, besteht Anspruch auf die große Witwen/Witwerrente:

  • mindestens 45 Jahre alt oder
  • voll oder teilweise erwerbsgemindert oder
  • Erziehung eines eigenen Kindes oder eines Kindes des versicherten Ehegatten, das noch keine 18 Jahre alt ist.

Die Altersgrenze von 45 Jahren für die große Witwenrente oder große Witwerrente wird, wenn der Versicherte nach dem 31. Dezember 2011 verstorben ist, schrittweise bis 2029 auf 47 Jahre angehoben. Im Einzelnen siehe § 242a Abs. 5 SGB VI.

Bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist, betragen die kleine und die große Witwen-/Witwerrente 100 % (so genanntes Sterbevierteljahr).

Die kleine Witwen-/Witwerrente beträgt 25 % der gezahlten oder berechneten Rente wegen voller Erwerbsminderung des verstorbenen Versicherten in der Rentenanwartschaftsphase bzw. der zum Todeszeitpunkt gezahlten Altersrente in der Rentenphase. Die große Witwen-/Witwerrente beträgt 55 %, bei Altfällen 60 %.

Hat der verstorbene Ehepartner vor seinem Tod schon eine Rente bezogen, kann der Hinterbliebene innerhalb von 30 Tagen nach dem Tod bei der Deutschen Post AG einen Vorschuss auf die Witwen- oder Witwerrente beantragen. Unabhängig davon ist beim zuständigen Rentenversicherer für die Witwen-/Witwerrente innerhalb von drei Monaten nach dem Sterbemonat ein formeller Rentenantrag zu stellen.[6]

Auf die Witwen/Witwerrente wird das um einen Kürzungsbetrag gekürzte eigene Einkommen, soweit es einen Freibetrag übersteigt, zu 40 % des übersteigenden Betrages angerechnet. Im Sterbevierteljahr wird noch kein Einkommen angerechnet.

Bei "Altfällen" wird Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen berücksichtigt, bei Neufällen zusätzlich auch Vermögenseinkommen und Elterngeld.

Der Kürzungsbetrag ist ein je nach Einkommensart unterschiedlich hoher Betrag in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes von dem Einkommen. Durch die Kürzung wird berücksichtigt, dass der Hinterbliebene von seinem Einkommen Steuern und Sozialabgaben zu zahlen hat, ihm also tatsächlich nicht das volle Einkommen zur Verfügung steht.

Der Freibetrag errechnet sich aus dem 26,4-fachen des aktuellen Rentenwertes (seit 1. Juli 2011: 27,47 €*26,4 = 725,21 € (West) bzw. 24,37 €*26,4 = 643,37 € (Ost)) und erhöht sich für jedes minderjährige Kind um den 5,6-fachen aktuellen Rentenwert.

Ein Berechnungsbeispiel befindet findet sich im Artikel Rente wegen Todes.

Hauptartikel: Waisenrente

Halbwaisen erhalten 10 %, Vollwaisen erhalten 20 % der auf den Todestag des Versicherten berechneten Rente wegen voller Erwerbsminderung zuzüglich eines Zuschlages nach § 78 SGB VI. Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres werden auf die Waisenrente eigene Einkünfte nicht angerechnet.

Darüber hinaus wird bis zum 27. Geburtstag in Zeiten der Schul-, Fachschul-, Hochschul- oder Berufsausbildung Rente gezahlt, ebenso bei einer Erwerbsminderung der Waise. Eigenes Einkommen wird angerechnet. Während des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes ruht die Rente und der Anspruch verlängert sich entsprechend über das 27. Lebensjahr hinaus. Als Waisen können auch Adoptivkinder, Pflegekinder, Enkelkinder oder Geschwister anerkannt werden, wenn sie in häuslicher Gemeinschaft mit der/dem Verstorbenen gelebt haben und von ihr/ihm unterhalten wurden.

Hauptartikel: Regelaltersrente

Die Rentenhöhe ist vor allem an die im Laufe des Lebens einbezahlten Beiträge gebunden. Dafür erhält der Beitragszahler Entgeltpunkte gutgeschrieben. Kindererziehungszeiten werden wie Pflichtbeitragszeiten eines Durchschnittsverdieners bewertet. Für jedes vor dem 1. Januar 1992 geborene Kind werden zwölf Monate und jedes nach dem 31. Dezember 1991 geborene Kind 36 Monate ab der Geburt als Pflichtbeitragszeit für die erziehende Mutter oder den Vater anerkannt. Für beitragsfreie Zeiten sowie für beitragsgeminderte Zeiten (z. B. nachgewiesene Zeiten einer beruflichen Ausbildung) werden noch Zuschläge gezahlt. Die Höhe dieser Zuschläge wird über die so genannte Gesamtleistungsbewertung errechnet.

Die Rente wird nach der Rentenformel berechnet, indem der aktuelle Rentenwert mit den Entgeltpunkten, dem Zugangsfaktor und dem Rentenartfaktor multipliziert wird. Dies ist so in § 64 SGB VI normiert.

Die Höchstrente, das heißt die höchste denkbar zu erreichende Rente, ergibt sich implizit aus dem gesetzlich festgeschriebenen Maximalwert der jährlich zu erwerbenden Entgeltpunkte und der maximal möglichen Einzahlungsdauer. Derzeit liegt die Höchstrente bei 2200,- Euro brutto. Da jedoch kaum jemand sein Arbeitsleben frühestmöglich und gleichzeitig mit dem höchstmöglichen Einzahlungsbetrag beginnt, ist diese Höchstrente als Wert nur von theoretischem Interesse.

Relevanter als Orientierung für das allgemeine Rentenniveau ist der so genannte Eckrentner, eine fiktive Person, die 45 Jahre lang aus einem Durchschnittseinkommen Beiträge bezahlt, mit 65 Jahren[7] in Rente geht bzw. gegangen ist und somit Anspruch auf den Erhalt einer Eckrente erworben hat. Nicht verwechselt werden darf die Eckrente mit der Durchschnittsrente, welche von der Eckrente abweichen kann und abweicht.

Besonderheiten bestehen in der Knappschaftsversicherung (Rentenversicherung der Bergleute).

Ein ständiger Aufenthalt im Ausland (Wohnsitz) kann massive Änderungen im Rentenanspruch mit sich bringen; hierzu wurden auch Versicherungslastregelungen zwischen Staaten getroffen.

Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund kann man eine CD-ROM mit dem Titel „Rentenberechnung leicht gemacht“ bestellen.

Mit dem Wort Frührente werden (juristisch ungenau) alle Formen des vorgezogenen Überganges in die Erwerbslosigkeit bezeichnet, die zu einer Rentenzahlung durch die GRV führen, z. B. Erwerbsminderungsrente oder vorgezogene Altersrente nach Arbeitslosengeldbezug. („Vorruhestand“ bezeichnet den analogen Fall bei Beamten mit vorgezogenem Beginn der Ruhestandsbezüge).

Grob lässt sich sagen, dass pro Monat des vorzeitigen Beginns der Rente vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter die Rente lebenslang um 0,3 % gemindert wird. Für eine um ein Jahr früher beginnende Rente sinkt also z. B. der sonst zustehende monatliche Rentenbetrag um 3,6 Prozent (vergleiche Rentenberechnung unten oder bei Rentenformel, bei Erwerbsminderungsrenten allerdings maximal um 10,8 Prozent). Der Abschlag erfolgt von dem Rentenwert, der sich zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente ergibt, nicht von dem hochgerechneten Altersrentenwert.[8] Die vorgezogene Rente ist im Vergleich zur Regelaltersrente durch zwei Einflüsse geringer: Einmal durch den früheren Rentenbeginn, weil keine Beitragszahlungen mehr erfolgt sind, und dann nochmals durch den Abschlag auf diesen bereits niedrigeren Rentenwert. Dieser Rentenabschlag versucht, die kürzere Beitragszahl-Phase im Erwerbsleben und die erwartete längere Bezugsdauer der Rente zu berücksichtigen.

Seit Jahrzehnten ist das Renteneintrittsalter vieler Menschen deutlich niedriger als die jeweils geltende gesetzliche Altersgrenze.

Seit 2002 verschicken die Rentenversicherungsträger bereits einige Jahre vor dem voraussichtlichen Rentenbeginn aktuelle Renteninformationen nach § 109 Sozialgesetzbuch -Gesetzliche Rentenversicherung- (SGB VI) an die Versicherten. Die Renteninformation gibt den Versicherten Auskunft über die aktuellen Rentenansprüche. Dabei wird unterschieden zwischen einem vorgezogenen Beginn bei voller Erwerbsminderung und der Höhe der künftigen regulären Altersrente, wenn die aktuellen Bedingungen sich nicht verändern würden, d. h. also ohne Änderungen durch Gesetze oder Lohnänderungen. Generell wird dabei auf die Versorgungslücke hingewiesen: den aktuellen Nettolohn und der zu erwartenden niedrigeren Rente und des Kaufkraftvelustes durch die auch künftig zu erwartende Inflation.

Nach einer Einführungszeit sollen alle Versicherten jährlich eine Renteninformation erhalten, die das 27. Lebensjahr vollendet und mindestens für 5 Jahre (60 Kalendermonate) Beitragszeiten zurückgelegt haben.

Nach Vollendung des 55. Lebensjahres wird die Renteninformation alle drei Jahre durch eine ausführliche Rentenauskunft ersetzt, aus der auch der Rentenbeginn für die verschiedenen Rentenarten, mit und ohne Abschläge für frühzeitigere Inanspruchnahme der Altersrenten, zu entnehmen ist.

Der Versicherungsverlauf ist ein vom Versicherungsträger erstellter Nachweis über die auf dem Versicherungskonto eines Versicherten gespeicherten Daten über seine rentenrechtlichen Zeiten. Zur Kontenklärung wird der „aktuelle“ Versicherungsverlauf als Aufstellung an den Versicherten übersandt. Daraus kann entnommen werden, ob alle rentenrechtlichen Zeiten bei der Deutschen Rentenversicherung bekannt sind. Dem Versicherungsverlauf sind die üblicherweise erforderlichen Vordrucke und/oder ein vorbereiteter Antwortbogen beigefügt. Fehlende rentenrechtliche Zeiten können nach Eingang der Antwort des Versicherten von den Leistungsträgern ergänzt oder unrichtig festgestellte Sachverhalte berichtigt werden. Das Verfahren ist in § 149 Sozialgesetzbuch -Gesetzliche Rentenversicherung- (SGB VI) gesetzlich geregelt.

Abschließend wird ein rechtsbehelfsfähiger Bescheid (Feststellungsbescheid) erteilt, womit der Versicherungsverlauf seitens des Versicherungsträgers verbindlich festgestellt wird. Das Versicherungskonto gilt danach hinsichtlich der darin enthaltenen und nicht bereits früher festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, als geklärt. Ergänzungen und Berichtigungen auf Antrag des Versicherten sind jedoch weiterhin möglich. Sie sind durch Zeitablauf und später hinzukommende Daten ggf. auch erforderlich.

Hauptartikel: Rentenbesteuerung

Steuerlich war bis 2004 die gesetzliche Rente nur mit dem so genannten Ertragsanteil als Einkünfte zu berücksichtigen. Dieser Ertragsanteil entspricht einer fiktiven Verzinsung der im früheren Erwerbsleben entrichteten Beiträge. Je früher der Versicherte in Rente ging, desto geringer war einerseits die absolute Rentenhöhe und desto höher war der zu versteuernde Ertragsanteil an der monatlichen Altersrente. Beispiel: Bei Rentenbeginn mit 65 Jahren galt ein Ertragsanteil von 27 %. Da auch bei einer sehr hohen Rente dadurch die Grundfreibeträge nicht erreicht wurden, mussten nur beim Zusammentreffen mit weiteren steuerpflichtigen Einkünften Steuern gezahlt werden.

Aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes, welches die künftige steuerliche Gleichbehandlung von Pensionen und Renten verlangt, wurde ab 2005 die Rentenbesteuerung auf eine neue Basis gestellt. Für die aktuellen Rentenbezieher („Bestandsrentner“) beträgt ab 2005 der steuerpflichtige Anteil 50 %. Für jeden neuen Rentnerjahrgang wird in den kommenden Jahrzehnten sukzessive der zu versteuernde Anteil an der Rente wachsen, im Gegenzug für die Beitragszahler ein immer höherer Prozentsatz ihrer Beiträge steuerlich absetzbar sein. Ab 2040 sollen – ähnlich wie bei Pensionen – Renten zu 100 % versteuert werden und Beiträge steuerfrei sein.

Aufgrund des Nachhaltigkeitsfaktors in der GRV und der damit verbundenen, um ca. 14 % sinkenden Renten, ist allerdings in Zukunft zu erwarten, dass die Renten aufgrund der niedrigen Höhe den Grundfreibetrag kaum überschreiten und somit ohne zusätzliches Einkommen keine oder nur eine geringe Steuer fällig wird.

Grundsätzlich wird die Rentenversicherung durch Beiträge finanziert, die bei versicherungspflichtigen Beschäftigten je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden (Ausnahmen: in der Knappschaftsversicherung trägt der Arbeitgeber die Differenz zwischen dem Anteil des Arbeitnehmers zum allgemeinen Beitragssatz und dem Gesamtbetrag zum knappschaftlichen Beitragssatz). Der Beitrag wird durch die zuständige gesetzliche Krankenkasse (Einzugsstelle des Sozialversicherungsbeitrags) erhoben und an den zuständigen Rentenversicherungsträger gezahlt. Freiwillig Versicherte und versicherungspflichtige Selbständige tragen den vollen Beitrag allein; Besonderheiten gibt es in der Künstlersozialversicherung und für geringfügig Beschäftigte (siehe Minijob).

Der Rentenversicherungsbeitrag wird nach einem Prozentsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen erhoben, die bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. Der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung beträgt ab dem 1. Januar 2012 19,6 Prozent. Vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2011 lag er bei 19,9 Prozent. In der knappschaftlichen Rentenversicherung beträgt der ab dem 1. Januar 2012 gültige Beitragssatz 26,0 Prozent, bis Ende 2011 26,6 Prozent.[9]

Die Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung für 2012 liegt in den alten Bundesländern bei 5.600 Euro pro Monat bzw. 67.200 Euro pro Jahr, in den neuen Bundesländern bei 4.800 Euro pro Monat bzw. 57.600 Euro pro Jahr. In der knappschaftlichen Rentenversicherung liegt sie im Westen bei 6.900 Euro pro Monat bzw. 82.800 Euro pro Jahr und im Osten bei 5.900 Euro pro Monat bzw. 70.800 Euro pro Jahr.

Zuschüsse des Bundes zur allgemeinen GRV [10]
Jahr Gesamt Allgemein Zusätzlich
in Millionen Euro
2006 54.909 37.446 17.463
2007 55.944 38.080 17.864
2008 56.431 38.240 18.191
2009 57.333 38.653 18.680
2010 58.980 39.885 19.096

Neben den Einzahlungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird das System in erheblichem Umfang durch Bundeszuschüsse, also aus Steuermitteln, getragen. Neben dem regulären Bundeszuschuss wird seit 1998 ein zusätzlicher Bundeszuschuss als Pauschale für nicht beitragsgedeckte Leistungen geleistet, der durch Mehrwertsteuererhöhungen refinanziert wird. Seit 1999 wird dieser Zuschuss durch einen Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Zuschuss ergänzt, der am Anfang aus Mitteln nach dem Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform gespeist wurde. Darüber hinaus fallen Erstattungen für zweckgebundene durchlaufende Posten in jenen Fällen an, in denen die GRV für den Bund Leistungen (z. B. für Kindererziehungszeiten ab 1992, Rentenzuschläge und Leistungen nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) - Überleitungsgesetz für DDR-Renten -, Knappschaftsrenten etc.) erbringt. Während der allgemeine Bundeszuschuss wegen der Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben durch die GRV einer allgemeinen Entlastungs- und Ausgleichsfunktion sowie Sicherungsfunktion dient, erfolgt die Zahlung des zusätzlichen Zuschusses ausdrücklich zur Abdeckung nicht beitragsgedeckter Leistungen und Senkung von Lohnzusatzkosten. So betrugen z. B. im Jahr 2010 die vom Bund zur allgemeinen GRV aufgebrachten Mittel (ohne durchlaufende Posten) 58.980 Mrd. Daneben fielen 2010 weitere Zuschüsse für Kindererziehungszeiten in Höhe von 11.637 Mrd €, Erstattung einigungsbedingter Leistungen in Höhe von 0,317 Mrd €, Erstattung für das AAÜG in Höhe von 4.327 Mrd € sowie für den Zuschuss für die Knappschaft in Höhe von 5.906 Mrd € an. Damit machten im Jahre 2010 die summierten Bundesmittel 81.167 Mrd € aus.

Die Belastung des Bundeshaushaltes führt immer wieder zu Forderungen nach Absenkung der Zuschüsse und reale Kürzungen aller Renten der GRV über das Sozial- und Steuersystem. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat wegen des hohen Steueranteils sogar eine Art steuerlicher Gleichbehandlung von Renten der GRV mit Altersbezügen des Öffentlichen Dienstes gesehen. Diesen Argumentationen der übermäßigen steuerlichen Begünstigung der gesetzlichen Renten wird entgegengehalten, dass das Verfassungsgericht die Haushaltslage der GRV mit den individuellen Ansprüchen der Beitragszahler verwechselt hat und dass der Gesetzgeber eine Fülle von Leistungen beschlossen hat, die durch die Bundeszuschüsse nicht voll gedeckt seien. Außerdem würden diese nicht beitragsgedeckten Leistungen in sehr vielen Fällen solchen Empfängern zu gute kommen, die im versicherungstechnischen Sinne nicht zu der Risikogemeinschaft jener die Rentenversicherung tragenden Versichertengemeinschaft gehören. Der überwiegende Teil der Rentner habe durch regelmäßige Beitragsleistungen die eignen Rentenbezüge selbst finanziert und trage trotz der Zuschüsse sogar Lasten allgemein sozialpolitischer Art, die eigentlich aus dem Staatshaushalt finanziert werden müssten.

Die versicherungsfremden Lasten in der GRV, die aus dem Bundeszuschuss zum Teil abgedeckt werden, d. h. ohne dass die Rentner dafür versicherungstechnisch äquivalente Beiträge gezahlt haben, setzen sich zum Beispiel zusammen aus folgenden Positionen:

  • Familienausgleich (Kinderzeiten für vor 1921 geborenen Frauen, Waisenrenten)
  • Berücksichtigungszeiten, Kindererziehungszeiten, Zuschläge zur Witwenrente bei Müttern
  • Renten wegen Todes (außer Splittingrenten)
  • Renten für Ersatzzeiten (Kriegsdienst, Gefangenschaft etc.)
  • Integration von Vertriebenen und Aussiedlern
  • Transfere in die neuen Bundesländer
  • Beteiligung an Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Renten wegen Arbeitsmarktlage
  • Vorgezogene Renten (z. B. Altersteilzeit)
  • Mindestrenten
  • Anerkennung für Ausbildungszeiten, Höherbewertung der ersten 3 Versicherungsjahre
  • Ansprüche Behinderter in geschützten Einrichtungen
  • Krankenversicherung der Rentner (KVdR), (die Pflegeversicherung der Rentner (PVdR) tragen die Rentner selbst)
  • Zusatzabkommen mit USA, Israel, Kanada
  • Rentenanteile, soweit sie in der Höhe des Barwertes der Rente bezogen auf die Lebenserwartung von der durchschnittlichen Lebenserwartung einer Mannesrente ab 65. Lj. bzw. 67. Lj. abweichen
  • Durchlaufende Posten, bei denen die GRV nur als Verwalter tätig ist (z. B. Knappschaftzuschüsse, DDR-Zusatzversorgung)

Neben diesen über den allgemeinen Haushalt zu finanzierenden Posten hat der Bund im Rahmen seiner Finanzverantwortung außerdem Bundesmittel bereitzustellen für:

  • Demografische Last
  • Organisations- und Gestaltungshoheit durch den Bund
  • Mitfinanzierung anderer Sozialsysteme durch die GRV (z. B. Reha, Berufsförderung etc.)
  • Anteilige Verwaltungskosten für fremde Leistungen

Geht man für die Zweckbestimmung der GRV davon aus, dass sie die Versorgung ihrer Versicherten im Alter und bei Invalidität sicherstellen soll, dann zeigt sich deutlich, dass die nicht beitragsgedeckten Leistungen bei begünstigten Renten einen allgemeinen sozialpolitischen Hintergrund haben. Mit der Versichertengemeinschaft der beitragszahlenden Arbeitnehmer in der GRV haben sie nur im Rahmen allgemeiner staatlicher Fürsorge, die alle Bürger betrifft, zu tun. Leistungen staatlicher Fürsorge sind nach allgemeiner Auffassung jedoch aus dem Staatshaushalt zu finanzieren.

Die Rentner in den neuen Bundesländern hierbei pauschal als Subventionsempfänger aufzuführen, weil deren Bewohner „in die westdeutsche GRV niemals eingezahlt haben“, scheint einigen Quellen nicht gerechtfertigt, weil damit der Eindruck erweckt wird, als müssten die westdeutschen Beitragszahler oder die Bundeskasse alle dortigen Renten finanzieren. Weil es sich um eine Umlagefinanzierung handelt, begannen am Tage der Wiedervereinigung die Beitragszahlung der dortigen Pflichtversicherten und die Zahlung der dortigen Renten. Durch den Einbruch bei den Beiträgen durch die Arbeitslosigkeit, letzteres jedoch in stärkerem Maße als in den alten Bundesländern ist tatsächlich ein größerer Zuschuss aus Steuermitteln erforderlich, der jedoch genau so zu bewerten ist wie andere Wiedervereinigungskosten.

Die Finanzierung der Rentenversicherung erfolgt im Umlageverfahren. Laufende Beiträge, verwaltet von den Trägern der Deutschen Rentenversicherung (früher: BfA, Landesversicherungsanstalten, Bahnversicherungsanstalt, Bundesknappschaft und Seekasse) werden unmittelbar als Renten ausbezahlt. Um die jederzeitige Zahlungsfähigkeit sicherzustellen, gibt es die so genannte Nachhaltigkeitsrücklage. Sie setzt sich aus überschüssigen Betriebsmitteln und angesammelten Rücklagen zusammen.

Einmal jährlich beschließt das Bundeskabinett aufgrund der Einkommensentwicklung der Vorjahre diverse Rechengrößen der Sozialversicherung für das Folgejahr. Diese Festsetzungen erscheinen in einer Rechtsverordnung, die jeweils der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Für die gesetzliche Rentenversicherung sind die Bezugsgröße und die Beitragsbemessungsgrenze von Bedeutung:

  • Die Bezugsgröße entspricht dem Durchschnittsentgelt der Pflichtversicherten des vorvergangenen Kalenderjahres, aufgerundet auf den nächsten durch 420 teilbaren Betrag. Sie ist z. B. von Bedeutung für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder, für die Beitragsberechnung von versicherungspflichtigen Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung und für die Bewertung von bestimmten Zeiten, die bei einigen Rentenberechnungen an diesen Betrag geknüpft sind.
Für 2012 beträgt sie
31.500 € (2.625 € monatlich) in den westlichen Bundesländern,
26.880 € (2.240 € monatlich) in den östlichen Bundesländern.
  • Die Beitragsbemessungsgrenze legt fest, bis zu welchem Einkommen Beiträge für die Rentenversicherung zu entrichten sind, wobei für die allgemeine und die knappschaftliche Rentenversicherung unterschiedliche Beträge festgelegt sind.
Für 2012 beträgt sie in der allgemeinen Rentenversicherung
67.200 € (5.600 € monatlich) in den westlichen Bundesländern,
57.600 € (4.800 € monatlich) in den östlichen Bundesländern
und für die knappschaftliche Rentenversicherung
82.800 € (6.900 € monatlich) in den westlichen Bundesländern,
70.800 € (5.900 € monatlich) in den östlichen Bundesländern.
Finanzen der Rentenversicherung 2004
(Quelle: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Zahlen vorläufig)
in Mio. € in % in %
Gesamteinnahmen 232.474 100,00
Beitragseinnahmen (Versicherte und Arbeitgeber) 169.399 72,87
Bundeszuschüsse für Rentenleistungen ohne eigene Beiträge, 44.131 18,98
      z. B. für Kindererziehungszeiten (11.715 Mio. € 2005), Ersatzzeiten (z. B. Wehrdienst)
Zusätzliche Bundeszuschüsse 17.264 7,43
Erstattungen 840 0,36
Vermögenserträge 178 0,08
Sonstige Einnahmen 662 0,28
 
Gesamtausgaben 235.490 100,00
Rentenausgaben 1 210.532 89,40
Kindererziehungsleistungen 2 729 0,31
Summe aus Rentenausgaben und Kindererziehungsleistungen 211.261 89,71 100,00
Beiträge und Zuschüsse zur Krankenversicherung der Rentner 14.808 6,29 7,01
Pflegeversicherung 3 435 0,18 0,21
Rehabilitationsmaßnahmen 4.809 2,04
Beitragserstattungen 97 0,04
Verwaltungs- und Verfahrenskosten 3.820 1,62
Sonstige Ausgaben 260 0,11
 
Ausgabenüberschuss (Fehlbetrag) 4 3.016 1,28

Kommentare:

  • 1: Das sind die Rentenbruttobeträge; hiervon gehen die Rentneranteile für die Krankenversicherung (in der Höhe gleich wie der in Zeile 16 ausgewiesene Anteil des Versicherungsträgers) und der volle Beitrag für die Pflegeversicherung (1,7 % = 3.591 Mio. €) ab:
210.532 − 14.808 − 3.591 = 192.133 Mio. € = Renten-Nettosumme; das sind für 15,6 Mio. Rentner je 12.316 € /Jahr bzw. 1.026 € monatlich (2004).
  • 2: Die hier ausgewiesenen 729 Mio. € stimmen überhaupt nicht mit den im Bundeszuschuss genannten (für 2005 geltenden) 11.715 Mio. € überein; es muss sich hier um eine besondere Abrechnungposition handeln.
  • 3: Da im Jahre 2004 die Pflegeversicherung im vollen Umfang von den Rentnern getragen wurde (und 2004 die genannten 3.591 Mio. € umfasste), muss es sich auch hier um eine besondere Abrechnungposition handeln.
  • 4: Die ausgewiesenen 1,28 % beziehen sich zwar auch auf Zeile 12, sind aber darin nicht enthalten; d. h. nur die Prozentzahlen der Zeilen 13 bis 21 ergeben 100 %.
Hauptartikel: Geschichte der Sozialversicherung in Deutschland
100 Jahre Gesetzliche Rentenversicherung: deutsche Briefmarke von 1989

Bei Einführung der Rentenversicherung im Jahre 1891 betrug der Beitragssatz 1,7 %. Wenn man die in den einzelnen Lohnklassen zu zahlenden Beitragsmarken in Lohnprozent umrechnet, so ergibt sich für 1924 im Schnitt 3,5 %, für 1928 im Schnitt 5,5 %.[11] Der Beitragssatz lag 1949 bei 10 %, 1970 bei 17 %, stieg bis auf 20,3 % (Januar 1997–März 1999) an und liegt seit 1. Januar 2012 bei 19,6 %.

Entwicklung der Beitragssätze[12][13]
Zeitraum Beitragssatz
1891 01,7 %
1924 03,5 %
1928 05,5 %
01.01.1949 – 30.03.1955 10,0 %
01.04.1955 – 28.02.1957 11,0 %
01.03.1957 – 31.12.1967 14,0 %
01.01.1968 – 31.12.1968 15,0 %
01.01.1969 – 31.12.1969 16,0 %
01.01.1970 – 31.12.1972 17,0 %
01.01.1973 – 31.12.1980 18,0 %
01.01.1981 – 31.12.1981 18,5 %
01.01.1982 – 31.08.1983 18,0 %
01.09.1983 – 31.12.1984 18,5 %
01.01.1985 – 31.05.1985 18,7 %
01.06.1985 – 31.12.1986 19,2 %
01.01.1987 – 31.03.1991 18,7 %
01.04.1991 – 31.12.1992 17,7 %
01.01.1993 – 31.12.1993 17,5 %
01.01.1994 – 31.12.1994 19,2 %
01.01.1995 – 31.12.1995 18,6 %
01.01.1996 – 31.12.1996 19,2 %
01.01.1997 – 31.03.1999 20,3 %
01.04.1999 – 31.12.1999 19,5 %
01.01.2000 – 31.12.2000 19,3 %
01.01.2001 – 31.12.2002 19,1 %
01.01.2003 – 31.12.2006 19,5 %
01.01.2007 – 31.12.2011 19,9 %
ab 01.01.2012 19,6 %

Zünfte und Gilden im Mittelalter kannten bereits Selbsthilfeeinrichtungen auf gemeinschaftlicher Grundlage. Handwerk und Bergbau gelten als früheste Vorläufer der heutigen Sozialversicherung. Das Gesetz über die Vereinigung der Berg-, Hütten- und Salinenarbeiter in Knappschaften vom 10. April 1854 war die erste landesgesetzliche, öffentlich-rechtliche Arbeiterversicherung. Mit diesem Gesetz wurden die Knappschaftskassen einheitlich organisiert und obligatorisch eingeführt. Die Bergarbeiter wurden zur Beitragszahlung verpflichtet und die Mindestleistung der Kasse festgelegt.[14] Durch eine Kaiserliche Botschaft Wilhelms I. vom 17. November 1881 wurde der Aufbau einer Arbeiterversicherung eingeleitet, in der Arbeiter gegen Krankheit, Unfall und materielle Not bei Invalidität oder im Alter versichert werden.[14]

Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung, veröffentlicht am 26. Juni 1889 im Reichsgesetzblatt

Die Verabschiedung des Gesetzes, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung am 22. Juni 1889 durch den Reichstag des Deutschen Reiches war nach den Gesetzen zur Regelung der Krankenversicherung (1883) und der Unfallversicherung (1884) die letzte Sozialversicherung Otto von Bismarcks. Im Rahmen dieser Sozialgesetzgebung wurde zum 1. Januar 1891 die Rentenversicherung der Arbeiter (RV) eingeführt. Sie sah eine Altersrente ab dem 70. Lebensjahr vor (bei einer wesentlich geringeren Lebenserwartung als heute) sowie eine Invalidenrente bei Erwerbsunfähigkeit. Voraussetzung für die Altersrente waren mindestens 30 Jahre Beitragszahlung (mit der damals üblichen 60-Stunden-Woche).

Bei Einführung der Rentenversicherung im Jahre 1891 betrug der Beitragssatz 1,7 %, finanziert zu je einem Drittel von den Arbeitnehmern, den Arbeitgebern und staatlichen Zuschüssen, also Steuergeldern. Damals verdiente z. B. ein ungelernter Arbeiter 80 Mark im Monat[15] (heutige Kaufkraft: 492 €) und musste dafür 1/3 von 1,7 %, also 0,567 % als Arbeitnehmerbeitrag abführen, das waren monatlich 0.45 Mark (heutige Kaufkraft: 2,77 €). Die Versicherungspflicht galt anfänglich nur bis zu einem Jahreseinkommen von 2000 RM (heutige Kaufkraft: 12.299 €), was monatlich 167 RM (heutige Kaufkraft: 1.027 €) entspricht, womit damals alle Arbeiter („gewerblich“ Tätigen) erfasst waren sowie die „kleinen“ Angestellten.

Schon bald setzten Bemühungen ein, die sozialen Versicherungen allseitig und umfassend zu ordnen. Dies geschah mit der Reichsversicherungsordnung vom 9. Juni 1911, in deren Viertem Buch das Recht der Rentenversicherung der Arbeiter geregelt wurde und Hinterbliebenenrenten eingeführt wurden.[16]

Durch das Versicherungsgesetz für Angestellte vom 20. Dezember 1911 wurde für die Angestellten eine eigenständige Rentenversicherung eingeführt. Das Invaliditäts- und Altersicherungsgesetz hatte zwar auch schon die als Angestellte beschäftigten Arbeitnehmer in die Versicherungspflicht einbezogen. Der Berufsstand der Angestellten forderte aber eine selbstständige und unabhängige Angestelltenversicherung mit eigenem Versicherungsträger.[16] Mit dem Versicherungsgesetz für Angestellte, das am 1. Januar 1913 in Kraft trat, wurde die Forderung (der Angestellten) schließlich gesetzgeberisch erfüllt.[16]

1916 wurde die Rentenaltersgrenze von 70 auf 65 Jahre herabgesetzt.

Das nur auf Ansparen gegründete System konnte nicht lange durchgehalten werden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Reserven durch die darauf folgende Hyperinflation weitgehend entwertet. So war das Reinvermögen der Deutschen Rentenbank von 2,12 Mrd. Mark (im Jahre 1914) binnen eines Jahrzehnts auf einen Rest von nur noch 14,6 % dieser Summe zusammengeschmolzen. Bereits damals begann man, in gewissem Umfang Rentenzahlungen aus eingehenden Beiträgen zu finanzieren, und der Staat half mit Steuermitteln aus. Dennoch waren massive Leistungskürzungen, insbesondere infolge der Weltwirtschaftskrise (1929–1933), unvermeidlich. Die gesetzliche Rentenversicherung war weit davon entfernt, den vorherigen Lebensstandard im Alter zu garantieren, sondern kaum mehr als ein kleines Zubrot. Hauptsächliche Quelle von Alterseinkünften waren mehr denn je Leistungen der eigenen Kinder oder aber, im äußersten Notfall, der staatlichen Fürsorge. Während der NS-Zeit wurden sogar Mittel aus den Sozialsystemen für andere Projekte (insbesondere die Rüstung) zweckentfremdet.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das System zunächst beibehalten. Die Rente hatte damals weitgehend Unterstützungsfunktion und wurde – mangels Rücklagen – bis zu 50 % aus Steuermitteln finanziert.

Erst mit der Rentenreform 1957 erfolgte der Übergang zum System der noch heute bestehenden Umlagefinanzierung: Statt Rücklagen zu bilden, waren anfangs – je zur Hälfte von den Arbeitgebern und von den Pflichtmitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung – 14 % des Bruttolohnes zu zahlen, die sofort für Rentenzahlungen verwendet wurden. Das ermöglichte eine sofortige, deutliche Rentenerhöhung und fortan eine dynamische Anpassung der Rentenhöhe an die Bruttolohnentwicklung. Die damals wesentlichen Argumente für das Umlagesystem waren, dass sofort Renten gezahlt werden können, dass kein Kapitalvermögen durch Kriege oder Wirtschaftskrisen vernichtet werden kann, dass ein Ansparen von Kapital im gesamtvolkswirtschaftlichen Maßstab ohnehin nicht möglich sei (Mackenroth-Theorem) und der Staat die Beitragszahlung durch die aktive mittlere Generation immer durchsetzen könne.

Mit solchen Begründungen wurden Umlagesysteme seit der Weltwirtschaftskrise und in der Nachkriegszeit auch in einer Reihe anderer Länder eingeführt, etwa in den USA 1936 als Teil des New Deal, in Japan, Österreich und der Schweiz.

Weil keine Rücklagen gebildet werden, setzt ein Umlagesystem aber auch die Existenz einer nachfolgenden Generation voraus, deren Angehörige versicherungspflichtig tätig sind und vor allem ausreichend Beiträge zahlen. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, langsam wachsender Arbeitsentgelte und schrumpfender Erwerbstätigenzahlen, sowie längerer Lebenserwartung, kommen solche Systeme jedoch unter Finanzierungsdruck, insbesondere weil Arbeitnehmer mit höherem Arbeitseinkommen nur mit Beiträgen bis zur Beitragsbemessungsgrenze einzahlen sowie Selbstständige und Beamte gänzlich von der Beitragspflicht ausgenommen sind.

Die Reform beruhte maßgeblich auf einer Studie von Professor Wilfrid Schreiber, dessen Konzept allerdings nur unvollständig umgesetzt wurde. Ursprünglich sollte die „Gesamtheit aller Arbeitstätigen“ einbezogen werden, auch die „selbstständigen Arbeitstätigen“, wobei die Einkommensgrenze der Versicherungspflicht aufgehoben werden sollte. Die gesetzliche Rentenversicherung sollte damit auf ein möglichst großes Fundament gestellt werden, „um die Stetigkeit ihrer Rechnungsgrundlagen über alle möglichen Strukturveränderungen der Wirtschaftsgesellschaft und ihrer Zusammensetzung nach Beruf und Erwerbsart“ sicherzustellen. Er hatte außerdem eine Kinderrente sowie eine Beitragsverdoppelung für Kinderlose vorgesehen, um den von der jeweils nächsten Generation abhängigen Fortbestand des Systems zu sichern. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer konnte sich mit seiner Ablehnung solcher Komponenten gegen Bedenken etwa von Ludwig Erhard durchsetzen. In den folgenden Jahren stieg, insbesondere bedingt durch flexible Altersgrenzen, der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung über 17 % (1970) auf 20,3 % (1997-99) und liegt seit dem 1. Januar 2012 bei 19,6 %.

Mit dem Rentenreformgesetz vom 18. Dezember 1989 wurde das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung mit Wirkung zum 1. Januar 1992 als Sechstes Buch in das SGB eingestellt und die separaten Rentengesetze für die Rentenversicherung der Arbeiter (Viertes Buch der Reichsversichertenordnung) und der Angestellten (Angestelltenversicherungsgesetz) aufgehoben.[16] Dieser Schritt vereinheitlichte das Rentenrecht und war somit mehr als nur eine Umbenennung der Gesetzbücher.

Das zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene „Gesetz zur Reform der Organisation in der gesetzlichen Rentenversicherung“ hob auch organisatorisch den Unterschied zwischen den Rentenversicherungen für Arbeiter und Angestellte auf, die zuvor von den Landesversichungsanstalten und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte getrennt betreut wurden.[16]

Von Beginn an wurde ein erheblicher Teil der Rentenzahlungen aus Steuermitteln bestritten, vor allem zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen. Der Bundeszuschuss betrug im Jahr 1964 knapp 25 % der ausbezahlten Renten, sank in den 1970er Jahren auf ca. 15 % und hielt sich bis Ende der 1980er Jahre bei etwa 16 %. In den 1990er Jahren geriet jedoch die gesetzliche Rentenversicherung zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Eine Ursache war die Übertragung des Systems auf die neuen Bundesländer: Da es in der DDR keine offene Arbeitslosigkeit gegeben hatte, erwarben die dortigen Rentner und Versicherten nach einer Hochrechnung ihrer in der DDR erzielten Einkommen anhand eines festgelegten Faktors auf annähernd vergleichbare Westverdienste vergleichsweise hohe Rentenansprüche an die GRV, während aufgrund der Wirtschaftslage aus den neuen Bundesländern nur relativ geringe Rentenbeiträge erwirtschaftet wurden. Verschärft wurden die Probleme durch eine sprunghafte Erhöhung der Erwerbslosenzahlen.

Zu guter Letzt begann sich durch den beginnenden Eintritt geburtenschwacher Jahrgänge in das Erwerbsleben sowie durch die steigende Lebenserwartung das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern zu verschieben. Die Politik reagierte 1992 mit ersten Einschnitten (insbesondere Koppelung an die Nettolohn- statt Bruttolohnentwicklung). Der 1997 eingeführte „demographische Faktor“ wurde nach dem Regierungswechsel 1998 von der rot-grünen Bundesregierung zunächst wieder zurückgenommen; dafür erschien aber im neuen Jahrhundert der „Nachhaltigkeitsfaktor“. Er berücksichtigt das Zahlenverhältnis von Beitragszahlern zu Rentenbeziehern und begrenzt den Rentenanstieg. Die Folge sind nominal schwach wachsende oder stagnierende, d. h. inflationsbereinigt gleich bleibende oder sinkende Rentenbezüge.

Zudem wurde der Bundeszuschuss seit 1991 regelmäßig erhöht, vor allem um die Rentenversicherung durch die – systematisch korrekte – Erstattung versicherungsfremder Leistungen aus Steuermitteln zu entlasten. Er beträgt heute mehr als ein Drittel (ca. 80 Milliarden EUR) der Gesamtausgaben und entspricht im Umfang in etwa den versicherungsfremden Leistungen. Der Beitragssatz, der im Zuge des Wiedervereinigungsbooms noch 1992 auf 17 % gesenkt worden war, kletterte im Jahr 2005 auf 19,5 %. Weitere Steigerungen konnten zunächst durch diverse Einmalmaßnahmen vermieden werden, etwa durch kontinuierliches Reduzieren der Liquiditätsreserven („Schwankungsreserve“), Verkauf von Sachanlagen sowie – seit 2006 – Vorziehen der Zahlungstermine für die Arbeitgeber um 14 Tage (das entspricht einer einmaligen Mehreinnahme von ca. 5 % im Jahr 2006) und für die ab 1. April 2004 hinzugekommenen Neurentner die Rentenzahlung jeweils erst zum Monatsende (mit Gutschrift jeweils am letzten Bankarbeitstag des Monats) statt wie zuvor zum Monatsanfang. Am 1. Januar 2007 wurde der Beitragssatz zur Rentenversicherung dennoch auf 19,9 % erhöht.

Die gesetzliche Rentenversicherung ist immer wieder an die aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst worden, sonst hätte sie sich nicht länger als ein Jahrhundert bewährt.[16] Gerade die politische Behandlung des Themas „Altersarmut“ führte dazu, dass über einen Systemwechsel offen diskutiert wird.

Ausgehend von dieser Erwartung wurden unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen: Zum einen werden Forderungen für einen Systemwechsel erhoben (z. B. „bedingungsloses Grundeinkommen“, „Sockelrente“, „Grundrente“), zum anderen wird eine Weiterentwicklung des bestehenden Systems gefordert (z. B. “Erwerbstätigenversicherung“).[16] Eine Maßnahme der letzten Jahre war die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre.

Die Befürworter der Rentenreformen betonen, dass einige Reformmaßnahmen zwar belastenden Charakter haben würden, sie aber in ihrer Gesamtheit auf Konsolidierung und damit auf die nachhaltige Sicherung des Sozialstaates gerichtet seien. Die zukünftigen Rentner sollten ein angemessenes Auskommen im Alter haben, gleichzeitig sollten die zu erbringenden Leistungen für die aktive Generation bezahlbar bleiben.[16]

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Eine generelle Versicherungspflicht vermeidet, dass weite Bevölkerungskreise ohne Verpflichtung die notwendige Vorsorge vernachlässigen und im Alter der allgemeinen Fürsorge anheimfallen und gerade einkommensstarke Bevölkerungskreise aus dem Generationenvertrag ausgeklammert werden.

Weil bzw. wenn der Staat die Regeln für die Rentenversicherung bestimmt, hat er auch die Verpflichtung, finanzielle Engpässe mit Steuergeldern auszugleichen. So bietet eine gesetzlich organisierte Versicherung selbst bei Liquiditätsschwierigkeiten des Rentenversicherungsträgers eine relative Sicherheit.

Rein private Vorsorgesysteme wären gesamtwirtschaftlich nicht ausreichend sicher und ihre gesellschaftliche Verteilungswirkung wäre sozial nicht ausgewogen, denn der private Markt ist sozial blind. Gerade einkommensschwache Bevölkerungskreise, die eine Absicherung im Alter besonders nötig haben, müssten dann ohne ausreichenden Versicherungsschutz auskommen (siehe relative Armut). Wegen verschiedener möglicher Formen von Marktversagen (siehe moral hazard, adverse selection) und infolge von Inflationsrisiken sind private Anbieter nicht in der Lage, reale Annuitäten für alle anzubieten. Private Anbieter müssten auch für alle Risiken Rücklagen bilden, was diese Versicherung verteuern würde.

Weder die staatlich noch die privat organisierte Versicherung verfügte nach der Währungsreform 1948 über Rücklagen für eine Rentenzahlung an die aktuelle Rentnergeneration. Deshalb muss die kollektive Leistung der Altenfinanzierung – unabhängig von der Art der Organisation und ihrer jeweiligen Finanzierungsverfahren – in direkter Weise von den jeweils arbeitenden Generationen erbracht werden. Die Bildung gesamtwirtschaftlicher Rücklagen ist dabei kaum möglich (vgl. Mackenroth-These).

Das nach der Rentenreform von 1957 in der Adenauer-Ära entstandene System orientiert sich stark an der konservativen deutschen Sozialstaatstradition: Die Renten werden gemäß einem Versicherungsprinzip weitgehend durch Beiträge, nicht aus Steuern finanziert. Sie werden nicht durch eine staatliche Instanz, sondern durch eigenständige Institutionen erbracht, ihre Höhe bleibt eng an das Arbeitseinkommen geknüpft. Dem standen ursprünglich egalitäre Vorstellungen der Sozialdemokratie gegenüber, die 1957 allerdings wegen der Mehrheitsverhältnisse nicht zum Zuge kamen. Erst mit der zunehmenden Finanznot der Rentenversicherung wurden Rentenreformen vorgenommen, die sich als Senkung der Neurenten auswirkten und die Rentenhöhe von der Höhe der eingezahlten Beiträge abkoppelten. Dadurch wurde eine egalisierende Wirkung erzielt, allerdings in Form einer Angleichung der Rentenhöhen nach unten. Bereits für Bezieher mittlerer Einkommen ist der Rentenanspruch weit unter dem ursprünglich einmal festgelegten Ziel von 75 % des letzten Nettolohnes.

Neu an der Rentenreform von 1957 war das Element der „Dynamik“, was zunächst auf starken Widerstand in der Wirtschaft stieß. Die dynamische Rente sollte sich im Laufe der Zeit mit dem Bruttoeinkommen aller Arbeitnehmer nach oben bewegen und somit die inflatorische Geldentwertung ausgleichen. Hintergrund dieser Regelung war die tief verwurzelte Erfahrung mit Altersarmut in einer Bevölkerung, die in der Hyperinflation (1923) und der Währungsreform (1948) ihre persönlichen Ersparnisse und privaten Lebensversicherungsansprüche verloren hatten. In neuester Zeit wurden jedoch die finanziellen Belastungen der Rentenversicherung durch die zunehmende Massenarbeitslosigkeit so erheblich, dass die dynamische Rente in mehreren Rentenreformen deutlich eingeschränkt wurde und die Rentenhöhe inzwischen faktisch von der Entwicklung der Bruttoeinkommen abgekoppelt ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Rentenanwartschaften durch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes geschützt, soweit sie auf eigenen Rentenbeiträgen beruhen. Die Rentenversicherung hat aber keinen Kapitalstock gebildet, aus dem eingezahlte Beiträge ausgezahlt werden könnten. Deshalb ist die folgende Generation dazu verpflichtet, die Altersversorgung der aktuellen Rentenbezieher (eventuell ihrer eigenen Eltern) zu sichern. Dieses als Generationenvertrag bekannte Umlageverfahren kann aber nur dann funktionieren, wenn die erwerbstätige Generation auch Kinder in hinreichender Zahl großziehen kann und wenn diese Kinder dann auch als Erwerbstätige Versicherungsbeiträge in die GRV einzahlen. Daraus ergeben sich Pflichten des Gemeinwesens denen gegenüber, die Kinder haben. Das sei aber in der Sozialgesetzgebung nicht ausreichend umgesetzt worden.

Kritiker wenden ein, dass diese – maßgeblich von Paul Kirchhof geprägte – Sicht der Rechtsprechung die Bedeutung von Kindern in einem Umlageverfahren überzeichne: Das deutsche System komme vor allem deshalb unter Druck, weil die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stark abgenommen habe und weil deren Einkommenszuwächse in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgingen. Die schrumpfende Bevölkerungszahl allein sei bei steigender Integration von vormals Arbeitslosen ins Erwerbsleben und einer Erhöhung der Frauenerwerbsquote durchaus zu bewältigen. Gleichfalls sei die dauerhaft steigende Produktivität der Wirtschaft zu berücksichtigen.

Oft werden die ostdeutschen Rentner pauschal als Subventionsempfänger bezeichnet, weil deren Bewohner „in die westdeutsche GRV niemals eingezahlt haben“. Damit wird der Eindruck erweckt, als müssten die westdeutschen Beitragszahler oder die Bundeskasse alle dortigen Renten finanzieren. Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass es sich um eine Umlagefinanzierung handelt. So begann am Tage der Wiedervereinigung die Beitragszahlung der dortigen Pflichtversicherten und die Zahlung der dortigen Renten. Wäre dafür eine eigenständige Kasse gebildet worden, so wäre deren prozentualer Zuschussbedarf anfänglich ähnlich hoch gewesen wie der in Westdeutschland. Diese Kasse hätte aber die wachsenden Probleme mit der Alterspyramide ebenfalls zu spüren bekommen und den Einbruch bei den Beiträgen durch die Arbeitslosigkeit, letzteres jedoch in stärkerem Maße als im Westen. Deshalb ist tatsächlich ein höherer Zuschuss aus Steuermitteln erforderlich, der jedoch genau so zu bewerten ist wie andere Wiedervereinigungskosten. Andererseits zeigen die ostdeutschen Zahlen, dass dort die durchschnittliche Rentenzahlung höher ist, während gleichzeitig durch das geringere Lohnniveau ein geringerer durchschnittlicher Rentenversicherungsbeitrag gezahlt wird. Eine Subventionierung der ostdeutschen Rentenbezieher durch westdeutsche ist also nicht grundsätzlich von der Hand zu weisen.

Für die höhere Durchschnittsrente im Osten gibt es noch weitere Erklärungen: Es gab dort keine Beamten; die entsprechenden, eher überdurchschnittlich bezahlten staatlich-administrativen Tätigkeiten wurden im Angestelltenverhältnis ausgeübt und erfordern jetzt Rentenzahlungen, die sich auf die Höhe der Durchschnittsrente Ost auswirken. Neue Mitarbeiter in diesen aufgeführten Bereichen sind dort, wie im Westen auch, jetzt verbeamtet, leisten daher also keinen Beitrag im Umlageverfahren für ihre Amtsvorgänger. Im Westen Deutschlands haben die Beamten eine eigenständige Versorgung aus Steuermitteln; diese Zahlungen gehen nicht in die Berechnung der Durchschnittsrente West ein. Ferner hatten die ostdeutschen Frauen durchschnittlich mehr Arbeitsjahre.

Auf der anderen Seite haben viele westdeutsche Rentner zusätzliche Altersbezüge aus Betriebsrenten und Lebensversicherungen, so dass allein der Vergleich der Durchschnittsrenten Ost und West aus der GRV keinen Vergleich der tatsächlichen durchschnittlichen Rentnereinkommen darstellt.

  • Altersvorsorge, betriebliche Altersvorsorge
  • Sozialversicherung, Sozialstaat, Mackenroth-These, Grundsicherung, Rente nach Mindesteinkommen, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
  • Versicherungsamt
  • Eberhard Eichenhofer, Herbert Rische, Winfried Schmähl (Hrsg.): Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung SGB VI. Luchterhand: Köln 2011. ISBN 978-3-472-07834-0.
  • H. Grüner, G. Dalichau: Gesetzliche Rentenversicherung. Heidelberg (Kommentar, Loseblatt)
  • K. Hauck et al.: Sozialgesetzbuch. SGB VI. Berlin (Kommentar, Loseblatt)
  • R. Kreikebohm (Hrsg.): SGB VI. 3. Auflage. München 2003, (Kommentar) ISBN 3-406-48803-X
  • H.-W. Lueg, B. v. Maydell, F. Ruland (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch. Gesetzliche Rentenversicherung. Berlin (5 Bände, Loseblatt)
  • Winfried Schmähl: Rente: Vor 60 Jahren wurde die dynamische Rente eingeführt – aus guten Gründen. In: Die Zeit 04/2007, Seite 22
  • Hellmut D. Scholtz: Sachgerechte Bemessung des Bundeszuschusses in der Gesetzlichen Rentenversicherung. In: Wege zur Sozialversicherung 2009, 3, S. 77–83.
  • B. Schulin (Hrsg.): Rentenversicherungsrecht. München 1999 (Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 3) ISBN 3-406-38909-0
  • ISBN 3-472-00068-6
  • T. Hartwig: Reformbedürftigkeit und Reformansätze des deutschen Rentenversicherungssystems in: Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 2006, Seiten 27 ff.
  1. Versicherungsverlauf
  2. Renteninformation
  3. Rentenauskunft
  4. Feststellungsbescheid
  5. spiegel.de: Psycho-Gutachten ist Glückssache, 3. Oktober 2007
  6. laut Information der Deutschen Rentenversicherung
  7. Anmerkung: Im Zuge der „Rente mit 67“ ist eine Anpassung der Definition des Eckrentners zu erwarten.
  8. ÄrzteVersorgung Westfalen-Lippe
  9. Bekanntmachung der Beitragssätze in der allgemeinen Rentenversicherung und in der knappschaftlichen Rentenversicherung für das Jahr 2012 vom 19. Dezember 2011, BGBl. I, S. 2795
  10. Entnommen aus "Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2011", aufgerufen am 18. April 2012
  11. Wilhelm Dobbernack, Die Rettung der Rentenversicherung. Die finanzielle Neuordnung der Invaliden-, Angestellten- und Knappschaftlichen Pensionsversicherung. Stuttgart, Berlin 1934, S. 11, 14.
  12. Entwicklung des Beitragssatzes. Website der Deutschen Rentenversicherung. Abgerufen am 18. Oktober 2010.
  13. Übersicht der Rentenbeitragssätze ab 1949
  14. ISBN 978-3-8214-7245-4, S. 278
  15. Paul Göhre, Drei Monate Fabrikarbeiter und Handwerksbursche. Leipzig, 1891. Abgedruckt in Ernst Schraepler; Hrsg., Quellen zur Geschichte der sozialen Frage in Deutschland. 1871 bis zur Gegenwart. 3. neubearbeitete und erweiterte Auflage. Göttingen 1996, S. 47–51
  16. ISBN 978-3-8214-7245-4, S. 279
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Riester-Rente

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Riester-Rente ist eine vom Staat durch Zulagen und Sonderausgabenabzugsmöglichkeiten (siehe unten) geförderte, privat finanzierte Rente in Deutschland.[1] Daher gehört sie zur sogenannten 3. Säule bzw. 2. Schicht der Altersvorsorge. Die Förderung ist durch das Altersvermögensgesetz (AVmG) eingeführt worden und in den §§ 10a, 79 ff. Einkommensteuergesetz geregelt.

Die Bezeichnung „Riester-Rente“ geht auf Walter Riester zurück, der als Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Förderung der freiwilligen Altersvorsorge durch eine Altersvorsorgezulage vorschlug. Anlass war die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung 2000/2001, bei der das Nettorentenniveau des Eckrentners, also eines idealtypischen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, der 45 Jahre lang Sozialversicherungsbeträge eingezahlt hat, von 70 % auf 67 % reduziert wurde.

Für die Nutzung derart geförderter Altersvorsorgeverträge hat sich in der Medienöffentlichkeit das Verb „riestern“ etabliert.

Inhaltsverzeichnis

Alle zulagenberechtigten Personen (siehe unten) können eine private Altersvorsorge mit staatlicher Förderung aufbauen.

  • Gemäß den Zertifizierungsvoraussetzungen (siehe unten) muss der Anbieter zum Beginn des Auszahlungszeitpunktes mindestens die Summe der eingezahlten Beiträge garantieren.
  • Es wird eine lebenslange Rente in gleichbleibender oder steigender Höhe gezahlt. Bei Tod des Versicherten vor Ende der vereinbarten Garantiezeit kann der Ehepartner die Rente für diese Zeit weiter beziehen.
  • Zur Anschaffung oder Herstellung von selbst genutztem Wohneigentum zur Altersvorsorge können bis zu 75 % oder 100 % des Kapitals entnommen werden. Für vor dem 1. Januar 2008 abgeschlossene Verträge gilt die Mindestsumme noch übergangsweise für die Jahre 2008 und 2009 in Höhe von 10.000 Euro. Die Höchstsumme und die Verpflichtung, das entnommene Kapital zurückzuzahlen, wurden abgeschafft.
  • Darlehen zur Anschaffung oder Herstellung von selbst genutztem Wohneigentum sind förderfähig. Es genügen die Tilgungsbeiträge, um die Förderungen zu erhalten.
  • Das Kapital, das sich in einem Riester-Vertrag befindet, bleibt bei der Anrechnung von Vermögen unberücksichtigt.
  • Das angesparte Kapital kann, wenn auch gebührenpflichtig, auf einen anderen Tarif beim selben Anbieter oder auf einen anderen (ggf. leistungsfähigeren) Anbieter übertragen werden. Zu beachten ist, dass zum Zeitpunkt der Übertragung weniger Kapital angespart sein kann, als Sparbeiträge in Summe eingezahlt wurden. Gründe dafür können u. a. Abschlusskosten und Provisionen oder ungünstige Kursentwicklung bei Fonds sein.
  • Das Guthaben im Riester-Sparkonto ist während der Ansparphase pfändungssicher. Es gibt jedoch Ausnahmefälle in denen eine Pfändung möglich ist.[2]

Die Private Riester-Rente weist folgende Merkmale auf:

  • die Beiträge werden aus bereits versteuertem und sozialversicherungsbereinigtem Einkommen angespart,
  • Pflichtversicherte zur gesetzlichen Krankenkasse zahlen in der Auszahlphase keine erneuten Krankenkassenbeiträge auf die Vorsorgeleistungen,
  • Die Rente wird mit dem (ggf. niedrigen) vollen Alterssteuersatz herangezogen.

Die Betriebliche Riester-Rente hat neben den oben genannten gleichen Voraussetzungen folgende zusätzliche Merkmale:

  • in der Auszahlphase werden Krankenkassenbeiträge für Pflichtversicherte und freiwillig Versicherte auf die Rente entrichtet,
  • sie steht nur dem offen, der selbst arbeitet, wohingegen ein mittelbar Zulagenberechtigter Ehepartner vertraglich privat einzudecken ist,
  • wird ggf. vom Arbeitgeber bezuschusst[3]

Seit 2005 wird auch die Rürup-Rente durch Steuervorteile während der Ansparphase staatlich gefördert. In der Rürup-Rente sind auch nicht-zulageberechtigte Personen förderfähig. Über die Eichel-Rente (betriebliche Altersvorsorge, Entgeltumwandlung) hatten Arbeitnehmer vor 2005 bereits Möglichkeiten, staatliche Förderung für ihre Altersvorsorge zu nutzen.

Anspruch auf Altersvorsorgezulage haben zurzeit folgende Personen (geregelt in § 10a EStG), wenn sie der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen.

Diese Personen sind unmittelbar zulagenberechtigt:

  • rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer,
  • rentenversicherungspflichtige Selbstständige (z. B. Handwerker (allerdings mit Befreiungsmöglichkeit gem. § 2 Ziff. 8 SGB VI, nach 18 Jahren oder 216 Monaten Pflichtbeitragszeiten) und über die Künstlersozialkasse versicherte Künstler)
  • Pflichtversicherte nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte,
  • Bezieher von Arbeitslosengeld (einschließlich berechtigter Bezieher von Arbeitslosengeld, deren Leistungen aufgrund der Anrechnung von Einkommen und/oder Vermögen ruhen),
  • Bezieher von Krankengeld,
  • ALG-II-Empfänger über § 3 Satz 1 Nr. 3a SGB VI (Arbeitslosengeld- und Arbeitslosengeld II-Empfänger sind nach § 3 Abs. 3, 3a SGB VI rentenversicherungspflichtig und haben damit einen Anspruch auf Riesterförderung. Wer aufgrund zu hohen Vermögens keinen ALG-II-Anspruch hat, wird in § 10a Abs. 1 Satz 3 den Pflichtversicherten gleichgestellt und hat ebenfalls Anspruch auf Riesterförderung).
  • nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen (z. B. bei Pflege von Angehörigen im Haushalt),
  • Wehr- und Zivildienstleistende,
  • geringfügig Beschäftigte bei Verzicht auf die Versicherungsfreiheit, wenn der Beitrag des Arbeitgebers (derzeit pauschal: 15 %) vom Arbeitnehmer um 4,6 % auf den vollen Rentenversicherungs-Beitrag (19,6 %) aufgestockt wird,
  • Bezieher von Vorruhestandsgeld, sofern diese zuvor pflichtversichert waren,
  • Beamte, Richter und Soldaten sowie diesen gleichgestellte Personen, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, weil ihnen eine beamtenrechtliche oder beamtenähnliche Versorgung gewährleistet wird,
  • Amtsträger
  • vollständig erwerbsgeminderte oder dienstunfähige Personen,
  • Kindererziehende (wenn sie die Kindererziehungszeiten beantragt haben)

Folgende Personenkreise sind nicht anspruchsberechtigt:

  • nicht rentenversicherungspflichtige Selbstständige,
  • Pflichtversicherte in Einrichtungen der berufsständischen Versorgung (z. B. Apotheker, Ärzte, Tierärzte und Architekten – sogenannte verkammerte Berufe),
  • geringfügig versicherungsfrei Beschäftigte, die den Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht durch eigene Beiträge aufstocken,
  • Altersrentner,
  • Bezieher einer Rente wegen teilweise verminderter Erwerbsfähigkeit ohne rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit und
  • Studenten, die nicht rentenversicherungspflichtig sind.

Ehepartner von unmittelbar Zulageberechtigten erhalten Zulagen, wenn sie einen eigenen Altersvorsorgevertrag haben und in diesen mindestens 60 Euro pro Kalenderjahr einzahlen. (§ 79 Satz 2 EStG in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung[4][5]) Voraussetzung ist, dass sie nicht selbst zu den unmittelbar zulageberechtigten Personen gehören, nicht dauernd vom Partner getrennt leben und beide ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum haben (§ 79 Satz 2 EStG).

Bei weniger als 60 Euro pro Kalenderjahr entfällt die mittelbare Zulageberechtigung vollständig (§ 79 Satz 2 EStG in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung[4][5]).

Bis einschließlich des Jahres 2011 waren für die mittelbare Zulageberechtigung keinerlei eigene Beiträge erforderlich (§ 79 Satz 2 EStG in der bis 31. Dezember 2011 geltenden Fassung).

Aus dem bereits bestehenden Angebot der verschiedenen Anbieter haben diese dann spezielle, den gesetzlichen Vorgaben entsprechende, zertifizierte (siehe unten) Tarife entwickelt.

Diese sind unter dem jeweiligen Namen bereits bekannt – erfüllen aber in ihren Sonderformen die Voraussetzungen zur Riester-Rente:

  • Banksparplan – Dieser wird zu Rentenbeginn in eine Rentenversicherung umgewandelt, über die dann die Auszahlung stattfindet.
  • klassische Private Rentenversicherung
  • Fondsgebundene Rentenversicherungen
  • Fondssparplan
  • Pensionskasse, Pensionsfonds und Direktversicherung gem. § 3.63 EStG

Bei einem staatlich geförderten Banksparplan, einem Fondssparplan oder einer klassischen oder fondsgebundenen Lebens- oder Rentenversicherung sind sämtliche Kosten (Depotgebühren, Ausgabeaufschläge, etc.) klar festgelegt und dem Anleger bei Vertragsschluss bekannt. Der Anleger kann nachvollziehen, wie hoch sein tatsächlicher Sparanteil ausfällt.

Die Anbieter von Fondssparplänen und fondsgebundenen Rentenversicherungen müssen ebenfalls den Kapitalerhalt garantieren. Da sich die Garantie mithilfe von Aktienfonds nicht darstellen lässt, verwenden die Fondsgesellschaften und Versicherungen Wertsicherungsmodelle. Diese Anlagekonzepte beruhen darauf, dass Rentenfonds mit Schuldnern hoher Bonität sichere Renditen erwirtschaften. Der Aktienanteil in den Sparplänen ist maximal so hoch, dass Verluste an den Aktienmärkten bis zum Ende der Laufzeit durch die sicheren Erträge der Renten ausgeglichen werden. Versicherungen verwenden statt der Rentenfonds meist den Deckungsstock der eigenen klassischen Lebensversicherungen für die Kapitalgarantie.[6]

Im Rahmen des Eigenheimrentengesetzes wird rückwirkend zum 1. Januar 2008 auch der Erwerb von selbstgenutzten Immobilien (Eigenheimrente) gefördert.

Die Förderung kann nur für Beiträge zu zertifizierten (siehe unten) Altersvorsorgeverträgen in Anspruch genommen werden.

Weitere Einschränkungen sind:

  • Die spätere Auszahlung wird nur als Leibrente gewährt. Eine bis zu 30-prozentige Teilauszahlung bei Rentenbeginn ist zulagenunschädlich möglich.
  • Die anfängliche Teilauszahlung und laufende Rentenzahlungen sind voll steuerpflichtig.
  • Die Auszahlungen aus einer im Rahmen einer Betriebsrente abgeschlossenen Riesterrente sind darüber hinaus auch voll kranken- und pflegeversicherungspflichtig, sofern der Versicherungsnehmer gesetzlich krankenversichert ist.[7] Letzteres betrifft auch Versicherungen von Angestellten im öffentlichen Dienst bei der Versicherungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).
  • Die Zulagen und Steuervergünstigungen müssen bei schädlicher Verwendung (siehe unten) zurückgezahlt werden.
  • Die Zulagen und Steuervergünstigungen müssen auch bei Tod der anspruchsberechtigten Person vor Rentenbeginn zurückgezahlt werden. Jedoch ist die Übertragung des vollständigen Vertragswerts (inkl. Zulagen) in den Riestervertrag eines Ehepartners möglich.
  • Die Zulagen und Steuervergünstigungen müssen zurückgezahlt werden, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland endet. Es kann eine Stundung bis zum Beginn der Rentenzahlung und dann wiederum eine Tilgung i. H. v. 15 % der Rente vereinbart werden.
  • Ein Riestervertrag kann nicht verpfändet oder abgetreten werden (z. B. für die Hypothek eines Hauses).
  • Bereits 2003 hatte die EU darauf hingewiesen, jetzt liegt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg vor:[8] Kritisiert wird die Benachteiligung von Arbeitnehmern, die in der Bundesrepublik arbeiten, aber im Ausland wohnen. Sie haben bislang keinen Anspruch auf die staatliche Zulage. Umgekehrt müssen Riester-Sparer die Förderung zurückzahlen, wenn sie sich dazu entschließen, ihren Lebensabend im Ausland zu verbringen. Die Richter sehen darin einen Verstoß gegen die Arbeitnehmer-Freizügigkeit innerhalb der EU. Experten gehen davon aus, dass die geforderten Änderungen bei der Riester-Rente den Staatshaushalt Hunderte Millionen Euro kosten werden.[9]

Die Altersvorsorgezulage setzt sich aus der Grundzulage und der Kinderzulage zusammen:

Jahr jährliche
Grundzulage
pro Person
jährliche
Kinderzulage
pro Kind
2002/ 2003 38 Euro 46 Euro
2004/ 2005 76 Euro 92 Euro
2006/ 2007 114 Euro 138 Euro
ab 2008 154 Euro 185 Euro (300 Euro)

Bei einem Ehepaar muss jeder Ehegatte einen eigenen Vertrag abschließen, um die Grundzulage zu erhalten (§ 79 Einkommensteuergesetz).

Anspruch auf die Kinderzulage besteht für jedes Kind, für das im Kalenderjahr mindestens einen Monat lang Anspruch auf Kindergeld bestand. Sie beträgt 185 Euro für bis 2007 geborene Kinder, 300 Euro für ab 2008 geborene Kinder. Sie steht dem Kindergeldempfänger zu, bei verheirateten Eltern der Mutter, auf Antrag dem Vater. (§ 85 EStG)

Nur wer den Mindesteigenbeitrag in den Riestervertrag leistet, erhält die volle Zulage. Der Mindesteigenbeitrag ist ein Prozentsatz des rentenversicherungspflichtigen Vorjahreseinkommens, vermindert um die ungekürzte Zulage des laufenden Jahres.[10] Er ist jedoch mindestens so hoch wie der Sockelbetrag:

erforderlicher
Mindestbeitrag
höchstens
jedoch
pro Jahr
2002/03 1 % 525 Euro
ab 2004 2 % 1050 Euro
ab 2006 3 % 1575 Euro
ab 2008 4 % 2100 Euro
Sockelbetrag
pro Arbeitnehmer
ohne Kind ein Kind zwei Kinder
2002 bis 2004 45 Euro pro  Jahr 38 Euro pro Jahr 30 Euro pro Jahr
seit 2005 60 Euro pro Jahr

Wer weniger als den Mindesteigenbeitrag einzahlt, dem werden die Zulagen anteilig gekürzt (§ 86 Absatz 1 Sätze 1 und 6 EStG). Das gilt insbesondere bei Unterschreitung des Sockelbetrags (§ 86 Absatz 1 Satz 5).[11][12]

Ist bei Ehegatten nur einer unmittelbar förderfähig, so muss auch nur er Eigenbeiträge leisten. Erhält er volle oder gekürzte Zulagen, erhält der andere (nur mittelbar förderfähige) Partner ebenfalls die volle oder um den gleichen Prozentsatz gekürzte Zulage (§ 86 Absatz 1 Satz 6 EStG).

Die Riester-Rente ist eine Ergänzung zur gesetzlichen Altersvorsorge auf freiwilliger Basis. Zulässige Leistungen sind Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrenten.

Die Altersvorsorgezulage gibt es nur für Beiträge zu Altersvorsorgeverträgen (siehe unten), die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gem. AltZertG zertifiziert sind.

Der Staat gewährt eine Altersvorsorgezulage (Abschnitt XI EStG) oder einen steuermindernden Sonderausgabenabzug (§ 10a, §§ 79 ff EStG). Das Finanzamt führt dazu eine so genannte Günstigerprüfung von Amts wegen durch. Ist die Steuerersparnis aus dem Sonderausgabenabzug höher als die Zulage, wird vom Finanzamt erstattet oder mit der übrigen Steuerschuld verrechnet.

Die Altersvorsorgezulage fließt in den Vertrag und nicht direkt an den Beitragszahler.

Die Altersvorsorgezulage muss beantragt werden. Geschieht das vier Jahre lang nicht, verfällt der Anspruch. Zur Vereinfachung des Antragsverfahrens wurde der sogenannte Dauerzulagenantrag eingeführt. Dieser bevollmächtigt den Anbieter, Altersvorsorgezulage zu beantragen, ohne für jeden Antrag die Zustimmung des Versicherten einholen zu müssen.

  • Zu Beginn der Auszahlungsphase muss mindestens die Summe der eingezahlten Beiträge (Eigenleistung + staatliche Zulage) garantiert werden.
  • Leistungen dürfen frühestens ab dem 60. Lebensjahr erbracht werden (Ausnahme: Berufsgruppen, bei denen die gesetzliche Rentenversicherung einen früheren Rentenbeginn vorsieht, z. B. Piloten und Bergarbeiter),
  • Die Leistung muss als lebenslange Rentenzahlung erfolgen, etwa in Form einer Leibrente oder eines Auszahlungsplanes, der mit einer Leibrente vom 85. Lebensjahr an verbunden ist.
  • Die Abschluss- und Vertriebskosten müssen auf mindestens fünf Jahre verteilt werden.
  • Bestimmte Informationen (z. B. über die Verwendung der Vorsorgebeiträge, die Höhe der Verwaltungskosten, u. Ä.) müssen bereitgestellt werden. Zusätzlich hat der Gesetzgeber dem Anbieter weitreichende Offenlegungspflichten auferlegt, z. B. über Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten, Stand des Altersvorsorgevermögens und Aspekte der Kapitalanlage.
  • Eine vierteljährliche Kündigungs- oder Ruhestellungsmöglichkeit muss vorhanden sein.
  • Laufende Beitragszahlung.

Die Förderung besteht aus zwei Komponenten:

  • Altersvorsorgezulage (s. u.) nach Abschnitt XI. EStG
  • Sonderausgabenabzug gemäß § 10a EStG.

Das Finanzamt prüft, was günstiger ist – Zulage oder Sonderausgabenabzug. Gegebenenfalls lässt sich neben der/den steuerlich festzusetzenden Zulage(n) eine zusätzliche Steuerersparnis ermitteln, wenn die steuerliche Absetzbarkeit höher liegt als der Zulagenanspruch. Der Differenzbetrag wird dann im Wege der Einkommensteuerrückerstattung (sofern keine Verrechnung mit Steuerschulden stattfindet) an den Steuerzahler überwiesen. Die Zulage hingegen wird stets dem Vorsorgevertrag gutgeschrieben.

Der Riester-Sparer hat selbst dafür zu sorgen, dass die Höhe seines Beitrages die ungeschmälerte Zulage auslöst. Seit 2008 beträgt die Bemessungsgrundlage für den Erhalt der vollen Zulagen 4 % des Vorjahresverdienstes. Abzüglich der Summe der Zulage(n) auf den Vertrag, bei Pflichtversicherten allerdings mindestens 60 Euro p. a., ermittelt sich der dafür aufzubringende Beitrag.

Der Riester-Sparer hat zwei Jahre Zeit, über den Anbieter die Zulage zu beantragen. Dazu müssen ggf. auch Kindererziehungszeiten vom Riester-Sparer selbst bei der Deutschen Rentenversicherung rückwirkend beantragt werden.[13]
Der Riester-Sparer kann einen sog. Dauerzulagenanspruch stellen, der Anbieter der Riester-Rente beantragt dann jährlich die Zulagen bei der ZfA, nicht aber evtl. Kindererziehungszeiten bei der Deutschen Rentenversicherung. Änderungen des Rentenstatus sind dem Riester Anbieter mitzuteilen.

Höchstmöglicher Sonderausgabenabzug pro Jahr
2002 / 2003 525 EUR
2004 / 2005 1.050 EUR
2006 / 2007 1.575 EUR
ab 2008 2.100 EUR

Die für die förderungsfähige private Altersvorsorge geleisteten Beiträge und die fiktive zu gewährende Zulage können zusammen als Sonderausgaben bei der Einkommensteuererklärung bis zu dem in der Tabelle genannten Maximalbeitrag berücksichtigt werden. Ergibt sich keine Steuerersparnis, enthält der Erläuterungsteil zum Bescheid über die Einkommensteuer die Bemerkung „Ein Sonderausgabenabzug der geltend gemachten Altersvorsorgebeträge (§ 10a EStG) in Höhe von … kommt nicht in Betracht, weil der nach Ihren Angaben errechnete Zulagenanspruch günstiger ist.“ Ergibt sich eine Steuerersparnis, wird die Zulage trotzdem gewährt und es „erhöht sich die unter Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Zulage.“ Die Riesterrente ist bei Inanspruchnahme der Auszahlung im Rentenalter voll zu versteuern.

Im Zuge der Gesetzesänderungen 2008[14] wurde neben dem „Wohn-Riester“ (Verwendungsmöglichkeit der Riester-Verträge zur Eigenheimfinanzierung- sog. Eigenheimrente) auch ein „Berufseinsteiger-Bonus“ beschlossen. Riester-Sparer erhalten im ersten Sparjahr automatisch eine um 200 EUR erhöhte Grundzulage, wenn der Sparer zum 1. Januar des Jahres, in dem er den Vertrag schließt, sein 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unmittelbar zulagenberechtigt ist und nach dem 31. Dezember 1982 geboren ist (§ 84 EStG).

Bei Kürzungen der Grundzulage (beispielsweise weil der Mindestbeitrag unterschritten wurde), wird der Bonus in gleichem Maße gekürzt.

Die Zulagen vom Staat und die Steuervorteile müssen bei den nachfolgenden Sachverhalten zurückgezahlt werden. Zudem sind die im ausgezahlten Kapital enthaltenen Erträge, ähnlich der Besteuerung von Lebensversicherungen, dann noch zu versteuern.

  • Kündigung des Riester-Vertrages.
Nicht davon betroffen ist die Übertragung des vorhandenen Kapitals auf einen anderen Tarif beim selben Anbieter oder auf einen anderen Anbieter.
  • Tod des Anspruchsberechtigten vor Rentenbeginn.
Ausschließlich der Ehepartner kann, sofern er einen eigenen Riester-Vertrag hat, das vollständige Vertragsguthaben (inkl. Zulagen) des Verstorbenen übernehmen, Kinder oder andere nahe Verwandte jedoch nicht.
  • Eventuell, wenn aus dem Riester-Vertrag Geld zum Erwerb von Wohneigentum entnommen wurde und nicht entsprechend den Vorgaben zurückgezahlt wurde. Insbesondere auch dann, wenn das Wohneigentum z. B. nicht der Altersvorsorge dient(e).
  • Wenn die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht in Deutschland endet. Eine Stundung bis zum Beginn der Rentenzahlung und dann wiederum eine Tilgung i. H. v. 15 % der Rente kann vereinbart werden. Das geht solange, bis die staatliche Förderung zurückgezahlt ist.

Bei folgendem Sachverhalt müssen die Zulagen nicht zurückgezahlt werden:

  • Ruhestellung des Vertrages ohne Auszahlung des Guthabens.

Die mit der Förderung verbundenen Aufgaben wurden der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) mit Sitz in der Stadt Brandenburg an der Havel übertragen. Die ZfA ist eine Verwaltungseinheit der Deutschen Rentenversicherung Bund. Die ZfA übernimmt die Berechnung, Kontrolle, Auszahlung und ggf. Rückforderung von Zulagen. Sie steht dazu im Kontakt mit Finanzämtern, Anbietern, Besoldungsstellen und Familienkassen.

Kommunikation zwischen Versicherungsunternehmen und ZfA

Der Riestersparer stellt den Zulagenantrag über das Unternehmen, bei dem er den Sparvertrag abgeschlossen hat. Das ausgefüllte Formular wird von dem Unternehmen erfasst und in elektronischer Form an die ZfA versandt. Das Unternehmen kommuniziert mit der ZfA zu allen Vorgängen, wie schädlicher Verwendung oder Zulagenfestsetzung in der Regel in elektronischer Form über den Versand und die Verarbeitung von strukturierten Daten im XML-Format. Das soll den recht hohen bürokratischen Aufwand begrenzen, indem die gesamte Kommunikation mit Hilfe entsprechender Software automatisch im Betrieb eines Rechenzentrums und vor allem papierlos erfolgt. Zu diesem Zweck hat die ZfA ein sogenanntes Kommunikationshandbuch veröffentlicht, in dem die technischen Modalitäten des Datenaustauschs festgelegt sind.

Für die Zulagebeantragung wird eine Reihe von Daten erhoben, die für den eigentlichen Vertragsanbieter unerheblich sind. Dazu gehören Angaben über Familie, Einkommen und Kindergeldbezug. Da der Anbieter diese Daten aber vorhalten und bearbeiten muss, ist das Verfahren aus Sicht des Datenschutzes bedenklich. Die Daten werden an die zentrale Zulagenstelle übermittelt, die die Zulage vorläufig berechnet und an den Anbieter auszahlt. Danach finden Überprüfungen der gemachten Angaben statt. Zu diesem Zweck steht die zentrale Zulagenstelle im Datenaustausch mit den Finanzämtern, Familienkassen und ggf. Besoldungsstellen. Da die Familienkasse bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Arbeitgeber des Anlegers ist, geraten auf diesem Weg Daten an den Arbeitgeber, die dieser nicht für eigene Zwecke benötigt. Beamte benötigen eine Einverständniserklärung des jeweils zuständigen Landesamts für Besoldung und Versorgung.

Zahl der abgeschlossenen Riesterverträge
Jahr Riesterverträge
2001 1,40 Mio.
2002 3,37 Mio.
2003 3,92 Mio.
2004 4,19 Mio.
2005 5,63 Mio.
2006 8,05 Mio.
2007 10,76 Mio.
2008 12,15 Mio.
2009 13,25 Mio.
2010 14,40 Mio.
2011 15,36 Mio.

[15]

„Riester-Rente“ wurde bei der Wahl für das Wort des Jahres 2001 auf den 8. Platz gewählt.

Durch das Alterseinkünftegesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, wurden die Zertifizierungskriterien von elf auf fünf reduziert, was der Vereinfachung der Riester-Rente und damit einer höheren Akzeptanz durch die Bürger dienen sollte. Der Erfolg dieser Maßnahme ist jedoch strittig. Um die Attraktivität der Riester-Rente für Vermittler zu erhöhen, wurde gleichzeitig die Auszahlung der Provision auf einen Zeitraum von fünf Jahren konzentriert. Weiterhin sieht das Gesetz vor, dass von dem Altersvorsorgevermögen ab Rentenbeginn bis zu 30 % ausgezahlt werden können und das restliche Kapital der lebenslangen Verrentung dient. Bei einer Vollauszahlung (schädliche Verwendung -siehe unten) tritt neben der Rückzahlung der Förderungen für Neu-Verträge die volle Ertragsbesteuerung ein. Alt-Verträge (bis 31. Dezember 2004) sind bei Kündigung ertragssteuerfrei, wenn sie mindestens 12 Jahre Laufzeit hatten. Ferner braucht der Versicherte die Zulage nicht mehr jedes Jahr erneut zu beantragen, sofern er dem Anbieter eine entsprechende Vollmacht erteilt hat.

Das Alterseinkünftegesetz führte gemäß einer EU-Richtlinie für alle ab 2006 angebotenen Tarife zwingend die sogenannten Unisex-Tarife ein. Bei diesem Tarif erhalten Frauen und Männer (geschlechtsunabhängige Risikobewertung) bei gleichem Beitrag die gleiche Leistung. Da die voraussichtliche Lebenserwartung für die Kalkulation der Tarife sich bisher am Geschlecht orientierte und Frauen statistisch die höhere Lebenserwartung haben, führte die Einführung von Unisex-Tarifen zu einer Verschlechterung der Leistungen für Männer. Männer müssen mithin seit 1. Januar 2006 bei Neuabschlüssen für die gleiche Rentenleistung etwa 6,5 % mehr Beiträge aufwenden.

Nach dem Wegfall der Eigenheimzulage ab 2006 wurde als Ersatz eine Förderung im Rahmen des Riester-Sparens durch die große Koalition im Koalitionsvertrag versprochen. Von Anfang an war geplant, dass das Fördervolumen deutlich geringer als bei der früheren Eigenheimzulage sein werde (Einnahmeverbesserung für den Staat).

Wer mit einer Riester-Rentenversicherung, einem Bank- oder Fondssparplan fürs Alter spart, kann das angesparte Kapital ab sofort auch für den Bau oder Kauf einer Immobilie, die Entschuldung oder den Erwerb von Anteilen an Wohnungsgenossenschaften einsetzen. Auch Einzahlungen auf Bausparverträge sind jetzt förderfähig. Außerdem gibt es die Riester-Zulagen für Tilgungsleistungen auf Wohnungsbaukredite. Voraussetzung ist jeweils, dass die Immobilie selbst genutzt wird. Für ab 2008 geborene Kinder wurde die Riester-Zulage auf 300 Euro erhöht. Zusätzlich gibt es eine Extraprämie von 200 Euro für Berufseinsteiger, die bis zum 25. Lebensjahr einen Vertrag abschließen. Für Kinder, die bis einschließlich 2007 geboren wurden, bleibt es bei der bislang im Gesetz festgelegten Zulage von 185 Euro.

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH, Az.: C-269/07) wurde bestimmt: Wohnt jemand in Deutschland, arbeitet aber im Ausland, so besteht weiterhin unmittelbare Zulageberechtigung, wenn die ausländische Pflicht zur Einzahlung in eine gesetzliche Rentenversicherung vor dem 1. Januar 2010 begründet wurde und der Riester-Vertrag bereits ebenso vor dem 1. Januar 2010 abgeschlossen wurde.[16]

Die Finanzierung einer Wohnung oder selbstgenutzten Immobilie ist auch im EU/EWR-Ausland möglich. Das steuerlich geförderte Altersvorsorgevermögen kann jetzt auch hierfür genutzt werden. Es handelt sich dabei um die 27 EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen – nicht jedoch die Schweiz oder die Türkei. Die Förderung bleibt auch im Falle eines Wegzugs ins EU/EWR-Ausland erhalten. Rückforderungen sind nicht mehr vorgesehen. Ein Umzug in die Schweiz oder in die Türkei bleibt allerdings förderschädlich.

Eine Überprüfung der Riesterverträge ergab, dass Zulagen häufig zurückgefordert wurden, weil von nur mittelbar Zulageberechtigten während der Kindererziehungszeiten ( = Pflichtbeitragszeit) der Mindestbeitrag von 60 € p.a. nicht bezahlt wurde. Die Bundesregierung hatte daher einen Gesetzentwurf eingebracht, wonach fehlende Beiträge rückwirkend bis zum Jahr 2002 nachgezahlt werden können. Zur Vereinfachung wurde gesetzlich verankert, dass ab 2012 auch mittelbar Zulagenberechtigte den Sockelbeitrag von 60 Euro pro Jahr als Mindestbeitrag zahlen müssen, um die Zulagen abgreifen zu können.[17]

Mit Beginn des Jahres 2012 sinkt der Garantiezins für Neuabschlüsse von Riester-Verträgen von 2,25 auf 1,75 Prozent. Die Reduzierung wurde vom Bundesministerium für Finanzen in Kooperation mit dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft beschlossen.[18]

Am Konzept der Riester-Rente wird von verschiedenen Seiten Kritik geübt. Da harte Fakten fehlten, hat sich das DIW Berlin für eine systematische Überprüfung der Riesterrente ausgesprochen.[19]

  • Ein häufiger Kritikpunkt ist die Kompliziertheit von Riesterverträgen.[20] Laut einer Untersuchung von Ökotest im Jahre 2011 liegen bei manchen Anbietern die Gebühren über den staatlichen Zulagen.[21]
  • Eine Gruppe von Ökonomen hat im Dezember 2007 in einer Studie[22][23] festgestellt:
    • Noch offen sei die Frage, ob die Subventionen der Versicherungsanbieter durch die Riester-Förderung einen schweren Verstoß gegen die marktwirtschaftliche Ordnung darstellen.
    • Die Ergebnisse der Studie lassen den Schluss zu, dass ein Einfluss der Riester-Förderung auf die Sparneigung der Haushalte mit unterdurchschnittlichem Einkommen nicht existent oder sehr klein sei.
    • Die vielen im Beobachtungszeitraum abgeschlossenen Riester-Verträge seien nur scheinbar ein Erfolg, denn die Ergebnisse deuteten auf starken Abzug von Kapital aus anderen Sparformen und damit starke Mitnahmeeffekte hin.
  • Der Banksparplan stellt eine in der Regel gebühren- und risikofreie Anlageform dar, wird jedoch, wie Tests ergeben haben, von den Sparkassen weniger gerne angeboten als riestergeförderte Lebensversicherungen verschiedener Vertragspartner, die für die Berater häufig höhere Provisionen bedeuten, für den Kunden aber mit höheren Gebühren und höherem Risiko verbunden sind.
  • Die Riester-Rente lohne sich nicht für Geringverdiener und für Personen, die längere Zeiten beschäftigungslos waren, da alle Einkünfte aus der Riester-Rente nach der derzeitigen Rechtslage mit der Grundsicherung im Alter verrechnet werden. Wer es nach 35 Beitragsjahren nicht über 700 Euro Rente schafft, für den sei die Riester-Rente ein Verlustgeschäft.
  • Die Leistungen aus einer Riester-Rente sind in der Auszahlungsphase voll einkommensteuerpflichtig (nachgelagerte Besteuerung). Durch Zahlung der sogenannten Riester-Zulage wird für die Altersvorsorgebeiträge ein Zuschuss gewährt. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung wird auf Antrag geprüft, ob die Beiträge durch die Riester-Zulage zumindest von der Einkommensteuer freigestellt wurden (Günstigerprüfung). Wenn nicht, so werden die Beiträge als zusätzliche Sonderausgaben anerkannt und damit von der Einkommensteuer freigestellt, die Einkommensteuer wird im Gegenzug um die (gesondert zu beantragende) Zulage erhöht. In vielen Fällen (Veranlagung gemäß Grundtabelle, Doppelverdienerehepaare) ist die Riester-Zulage also kein „Geschenk“ des Staates, sondern dient lediglich dazu, eine doppelte Besteuerung zu verringern. Sozialversicherungsbeiträge fallen auf die Beiträge aber immer an.
  • Die EU-Kommission beschloss 2006, beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Klage gegen Deutschland zu erheben.[24] Zu den bemängelten Vorschriften zählen vor allem die Forderung nach unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland und die Förderung von Erwerb von Wohneigentum nur in Deutschland. Aus Sicht der EU ist dabei vor allem zu beanstanden, dass die derzeitigen Regelungen die Freizügigkeit der Arbeitskräfte beeinträchtigen könnten, da die Förderung für denjenigen keinen Vorteil bietet, der nur eine begrenzte Zeit in Deutschland arbeitet. Das Bundesministerium der Finanzen hält dem entgegen, dass die Riester-Rente zum Ausgleich der Kürzungen durch die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung 2001 geschaffen wurde und daher nur der durch diese Kürzung betroffene Personenkreis gefördert werden muss. Weiter wird angeführt, dass trotz der späteren Rückforderung der Förderung der auf die Zulagen entfallende Zinsertrag beim Anleger verbleibt und dieser daher sehr wohl einen Vorteil aus der Förderung habe.
  • Der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Publizist Diplom-Volkswirt Albrecht Müller stellt in seinem Artikel Riester-Rürup-Täuschung – prüfen Sie selbst nach[25] dem Konzept der Riester-Rente insgesamt ein vernichtendes Urteil aus. Er kritisiert, dass die Riester-Rente aus Sicht des Allgemeinwohls betrachtet eine Verschwendung von Steuergeldern sei und begründet das damit, dass das bisherige Umlageverfahren um vieles günstiger und effizienter sowie insgesamt sozialer sei. Die Förderung der Riester-Rente subventioniere hingegen die Finanz- und Versicherungswirtschaft, ohne dass das zu einem Vorteil für die Gesellschaft führe. Zusammenfassend führt er aus: „Man kann die Entscheidung für den teuren Umweg zur kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge nur verstehen, wenn man fragt, wer daran verdient: Die Finanzwirtschaft, die an der Umstellung beteiligten Wissenschaftler und auch viele Politiker. Die Zerstörung der gesetzlichen Rente zugunsten einer privaten Altersvorsorge ist ein heutzutage leider typischer Fall von politischer Korruption.“[25]
  • In einem Leserbrief an den Bonner General-Anzeiger kritisiert der ehemalige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Norbert Blüm, das Paradoxon der Riester-Rente sei, dass sie keine Antwort auf die Alterssicherheit derjenigen habe, die sich keine Riester-Rente leisten könnten. Es bestehe die Gefahr, dass Geringverdiener „diese später auf die Grundrente“ angerechnet bekämen, wodurch letztlich „diese Riester-Rentner für den Staatshaushalt gespart“ hätten. Die 13 Milliarden Euro Förderung, mit der der Bund die Private Altersvorsorge fördere, komme bei Licht betrachtet „Allianz & Co.“ zugute. In einem Vergleich mit der konventionellen Rentenversicherung führt er aus, dass weltweit betrachtet die kapitalgedeckte Rentenversicherung insgesamt großen Problemen ausgesetzt sei. Die konventionelle Rentenversicherung hingegen habe „zwei Weltkriege, Inflation und Währungsreform“ überlebt und die „Deutsche Einheit sozialpolitisch geschultert“. Dazu sei nur die alte Rentenversicherung in der Lage.[26]
  • Wer früh stirbt, für den ist die Riester-Rente ein Minusgeschäft. Nach Musterrechnungen von Dr. Klaus Jaeger, emeritierter Professor für Wirtschaftstheorie an der Freien Universität Berlin, muss ein heute 30-jähriger Mann mindestens 92 Jahre alt werden, um seine eingezahlten Beträge samt Zinsen zurückzubekommen. Tatsächlich besteht laut Statistischem Bundesamt nur eine Lebenserwartung von 78 Jahren.[27]
  • Karl-Josef Laumann (CDU) formuliert im Rahmen der Debatten zur Pflegeversicherung Kritik an der Riester Rente: „Ich bin allerdings für einen Kapitalstock in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Wenn das bei einzelnen Versicherern passiert, dann wird uns das genauso gehen wie bei der Riester-Rente: hohe Abschlussgebühren und niedrige Renditen.“[28]
  1. BMAS zur Riesterrente
  2. Riester Rente nicht immer pfändungssicher – Was Sparer beachten müssen, finanzen.de, 27. April 2012
  3. http://www.vorsorgedurchblick.de/projekt01/cat7.html&sid=fa84a9e30fc7cbc0f83adf143b11da83
  4. a b Bundesgesetzblatt Jahrgang 2011 Teil I Nr. 64, S. 2611 und 2617, Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften Artikel 2 Nummer 37 (S. 2611) und Artikel 25 Absatz 1 (S. 2617)
  5. a b Bundestagsdrucksache 17/6263 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 22. Juni 2011, Begründung zu Nummer 30 (§ 79 Satz 2) auf S. 61, drittletzte und vorletzte Zeile.
  6. Riester-Rente: Wenn Aktienfonds sicher sein müssen
  7. Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten und andere Versorgungsbezüge. In: Rubrik „Presse“. Abgerufen am 20. Oktober 2010.
  8. [1]
  9. Riester-Rente: Ohrfeige für Gesetzgeber. In: Rubrik „Presse“. Abgerufen am 10. September 2009.
  10. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.): Steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung. Bundesministerium der Finanzen, Geschäftszeichen IV C 3 – S 2222/09/10041, Schreiben vom 31. März 2010, S. 15, Randziffer 34. (PDF; 0,6 MB, abgerufen am 2. Mai 2011)
  11. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.): Steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung. Bundesministerium der Finanzen, Geschäftszeichen IV C 3 – S 2222/09/10041, Schreiben vom 31. März 2010, S. 20–21 Randziffer 56. (PDF; 0,6 MB, abgerufen am 19. Juni 2011)
  12. Zulagenrechner der deutschen Rentenversicherung Bund
  13. Formular V800 Kindererziehungszeiten bei der Deutschen Rentenversicherung
  14. Kapitel 4 erläutert den Berufseinsteiger-Bonus
  15. Mehr als 15 Millionen Riester-Verträge. Fast eine Million Neuverträge in 2011 – Wohn-Riester immer stärker gefragt. Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 22. März 2012
  16. Änderungen Altersvorsorge 2010
  17. Besserer Verbraucherschutz bei der Riester-Rente
  18. Was ändert sich 2012 bei der Riester Rente
  19. Zehn Jahre Riesterrente: „Erfolgsmeldungen im luftleeren Raum“. DIW Pressemitteilung vom 24. Februar 2010.
  20. Riester-Renten Reise ins Labyrinth, oekotest.de, 27. Mai 2011
  21. Altersvorsorge: Riester-Rente Wer blickt da noch durch?, sueddeutsche.de, 29. Mai 2011
  22. Erhöht die Riester-Förderung die Sparneigung von Geringverdienern?
  23. Philip Faigle: Erstmals haben Forscher die Wirkungen der Riester-Rente untersucht. Ihr Fazit: Die Politik verschwendet Milliarden – und die Armen sparen weiter zu wenig In: Die Zeit. Nr. 2 vom 10. Januar 2008
  24. Direkte Steuern: Die Kommission beschließt, wegen der Altersvorsorgezulage (der so genannten „Riester-Rente“) beim Gerichtshof Klage gegen Deutschland zu erheben – PM vom 4. Juli 2006
  25. a b Serie über Riester-Täuschung: http://www.nachdenkseiten.de/?cat=40&paged=2; Zitat aus: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3182; Herausgeber: Albrecht Müller und Dr. Wolfgang Lieb c/o IQM, „Initiative zur Verbesserung der Qualität politischer Meinungsbildung e.V.“; D-76881 Bad Bergzabern; Postfach 1248; E-Mail: redaktion(at)nachdenkseiten.de; Fax: +49 (0) 6343 – 93 90 66
  26. Leserbrief veröffentlicht auf: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3326
  27. Die Riester-Lüge http://www.wiwo.de/finanzen/die-riester-luege-403903
  28. Interview im Deutschlandfunk am 3. August 2011
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Betriebliche Altersversorgung

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Eine betriebliche Altersversorgung (bAV) liegt vor, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses Versorgungsleistungen bei Alter, Invalidität und/oder Tod zusagt. Die betriebliche Altersversorgung gehört zur zweiten Schicht der Altersvorsorge und wird in § 1 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) definiert.

Inhaltsverzeichnis

In der bAV stehen folgende Durchführungswege zur Verfügung:

  • Direktzusage: Arbeitgeber bildet Rückstellungen; frei in der Art der Geldanlage, beitragspflichtig im Pensionssicherungsverein
  • Unterstützungskasse: Rückgedeckt oder „reservepolsterfinanziert“; gewährt formal keinen Rechtsanspruch, beitragspflichtig im Pensionssicherungsverein
  • Pensionskasse (PK): Selbständiges Versicherungsunternehmen; Einzahlungen sind steuerlich limitiert
  • Direktversicherung (DV): Produkt einer Lebensversicherungsgesellschaft; seit 2005 gilt: viele Analogien zur Pensionskasse (insbesondere steuerlich); vor 2005 wurde die Direktversicherung steuerlich in der Anwartschaftsphase pauschaliert, (§ 40b EStG) und in der Rentenphase der Ertragsanteilsbesteuerung unterworfen.
  • Pensionsfonds (PF): neuer Durchführungsweg, hohe Aktienquote zulässig, (begünstigt) beitragspflichtig im Pensionssicherungsverein

Die Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds werden auch als mittelbare Durchführungswege bezeichnet, da die Durchführung bei einem rechtlich selbstständigen Unternehmen erfolgt. Sie werden auch als versicherungsförmige Durchführungswege bezeichnet.

Für die Auswahl des Durchführungsweges sind neben der gewünschten Höhe der zugesagten Leistung arbeitgeberseits auch steuer- und bilanzrechtliche sowie unternehmenspolitische Gründe entscheidend.

Betriebliche Altersvorsorge kann Arbeitnehmern, genauer: Angestellten, Arbeitern, Auszubildenden und nicht-beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH, sowie Mitgliedern des Vorstandes einer Aktiengesellschaft und Unternehmer-Arbeitnehmern (beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH) zugesagt werden.

Weiterhin kann betriebliche Altersversorgung für Betriebsfremde aus Anlass einer (ausschließlichen) Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt werden.

Aus Sicht des Arbeitnehmers lohnt sich eine betriebliche Altersversorgung primär aus Gründen der Einsparung von steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Entgeltanteilen. Die späteren Leistungen aus der Versorgung (Kapital, Rente) sind voll steuerpflichtig; da die Einkünfte im Alter aber regelmäßig geringer sind als in der Anwartschaftsphase, profitiert der Rentner vom geringeren Steuersatz. Durch seinen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung kann er Rücklagen für das Alter bilden und seine gesetzliche Rente ergänzen.

Mit dem zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) wurde die Pflicht zur Zahlung von Krankenversicherungs- und Pflegebeiträgen auf die betriebliche Altersversorgung eingeführt. Die Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) hat der Betriebsrentner allein zu tragen. Hiervon nicht betroffen sind privat Krankenversicherte. Gesetzlich oder freiwillig krankenversicherte Betriebsrentner, die beispielsweise nach Ausscheiden aus einem Betrieb die Beiträge in Eigenregie fortgezahlt haben, haben auf daraus resultierende Leistungen ebenfalls keine KVdR zu bezahlen. Dies hat die Rechtsprechung des BVerfG mit Beschluss vom 28.September 2010 (1 BvR 1660/08)[1][2] geklärt. Ist die Rente niedriger als ein Zwanzigstel der Bagatellgrenze ((§ 18 SGB IV), § 226 SGB V), entfällt die Krankenversicherungspflicht.

Die für Zwecke der betriebliche Altersversorgung umgewandelten Gehaltsteile sind nicht sozialversicherungspflichtig. Steuerlich betrachtet sind Ausgaben für die Mitarbeiterversorgung Betriebsausgabe. Der Arbeitgeber verfügt mit der betrieblichen Altersversorgung zudem über ein Instrumentarium zur Mitarbeiterbindung und -motivation. Prestige und Betriebsklima können positiv beeinflusst werden.

Der Arbeitsvertrag unterliegt dem Dienstleistungsrecht des BGB, modifiziert durch arbeitsrechtliche Grundsätze. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, über Nachteile und Wirkungen der bAV aufzuklären. So verzichtet der Arbeitnehmer für den umgewandelten Teil seines Arbeitslohnes beispielsweise auf gesetzliche Rentenanwartschaften, wie verkürzte Altersrente und Erwerbsminderungsansprüche. Auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Leistungen bei Arbeitslosigkeit verringern sich. Der Arbeitgeber begibt sich bei der Beratung in Haftungsgefahren. Die Rechtsberatung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist allein dafür zugelassenen Rentenberatern und Rechtsanwälten vorbehalten.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern ohne sachliche Gründe und in vergleichbarer Lage schlechter zu stellen. Der Arbeitgeber darf einzelne Arbeitnehmer bei der Gewährung von Leistungen oder Vergünstigungen nicht willkürlich oder aus sachfremden Motiven ausschließen. Ein Arbeitnehmer darf in diesem Zusammenhang nicht willkürlich von einer eingerichteten betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen werden. Ebenso darf er nicht bei Einrichtung einer betrieblichen Altersversorgung benachteiligt werden.

Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, haben einen Rechtsanspruch auf Umwandlung von Gehaltsteilen in eine betriebliche Altersversorgung (sog. Entgeltumwandlung), § 1a i.V.m. § 17 BetrAVG. Der Anspruch besteht bis zu einer Höhe von 4 % der BBG (West) in der DRV. 2012 sind dies bis zu 2.688 € jährlich. Zu beachten ist, dass Tarifrecht, als kollektives Arbeitsrecht, grundsätzlichen Vorrang für Tarifentgelte bei Gehaltsumwandlung genießt. Mittels Tariföffnungsklausel eröffnet der Tarifvertrag dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, Teile seines tarifvertraglichen Lohns oder Gehalts in eine Betriebsrente zu investieren. Unberührt bleiben Rechtsansprüche auf Gehaltsumwandlung für über- und außertarifliche Gehaltsbestandteile. Gewerkschaftlich nicht gebundene Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch auf Gehaltsumwandlung aus Tarifbezügen bei fehlender Allgemeinverbindlichkeitserklärung gemäß § 17 Abs. 5 Betriebsrentengesetz.

Eine betriebliche Altersvorsorge beruht auf einer arbeitsrechtlichen Zusage des Arbeitgebers. Zusagen können einzelvertraglich (individuell durch Arbeitsvertrag) oder auch als Zuwendung an bestimmte Gruppen im Betrieb, letztlich kollektiv-vertraglich (Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) erklärt werden.

  • Leistungszusage: Der Arbeitgeber sagt seinem Arbeitnehmer eine bestimmte Leistung (z. B. 1.000 € Rente, 100.000 € Kapitalleistung od. 100.000 € bei Tod od. Invalidität) zu.
  • Beitragsorientierte Leistungszusage (BolZ): Diese Zusage wird üblicherweise bei den versicherungsförmigen Durchführungswegen verwendet. Der Arbeitgeber sagt seinem Arbeitnehmer zu, regelmäßig oder einmalig einen bestimmten Betrag an eine Versorgungseinrichtung zu zahlen und sagt damit die sich daraus ergebende Leistung zu (z. B. bei einer Direktversicherung die garantierte Ablaufleistung).
  • Beitragszusage mit Mindestleistung: Eingeführt für den Pensionsfonds. Heute erweitert. Arbeitgeber haftet für die eingezahlten Beiträge abzüglich der planmäßigen Beiträge für biometrische Risiken (Alter, Invalidität, Tod). Ein Vorteil dieser Zusageform besteht darin, dass den Arbeitgeber in der Rentenphase des Arbeitnehmers keine Anpassungsprüfpflicht trifft (§ 16 Absatz 3 BetrAVG).

Eine reine Beitragszusage, also das Versprechen des Arbeitgebers, einen bestimmten Beitrag in eine Altersvorsorge einzuzahlen und dem Arbeitnehmer das Kapitalanlagerisiko zu überlassen, ist nicht möglich. Der Arbeitgeber haftet immer für die abgegebene Zusage.

Für Unternehmer (rechtlich: Selbständige) ist betriebliche Altersversorgung nicht möglich.

Die Zusageart hat bei den versicherungsförmigen Durchführungswegen auch Auswirkungen auf die Portabilität, die Berechnung des unverfallbaren Anspruchs bei Ausscheiden und die sich daraus ergebenden Haftungsfolgen für den Arbeitgeber.

  • Bei der Leistungszusage ist die Übertragung des Guthabens auf einen neuen Arbeitgeber nicht möglich. Bei Ausscheiden des Arbeitnehmers wird dessen unverfallbare Anwartschaft nach dem sogenannten ratierlichen- oder pro-rata-temporis-Verfahren errechnet. Dies gilt für alle Durchführungswege. Rechnerisch wird die zugesagte Leistung genommen (z. B. 1000 € Monatsrente zum 65. Lebensjahr) und mit der möglichen und tatsächlichen Beschäftigungszeit (Eintritt mit 35 = 30 mögliche Jahre Betriebszugehörigkeit mit 65) ins Verhältnis gesetzt: Ein Ausscheiden mit 45 (= 10 Jahre Betriebszugehörigkeit) geteilt durch 30 Jahre möglicher Zugehörigkeit ergibt 1/3 von 1.000 € (zugesagter Rente) also 333 € Monatsrente.
  • Der Vorteil der "Beitragsorientierten Leistungszusage" liegt darin, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 1–3 BetrAVG, das "Versicherungsvertragliche Verfahren" angewendet werden kann. Erfüllt der Arbeitgeber die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Satz 2, wird der Versicherungsvertrag – haftungsbefreiend für den Arbeitgeber – auf den Arbeitnehmer übertragen. Beim versicherungsvertraglichen Verfahren wird der Versicherungsvertrag mit dem Anteilsguthaben zum Ausscheidedatum beim alten Arbeitgeber per Versicherungsnehmerwechsel auf den Arbeitnehmer übertragen. Dieser kann den Vertrag dann mit eigenen Beiträgen fortführen oder ihn per Versicherungsnehmerwechsel auf einen neuen Arbeitgeber (§ 4 Abs. 2 BetrAVG) oder auf ein anderes Versicherungsunternehmen (§ 4 Abs. 3 BetrAVG) übertragen lassen.
  • Die "Beitragszusage mit Mindestleistung" wurde für den Pensionsfonds eingeführt. Da hier das versicherungsvertragliche Verfahren nicht angewendet werden kann, haftet der Arbeitgeber nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers grundsätzlich für den gesamten Vertrag (auch für privat eingezahlte Beiträge), bis der Vertrag nach einem Arbeitgeberwechsel auf einen neuen Arbeitgeber per Versicherungsnehmerwechsel übertragen wurde. Diese Haftung kann allerdings durch eine versicherungsvertragliche Anspruchsbegrenzung ausgehebelt werden. Soweit diese Zusageart zwar für den Pensionsfonds eingeführt wurde, ist sie gleichwohl anwendbar für Direktversicherungen und Pensionskassen (Tatbestände des § 3.63 EStG).
siehe Artikel: Unverfallbarkeit

Scheidet ein Arbeitnehmer vor Eintritt des Versorgungsfalls (Erreichen der Altersgrenze, Tod oder Invalidität) aus dem Unternehmen aus, bleibt ihm eine Anwartschaft erhalten, wenn die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen erfüllt sind. Der Arbeitgeber kann zum Vorteil des Arbeitnehmers von diesen Grenzen ganz oder teilweise abweichen (vertragliche Unverfallbarkeit).

Zusagen, die seit dem 1. Januar 2009 abgegeben werden, erreichen die gesetzliche Unverfallbarkeit, wenn sie zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Betrieb mindestens 5 Jahre bestanden haben und der Arbeitnehmer zudem das 25. Lebensjahr vollendet hat.

  • Vom 21. Dezember 1974 bis zum 31. Dezember 2000 waren 10 Jahre Zusagedauer und die Vollendung des 35. Lebensjahres zur Unverfallbarkeit notwendig. Daneben gab es die Regelung, dass die Zusage mindestens 3 Jahre bestand bei einer Mindestbetriebszugehörigkeit von 12 Jahren und die Vollendung des 35. Lebensjahres.
  • Vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2008 galten 5 Jahre Zusagedauer und die Vollendung des 30. Lebensjahres.

Vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes am 21. Dezember 1974 gab es keine gesetzlichen Regelungen zur Unverfallbarkeit.

Entgeltumwandlungen sind seit 2001 sofort unverfallbar. Zusagen sind mithin ab der ersten Beitragszahlung des Arbeitnehmers unverfallbar. Auch bei der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung können die Ansprüche der sofortigen Unverfallbarkeit unterliegen, sofern dies im Vertrag so vereinbart wird.

Unverfallbare Ansprüche können gemäß § 3 BetrAVG abgefunden werden, wenn ein Arbeitnehmer ausscheidet. Ein einseitiges Abfindungsrecht des Arbeitgebers besteht, wenn der Arbeitnehmer Kleinstanwartschaften erworben hat. Diese Anwartschaften dürfen 1 % bzw. 12/10tel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) nicht überschreiten. Für das Jahr 2011 bedeutet dies: 25,55 € monatliche Rente bzw. 3060 € Kapital (West). Macht der Arbeitnehmer wegen Arbeitgeberwechsels Gebrauch von seinem Portabilitätsrecht, scheidet eine Abfindung aus.

Diese Regelung findet für Betriebsübergänge nach § 613a keine Anwendung.

§ 4 BetrAVG regelt die Übertragung bestehender (unverfallbarer) Anwartschaften eines Arbeitnehmers auf betriebliche Altersversorgung vom alten auf den neuen Arbeitgeber nach Betriebswechsel. Ebenso regelt § 4 BetrAVG die Übertragung laufender Leistungen.

Für alle Durchführungswege der betrieblichen Versorgung wird die sogenannte einvernehmliche Übertragung geregelt. Diese gestaltet sich entweder durch Übernahme der Zusage durch den neuen Arbeitgeber oder durch Übertragung des Übertragungswertes. Im zweiten Fall muss der Arbeitgeber eine dem Übertragungswert wertgleiche Versorgung erteilen. Dabei besteht kein Anspruch auf den bisherigen Durchführungsweg nebst Zusatzrisikoabsicherung(en). Auch ein Anspruch auf Eindeckung der Vorsorge bei einem bestimmten Versicherer besteht nicht.
Um im Sinne des § 3 Nr. 55 EStG keine steuerlichen Nachteile zu erleiden, müssen die Versorgungen steuersystemimmanent übertragen werden. Eine Pensionszusage nach § 6b EStG kann beispielsweise nicht steuerfrei in eine Pensionskasse nach § 3.63 EStG übertragen werden, genauso wenig eine Firmendirektversicherung nach § 40 b EStG in eine Unterstützungskasse nach § 4a EStG.

Neben der einvernehmlichen Übertragung besteht gem. § 4 Abs. 3 BetrAVG ein Rechtsanspruch auf Übertragung in den Fällen der § 3.63 EStG-Versorgung über die Durchführungswege: Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds. Der Rechtsanspruch wirkt innerhalb eines Jahres nach Ausscheiden aus dem Betrieb des alten Arbeitgebers und gilt nur für nach dem 1. Januar 2005 erteilte Zusagen. Begrenzt sind die Rechtsansprüche der Höhe nach auf Anwartschaften, deren Werte die im jeweiligen Jahr gültigen Grenzen zur BBG/DRV nicht überschreiten (2012: 67.200 €/West und 57.600 €/Ost).

§ 4a BetrAVG regelt den Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Erforderlich hierfür ist ein berechtigtes Interesse, zum Beispiel die Frage der Ratsamkeit ergänzender Altersvorsorge, des Arbeitnehmers. Auskunft muss beim Betriebswechsel beispielsweise erteilt werden zur Höhe der erworbenen unverfallbaren Anwartschaften bei Erreichen der Altersgrenze und zur Höhe des Übertragungswertes einer Anwartschaft bei Portabilitätsvollzug. Der neue Arbeitgeber hat beispielsweise zu erklären, ob biometrische Risiken, wie Berufsunfähigkeitsabsicherung oder Hinterbliebenenschutz eingeräumt wird.

Mitteilungspflichten bestehen gegenüber den beteiligten Sozialversicherungsträgern und Finanzämtern.

§ 5 BetrAVG regelt, dass laufende Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung durch Erhöhungen anderer Rentenbezüge nicht geschmälert werden dürfen. Rechtlich wird ebenso fixiert, dass weitergehende Altersvorsorge des Arbeitnehmers bei der Festsetzung von Rentenleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung nicht angerechnet werden dürfen. Bedeutung hat dieser Anspruch insbesondere bei Gesamtzusagen über die betriebliche Altersversorgung.

Nach § 16 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, "alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden (...)". Bei dieser Prüfung (=heißt nicht, dass alle 3 Jahre die Leistungen tatsächlich erhöht werden müssen) darf der Arbeitgeber die wirtschaftliche Lage des Unternehmens mitberücksichtigen.

Sofern die wirtschaftliche Lage des Unternehmens eine Steigerung zulässt, hat der Arbeitgeber sich am Verbraucherpreisindex für Deutschland oder an der Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum (§ 16 Abs. 2 BetrAVG) zu orientieren.

Da dieses Verfahren sehr aufwendig ist, hat der Gesetzgeber Möglichkeiten geschaffen, auf die Anpassungsprüfungspflicht zu verzichten bzw. die Anpassungsprüfungspflicht als erfüllt gelten zu lassen (§ 16 Abs. 3 BetrAVG). Tatbestände sind:

  • Die laufenden Leistungen werden jährlich um mindestens 1 % erhöht.
  • Die bAV wird über eine Direktversicherung oder Pensionskasse durchgeführt und dort ist vorgesehen, dass sämtliche Überschüsse zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden.
  • Eine Beitragszusage mit Mindestleistung wurde erteilt.

Hat der Arbeitgeber die Anpassung geprüft und kommt zu dem Ergebnis, dass die Leistungen nicht angepasst werden müssen oder können, muss diese unterbliebene Anpassung nicht nachgeholt werden (§ 16 Abs. 4 BetrAVG).

Bei Entgeltumwandlungen muss die Rente entweder um 1 % pro Jahr erhöht werden oder es werden die Überschüsse vollständig zur Erhöhung der Leistungen vorgesehen.

Je nachdem, wer die Beiträge bezahlt, spricht man von einer arbeitgeber- oder arbeitnehmerfinanzierten Versorgung. Mischformen sind möglich und im heutigen Betriebsverkehr auch üblich.

Der Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) hat eine Doppelfunktion inne. Statusrechtlich ist er Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer Person. Zumeist verfügen GGF über hohe Einkünfte, weshalb ihrer Versorgung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine besondere Bedeutung zukommt. Die Versorgungslücken der GGF sind regelmäßig hoch, da sich die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Beitragsdeckelung der BBG/DRV relativ verkürzen und bei (beherrschenden) GGF durch deren Sozialversicherungsfreiheit sogar nahezu ausfallen können.

Diese Doppelfunktion des GGF hat Auswirkungen auf seine sozialversicherungsrechtliche Behandlung sowie seinen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Status.

Die Sozialversicherungsfreiheit eines GGF hängt davon ab, wie viele Kapitalanteile er an der Gesellschaft hält und in welchem Verhältnis zu Mitgesellschaftern er Stimmrechte ausübt. Sozialversicherungsfreiheit resultiert, wenn er Beschlüsse verhindern kann. Für eine sozialversicherungsrechtliche Beherrschung der Gesellschaft spricht auch, wenn Indizien wie die alleinige Vertretungsmacht, Weisungsfreiheit oder eigenes Unternehmerrisiko beim GGF vorliegen.

Gemäß § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) wird der sozialversicherungsrechtliche Status des GGF auf Veranlassung der Einzugsstelle obligatorisch geprüft. Nach Weiterleitung prüft die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund die sachlichen Voraussetzungen. Im Wege des eigenen Antragsverfahrens kann der GGF auch eine rückwirkende Überprüfung seines Status veranlassen, dies mit möglicher Rückerstattung von zu Unrecht abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen. Der Erstattungszeitraum ist dabei auf vier Jahre gesetzlich beschränkt. Davor liegende Beiträge werden als Pflichtbeiträge angesehen. Die Entscheidung der Clearingstelle bindet die Bundesagentur für Arbeit, wenn sich der GGF der Befreiung nicht durch Pflichtversicherung auf Antrag oder freiwillige Versicherung entgegenstellt.

Wie bei selbständigen Unternehmern finden die Vorschriften des Betriebsrentengesetzes bei beherrschenden GGF keine Anwendung. Daraus folgt, dass beispielsweise kein Insolvenzschutz besteht und keine gesetzliche Regelung zur Unverfallbarkeit von Ansprüchen. Ein GGF übt insolvenzrechtliche Beherrschung über die Gesellschaft aus, wenn er allein ≥ 50 % Kapitalanteile oder Stimmrechte besitzt, oder mehrere GGF mit ≤ 50 % Gesellschaftsanteilen die Gesellschaft lenken und keiner der GGF über Mehrheitsanteile verfügt.

Ein nicht dem BetrAVG unterfallender GGF muss sich bei einer Versorgung über die versicherungsförmigen Durchführungswege der Direktversicherung, der Pensionskasse oder des Pensionsfonds zu seinen Gunsten ein vorbehaltloses, unwiderrufliches Bezugsrecht einräumen lassen, um seine Ansprüche im Insolvenzfall gegen Dritte zu schützen. Versorgungen über die Pensionszusage oder die Unterstützungskasse genießen Insolvenzschutz nur, wenn der GGF sich die Ansprüche daraus vertraglich verpfänden lässt.[3] Für die Anspruchsverpfändung ist ein Gesellschafterbeschluss notwendig. Bei Pfandreife bewirkt die Verpfändung Hinterlegungsrechte, Übertragungs- bzw. Auszahlungsansprüche.

Die steuerrechtliche Anerkennung einer Versorgungszusage an einen GGF unterliegt einem Bündel von Voraussetzungen. Der GGF muss in einem Dienstverhältnis stehen, das vom Verbot der Selbstkontrahierung befreit. Die Tatsache, in eigenem Namen mit sich für die Gesellschaft Rechtsgeschäfte abschließen zu dürfen, ist zudem im Handelsregister einzutragen. Mittels Gesellschafterbeschluss ist eine schriftliche, vorbehaltlose Versorgungsvereinbarung zu treffen, die Rechtsansprüche auf Kapital- oder Rentenversorgung gewährt.

Eine steuerrechtliche Beherrschung des GGF liegt vor, wenn er ≥ 50 % Kapitalanteile / Stimmrechte an der Gesellschaft hat, oder kraft Anteilszurechnung bei gleichgerichteten Interessen mehrerer Gesellschafter (keiner darf allein beherrschend sein) auch ≤ 50 % Anteile genügen.

Für Pensionszusagen gilt, dass Rückstellungen auf der Passivseite in der Steuerbilanz vorgenommen werden können. Diese Rückstellungen dürfen wirksam nur gebildet werden, wenn eine zivilrechtlich wirksame Zusage erteilt wurde, die den formellen Voraussetzungen des § 6a EStG entspricht und die Zusage in einer Gesamtbetrachtung nicht zu einer Überversorgung führt. Eine Überversorgung liegt dann nicht vor, wenn die Altersversorgung des GGF 75 % der letzten Aktivbezüge (= alle arbeitsrechtlich relevanten Einkünfte) zum jeweiligen Bilanzstichtag nicht überschreitet. Durch Gehaltsumwandlung finanzierte Zusagen werden in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt.

Für Unterstützungskassen gilt, dass Zuwendungen nur dann als Betriebsausgaben anerkannt werden, wenn analog zur Pensionszusage eine zivilrechtlich wirksame Zusage erteilt wurde, die keine Überversorgung auslöst. Eine dem § 6a EStG entsprechende Anforderung enthält der Steuertatbestand § 4d EStG für die Unterstützungskasse nicht.

Die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung fordern weitere spezielle Voraussetzungen ein, damit eine Versorgungszusage steuerlich nicht am Prinzip der Verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) scheitert. Kriterien, die es zu erfüllen gilt sind: Erdienbarkeit der Zusage, anerkennungsrechtliche Probezeit, Angemessenheit der Bezüge, Finanzierbarkeit, Finanzierungsendalter (Ausrichtung allein an der Regelaltersrente), Üblichkeit und besondere Unverfallbarkeitsvoraussetzungen. Es soll verhindert werden, dass Gewinnverwendungen und Vermögensvorteile der Gesellschaft unangemessenerweise in steuerwirksame Betriebsausgaben transferiert werden (vGA). Insbesondere ist eine vGA dann indiziert, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Zuwendungen an einen Geschäftsführer, der nicht auch Gesellschafter ist, nicht gewährt hätte (sog. Drittvergleich).

  • Der nicht beherrschende GGF unterfällt § 3 Betriebsrentengesetz und ist dem gewöhnlichen Arbeitnehmer gleichgestellt (s.o.).
  • Für den beherrschenden GGF gilt: Unverfallbare Versorgungsanwartschaften können abgefunden werden, sind aber in einer schriftlichen Abfindungsvereinbarung festzuhalten. Fällt die Abfindung niedriger aus als die Anwartschaft, liegt ein steuerlich relevanter Teilverzicht zum Barwert vor.[4]
  • Der nicht beherrschende GGF kann auf verfallbare Anwartschaften stets verzichten. Im übrigen sieht das BetrAVG neben dem in engem Rahmen möglichen Abfindungsrecht kein Verzichtsrecht vor.
  • Der beherrschende GGF kann bei Ausscheiden aus dem Betrieb auch auf unverfallbare Anwartschaften verzichten. Regelmäßig verzichtet der GGF bei Ausscheiden aus dem Betrieb aber nicht auf seine unverfallbaren Ansprüche, sondern "friert" sie ein (Past-Service), was von den Finanzverwaltungen regelmäßig nicht als steuerlich relevanter Teilverzicht auf den Future-Service angesehen wird.[5]

Gesetzlich unverfallbare Anwartschaften ebenso wie laufende Leistungen zugunsten von Arbeitnehmern sind bei der Direktzusage, der Unterstützungskasse und dem Pensionsfonds über den Pensionssicherungsverein insolvenzgeschützt. Der Schutz besteht innerhalb bestimmter Leistungsgrenzen (§ 7 Abs. 3 BetrAVG). Für Inhaber von verfallbaren Versorgungsanwartschaften oder für Nicht-Arbeitnehmer (z.B. Organmitglieder von Kapitalgesellschaften, z.B. Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften) bieten sich stattdessen oder zusätzlich Insolvenzsicherungsmöglichkeiten über die Verpfändung von Rückdeckungsversicherungsverträgen oder die sogenannte Contractual Trust Arrangements, kurz CTA genannt, an. Versorgungsanwartschaften für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) (GmbH) unterliegen nicht der Beitragspflicht zum Pensionssicherungsverein, da sie nicht dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) unterfallen.

Oft werden tarifvertragliche Vereinbarungen getroffen, um Branchenlösungen herbeizuführen. Die Behandlung der steuer- und sozialversicherungsentlasteten Verbeitragungen entsprechen auch hier dem jeweils gewählten Durchführungsweg. In vielen Fällen werden Beiträge aus Entgeltumwandlungen vom Arbeitgeber mit Zuschüssen aufgestockt. In anderen Fällen werden unabhängig von einer Entgeltumwandlung arbeitgeberfinanzierte Vorsorgesysteme konzipiert. In der Praxis üblich werden sogar Kombinationen aus arbeitgeberfinanzierten Beiträgen, die bei zusätzlicher Gehaltsumwandlung noch zudem bezuschusst werden. Hierfür sind der Tarifvertrag der Arzthelferinnen[6] und der im Januar 2012 in Kraft tretende Apotheken-Tarifvertrag[7][8] anschauliche Beispiele.

In der Regel wird bei tarifvertraglichen Lösungen sofortige Unverfallbarkeit der Leistungen des Arbeitgebers vereinbart. Grundsätzlich sind die meisten Tarifverträge hinsichtlich des Anbieters für eine Eindeckung der betrieblichen Altersversorgung frei ausgestaltet.

Wichtige Tarifverträge mit hoher Durchdringung in der Arbeitnehmerschaft sind beispielsweise der TV Metall oder der TV DeHoga.

Arbeitgeberleistungen bestehen zumeist in reinen Arbeitgeber-Beiträgen zur Versorgung des Arbeitnehmers oder in Arbeitgeberzuschüssen, die entweder in prozentualen Anteilen an eine Gehaltsumwandlung fixiert, oder an die Höhe der ersparten Sozialversicherungsbeiträge gekoppelt werden. Unter Beachtung der Tariföffnungsklausel können bei Gehaltsumwandlungen, Gehalt, Jahressonderzahlungen, Vermögenswirksame Leistungen oder Urlaubsgeld tariflich geregelt sein.

Je nach Durchführungsweg ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen:

  • Der Arbeitgeber ist grundsätzlich allein berechtigt, den Versorgungsträger der betrieblichen Altersversorgung auszuwählen. Daraus resultieren allgemeine Hinweis- und Aufklärungspflichten.
  • Der Arbeitgeber haftet für die erteilte Versorgungszusage. Er hat eine Einstandspflicht im Wege der Subsidiärhaftung. Dadurch kann es im Leistungsfall zu einer Nachschusspflicht des Arbeitgebers kommen. Bei Direktversicherungen und Pensionskassen ist die Haftungsfrage nahezu bedeutungslos, da diese wie Lebensversicherungsunternehmen derzeit (2012) 1,75 % p.a. Verzinsung (vor Kosten) garantieren. Bei Pensionsfonds kann diese Haftung in der Praxis relevant werden. Daher unterliegt er auch der Beitragspflicht zum Pensionssicherungsverein.
  • Haftungsauslagerung kann der Arbeitgeber nur erlangen, indem dieser einen für die Rechtsberatung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung zugelassenen Rechtsberater einschaltet. Zugelassene Rechtsberater sind gem. den Ausführungen des Präsidenten des Deutschen Juristentages, Herrn Prof. Dr. Henssler, niemals Versicherungsmakler und Finanzdienstleister, sondern ausschließlich Rechtsanwälte und gerichtlich zugelassene Rentenberater.
  • Für Arbeitgeber ist es unabdingbar, sich mit den rechtlichen Hintergründen von bAV-Lösungen auseinanderzusetzen, um den Arbeitnehmern umfassende Informationen zukommen zu lassen.
  • Mangels Aufklärung unterschätzen Arbeitgeber jedoch oftmals, dass sich der Beratungsvorgang zumeist im Bereich der erlaubnispflichtigen Rechtsberatung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) befindet, die grundsätzlich nur durch zugelassene Rechtsberater erbracht werden darf.
  • Bei fehlerhaften Arbeitnehmerberatungen würde der Arbeitgeber nämlich im ersten Schritt wie für eigenes Verschulden haften. Dies resultiert aus der rechtlichen Konstellation des Beratungsvorganges, in dem die beauftragten Berater die Stellung eines Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 278 BGB einnehmen.
  • Bei einer Entgeltumwandlung werden Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur Berufsgenossenschaft auf die umgewandelten Beiträge gespart, jedoch nur bis zur jährlichen Beitragshöhe von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze zur DRV.
  • Bei einer Direktzusage muss der Arbeitgeber Pensionsrückstellungen in seiner Bilanz ausweisen. Dies kann auch bei anderen Durchführungswegen der Fall sein. Direkte Auswirkung/Ausweisung in der Bilanz des Unternehmens finden nur bei Durchführungswegen, bei denen eine Rückstellung gebildet werden muss, also insbesondere bei der Direktzusage.
  • Versorgungsausgleich bzgl. betriebl. Altersversorgung
  • Altersvorsorge
  • Gesetzliche Rentenversicherung
  • Riester-Rente
  • Rürup-Rente
  • Eichel-Rente
  • Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung
  1. Sozialabgaben schmälern Betriebsrente – bis auf eine Ausnahme
  2. Bundesverfassungsgericht stoppt die Beitragspflicht für privat fortgeführte Direktversicherungen
  3. Urteile des BGH vom 10. Juli 1997 und bestätigend vom 7. April 2005
  4. Finanzministerium NRW: Steuerliche Auswirkungen des Verzichts eines Gesellschafter-Geschäftsführers auf eine Pensionsanwartschaft
  5. Einfrieren von Pensionszusagen auf den Past-Service/Verzicht auf den Future-Service; Verfügung der OFD Hannover vom 11. August 2009 (S 2742 - 202 - StO 241)
  6. Klaus Dernedde: Betriebliche Altersversorgung und Tarifvorbehalt. 2. Auflage, S. 16 ff.
  7. Tarifvertrag zur betrieblichen Altersvorsorge für Mitarbeiter und Auszubildende zur pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten in Apotheken (PDF)
  8. Apothekentarifvertrag 2012 zur betrieblichen Altersvorsorge und Entgeltumwandlung
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